Beim Versuch, das richtige Leben im Falschen zu leben, ergeben sich nicht selten Situtationen in denen man nichts sehnlicher wünscht als das 16-Tonnen-Gewicht aus Monty Pythons „Wunderbare Welt der Schwerkraft“ oder aber eben ein riesiges behaartes Wesen mit „feminist“ – Bling-Bling um den Hals, dass die Kerners, Eva Hermanns, die oder den Informatiklehrer_in mit den „lustigen“ Sprüchen, deren „Pointe“ immer irgendwas mit Frauen und Technik zu tun haben, verstummen lässt. Im richtigen, also mithin im falschen Leben, bleiben solche Wünsche meist unerfüllt. Am vergangenen Wochenende gab es in Frankfurt/Oder den Versuch, dem metaphorischen girlmonsta für die Teilnehmenden des „Antisexistischen Spektakels 2007“ Gestalt zu verleihen.
Angekündigt hatten die Veranstaltenden, also JD/JL Brandenburg und NFJ Berlin, Workshops, Perfomances, Diskussionen und Filme, die sich mit Geschlechterverhältnissen, Gender und Sexismus – mit Homophobie und Heteronormativität, sowie einer ganzen Menge weiterer Themen befassen sollten. Entgegen dem richtigen, mithin dem falschen Leben, kam das girlmonsta diesmal immerhin nur mit etwas Verspätung, statt eben wie so oft gar nicht.
Am Anfang der Veranstaltung stand eine so genannte Gender – Disko, die aber noch nichts mit Tanzen zu tun hatte, sondern von Diskussion abgeleitet war. Die zu diesem Zeitpunkt noch nicht gerade zahlreich angereisten Teilnehmenden diskutierten dort in wechselnden Kleingruppen die Relevanz der Kategorie Geschlecht im Alltag und mögliche Strategien der Veränderung oder Abschaffung von Geschlechterbildern, Geschlechterrrollen.
Danach sollte eine Filmvorführung mit anschließender Diskussion stattfinden, die wegen einer technischen Panne sich leider verzögerte. Nachdem noch fehlende Kabel besorgt waren, begann die Veranstaltung mit einer Filmvorführung des Vereins GLADT (Gays and Lesbians aus der Türkei). Gezeigt wurde „Lola und Bilidikid,“ ein Spielfilm, der differenziert und zum Teil auch sehr komisch Konflikte und Gewalterfahrungen von jungen Schwulen mit türkischem Migrationshintergrund thematisiert, dabei aber auch den Kontext des Lebens unter den Bedingungen der rassistischen „weißen“ deutschen Gesellschaft zeigt. Aufgrund der schon sehr fortgeschrittenen Zeit war die anschließende Diskussion eher kurz. Gürkan Buyurucu von GLADT berichtete von seinen Erfahrungen, diesen Film an deutschen Schulen zu zeigen und meinte, dass es zum Teil sehr interessant sei, da Deutsche ohne Migrationshintergrund nach diesem Film offener über Homophobie reden würden, da es ja um „die Anderen“ gehe.
Er versuche dann vermittelt über diesen Film den Blick auf andere homophobe Strukturen zu lenken. Gesamtgesellschaftlich passiere dies jedoch gerade nicht. Buyurucu meinte, dass zum Teil schwullesbische Lobbyorganisationen wie der LSVD dazu beitrügen, Homophobie sehr pauschalisiert migrantischen Communities zuzuschreiben und damit zu externalisieren. Er zitierte u.a. die vom LSVD in Auftrag gegebene Studie „Ausprägungsformen von Homophobie im Kontext von Migration“ und die sich anschließende Presseberichterstattung, die aus seiner Sicht eher zu einer stereotypen Sicht auf türkische Deutsche beitrage und soziale Faktoren vollkommen aus dem Blick lasse. Zudem würden schwule, lesbische und queere Migrant_innen erneut und damit zweifach marginalisiert.
Am Samstag gab es dann mehr Zeit für Diskussionen – wenn auch einige Dispute kontrovers genug waren, als dass auch hier die Zeit kaum reichte. So dauerte der Workshop zu „(anti)lookism“ mehr als drei Stunden und es erschien einigen Teilnehmenden, als wäre die Diskussion gerade erst an den spannenden Punkten angekommen. Umstritten war vor allem die Frage, in welchem Verhältnis „lookism“ als Begriff, der in deutschen Debatten erst relativ neu ankommt, sich zu Herrschaftsverhältnissen, wie Rassismus, Sexismus, Ableismus etc. verhält. Einige Teilnehmer_innen vertraten die Position , dass die Gefahr bestehe, manifeste Formen von Diskriminierung und Herrschaft würden durch den noch sehr wenig geschärften Begriff von lookism relativiert, der durch die Endung „-ism“ eine eigenständige Herrschaftsform assoziieren lasse.
Andere Teilnehmer_innen hingegen vertraten die Hoffnung, dass scheinbar unpolitische Fragen von Ästhetik sich unter diesem Begriff auf Herrschaftswirkungen und Ausgrenzung befragen ließen. Eine Teilnehmerin meinte, dass es vielleicht möglich wäre, ganz konkret die eigene ästhetische Normierung, die in einer teilweise fast einheitlichen Kleidung und Frisierung, die man auf linken Veranstaltungen und Parties zum Teil beobachten könne, selbstkritisch zu analysieren, da auch diese nicht frei von rassistischen und sexistischen Wirkungen wäre.
Neben diesen sehr kontroversen Diskussionsrunden, gab es auch eine Reihe von Workshops, die einen Blick auf Kämpfe und Auseinandersetzungen außerhalb Deutschlands erweitern sollten. So berichteten die OrganisatorInnen des queeren Q! Film-Festivals von den Problemen und Auseinandersetzungen lesbischer Frauen in Indonesien. Bewundernswert war hier der Mut aber auch der Humor der Vortragenden. Immerhin sind durch angriffe radikaler religiöser Organisationen bei Veranstaltungen in Jakarta Menschen verletzt und getötet worden.
Der Samstagabend begann mit verschiedenen Performances von Drag-Queen Viola, die sich als geflüchtete Neuruppinerin „outete“. Anschließend traten die dreckkingz auf. Anschließend gab es Musik von den queeren Ganster-Rappern von C.B.A. und “L´amour aux toilette“ auf die Ohren. Nach Aussage eines Besuchers: Musik, wie es sie leider in Frankfurt seit Jahren nicht gegeben habe. Danach wurde getrunken und getanzt, na ja, bis halt alle betrunken und betanzt waren.
Am Sonntag gab es dann wieder workshops, die zum Teil auch eher alltagspraktische Dimensionen hatten. Die Gruppe GAP präsentierte Überlegungen zum Umgang mit sexualisierter Gewalt, in einer anderen AG ging es um die Frage von Männlichkeit und Mackerverhalten in Antifa-Zusammenhängen. Diskutiert wurde hier, wie eine Neubestimmung des Begriffes von Militanz jenseits von der Inszenierung symbolischer hegemonial-männlicher Gewalt stattfinden könne. Grundlage für Diskussion war ein kurzer Text
aus dem Antifaschistischen Infoblatt, der implizit eine Reihe von Problemen hegemonialer Männlichkeit und deren Konsequenzen für die “Kampagne NS-Verherrlichung stoppen“ ansprach.
Daneben fand noch ein workshop für alle Menschen statt, die sich als Frauen/Trans/Inter etc. definieren statt. Er hatte eher den Charakter einer netten offenen Diskussionsrunde, in der sowohl auf persönlicher, erfahrungsbasierter als auch ansatzweise theoretischer Ebene das Thema “Sexualität und Monogamie” diskutiert wurden. Vor allem ging es hier um die Diskrepanzen zwischen Theorie und Praxis, den Möglichkeiten und Grenzen der Bedürfnisartikulation, dem Anspruch nicht-monogam zu leben und den Steinen, die einem da (u.U. auch von sich selbst) in den Weg gelegt werden. Und was sind überhaupt denn eigentlich die Unterschiede zwischen Freundschaft und Beziehung oder wollen wir da überhaupt Unterschi
ede (re)konstruieren? Auch hier war mal wieder die Zeit zu kurz und viele hatten den Wunsch, diesen workshop in ähnlicher Form an einem anderen Ort zu einer anderen Zeit fortzusetzen. Wir bleiben gespannt, was da noch kommen mag!
Ebenfalls am Sonntag fand eine Zukunftswerkstatt zu weiterer antisexistischer Politik in der Region statt deren Ergebnisse sich hoffentlich bald hier und anderer Stelle bestaunen lassen.
Tja – das war das Spektakel! Auch wenn das girlmonsta ab und an zu spät kaum, die meisten Besucher_innen haben sich vermutlich gefreut, dass es da war.