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Grausames beim Namen genannt

Die Psy­chi­a­trie in Deutsch­land in der Zeit des Nation­al­sozial­is­mus ist eines
der schreck­lichen Kapi­tel der Geschichte. Es spart auch das Geschehen in der
psy­chi­a­trischen Lan­desanstalt Lübben — seit 1924 trug die Ein­rich­tung in der
Prov­inz Bran­den­burg diese Beze­ich­nung — nicht aus. Lübben­er Gymnasiasten
befassen sich mit den Geschehnis­sen und set­zen «Stolper­steine» mit Namen und
Lebens­dat­en von Ermorde­ten in der Psychiatrie. 

Geistige Stolper­steine des Nach­denkens und Erin­nerns will eine Ausstellung
im Stadt- und Regional­mu­se­um bieten, die derzeit zu sehen ist. Zur
Ausstel­lung gestal­ten Wis­senschaftler eine Vor­tragsrei­he. Am Mittwoch sprach
Dr. Kristi­na Hüben­er von der Uni­ver­sität Pots­dam vor gut gefülltem
Audi­to­ri­um im Muse­um über das Geschehen in der Lan­desanstalt zwis­chen 1930
und 1940, dem Jahr der Schließung dieser Einrichtung. 

«Lübben war keine Tötungs- und keine Zwis­chen-Anstalt auf dem Weg zur
Ermor­dung psy­chisch Kranker. Hier wurde nicht zwangsster­il­isiert. Aber die
Lübben­er Lan­desanstalt war eine wichtige Ein­rich­tung für die
n€pathologische Forschung in jen­er Zeit» , stellte Hüben­er fest. Die
Lan­desanstalt wurde zum Kristal lisa­tions punkt für die Betreuung
bil­dung­sun­fähiger Kinder und Jugendlicher. 

Hüben­er ver­wies in ihrem geschichtlichen Exkurs auf die Entste­hung der
Psy­chi­a­trie in der Prov­inz Bran­den­burg, die 1893 begann und schon damals die
Lübben­er Anstalt für die Betreu­ung solch­er Patien­ten vor­sah. Nach dem Ersten
Weltkrieg und der Weltwirtschaft­skrise forcierten Wis­senschaftler die
Debat­te um die Ster­il­i­sa­tion psy­chisch kranker Men­schen, um die Zahl der
Erkrank­ten zu senken. Das mün­dete 1930 in ein Gesetz zur Ster­il­isierung, der
die Fam­i­lie und nach Möglichkeit der Betrof­fene zus­tim­men sollte. 

1934, die Nation­al­sozial­is­ten waren an der Macht, wurde die Idee der
Zwangs-Ster­il­isierung psy­chisch Kranker zur geset­zlichen Grund­lage. «Es gab
viele Bausteine auf dem Weg zum so genan­nten leben­sun­werten Leben» ,
erin­nerte Hüben­er. Akten­stu­di­en bele­gen, dass zwis­chen 1935 und 1939 in
Bran­den­burg mehr als 15 000 «erbkranke» Frauen und Män­ner diese Tor­tur über
sich erge­hen lassen mussten; aus der Lübben­er Anstalt erlit­ten 858 Menschen
dieses Schick­sal. Zwar wur­den die Ein­griffe bei den Män­nern in Teu pitz,
Beeskow, Guben und bei den Frauen in Berlin-Neukölln vorgenom­men, aber die
Entschei­dun­gen fie­len in Lübben. 

Deutsch­land in der Weimar­er Repub­lik galt inter­na­tion­al als Vor­re­it­er in der
n€pathologischen Forschung. Dies wurde unter anderem mit großzügigen
Mit­teln aus­ländis­ch­er Geldge­ber gefördert. Unter dem Nationalsozialismus,
legte Dr. Hüben­er dar, wurde diese Forschung den Ras­sen­ge­set­zen und den
Zweck­en des Regimes unter­ge­ord­net. Psy­chisch kranke und bildungsunfähige
Kinder und Jugendliche wur­den nach ihrer «Über­stel­lung» in die Landesanstalt
Pots­dam und später nach Bran­den­burg-Gör­den sowohl für pharmakologische
Ver­suche als auch für Stu­di­en am leben­den Men­schen und zu
n€pathologischen Unter­suchun­gen nach dem Tod missbraucht. 

Kristi­na Hüben­er stieß bei ihren umfan­gre­ichen Recherchen unter anderem auf
Trans­porte 1938 nach Pots­dam und 1940 nach Gör­den mit der Anstalt in Teupitz
als «Zwis­chen­sta­tion» . Im Kaiser-Wil­helm-Insti­tut Berlin-Buch zogen
«Medi­zin­er» aus Unter­suchun­gen der Gehirne und ander­er Gewebe ihre
«Schlüsse» . Die Opfer dafür kamen auch aus der Lübben­er Landesanstalt. 

Die Ausstel­lung «Stolper­steine» gedenkt der Opfer, deren Namen auf neun
mannshohen Tafeln geschrieben sind. Sie macht Schick­sale deut­lich und
benen­nt Täter, die maßge­blich für diese Gräuel Ver­ant­wor­tung tra­gen — und
zum Teil nach dem Krieg wieder ver­ant­wortliche Posi­tio­nen bek­lei­den konnten.
(-ds)

Info zum The­ma Ausstellung 

Mit dem Schick­sal von Kindern und Jugendlichen zwis­chen acht und 17 Jahren,
die in der NS-Zeit aus der dama­li­gen Lübben­er Lan­desanstalt abtransportiert
und getötet wur­den, beschäftigt sich die Ausstel­lung «Stolper­steine» .
Her­vorge­gan­gen ist sie aus einem Pro­jekt, an dem Schüler des Lübbener
Paul-Ger­hardt-Gym­na­si­ums und ander­er Schulen beteiligt waren. Die
Ausstel­lung ist im Stadt- und Regional­mu­se­um noch bis zum 6. März zu sehen.

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