Frankfurt/Slubice (MOZ) Der einstige jüdische Friedhof von Frankfurt (Oder)
im heutigen polnischen Slubice sorgt wieder einmal für Streit. Nachdem lange
Zeit ein Bordell auf dem Gelände für Zündstoff gesorgt hatte, geht es jetzt
um den Abriss dieses Gebäudes.
Es ist wie eine endlose Geschichte aus Tragik und Missverständnissen. Dabei
hatte zunächst der Friedhof in der einstigen Frankfurter Dammvorstadt
östlich der Oder als einziges Zeugnis jüdischen Lebens in der Stadt den
Zweiten Weltkrieg überstanden. Während die meisten jüdischen Bewohner von
den Nazis ermordet worden waren, blieb der Friedhof nahezu verschont.
Anfang der 70er Jahre wurde das Gräberfeld von polnischen Behörden
eingeebnet. Die Erinnerung daran wäre vielleicht mit den letzten Zeitzeugen
ausgestorben, hätte nicht nach 1989 ein Rabbiner aus New York für Aufsehen
gesorgt. Berel Polatsek hatte seine Doktorarbeit über einen Rabbiner
geschrieben, der in Frankfurt begraben liegt und für das jüdische
Geistesleben herausragende Bedeutung besitzt. Josef Theomin, der im 18.
Jahrhundert in der Oderstadt lebte, hat hier Kommentare zu den koscheren
Speisegesetzen verfasst.
Polatsek machte sich auf die Suche nach Theomins Grab — und war erschüttert,
als er das Gelände entdeckte. Vom Friedhof gab es kaum noch eine Spur,
stattdessen war ein Restaurant darauf gebaut worden, dass nach der Wende zum
Bordell wurde. .
Die Stadt Slubice erhielt aus Warschau eine Million Zloty (250 000 Euro), um
dem Bordellbetreiber Gelände und Etablissement abzukaufen. Im Mai 2004 wurde
der Friedhof der heutigen jüdischen Gemeinde von Stettin übertragen.
Doch nun gibt es einen neuen Konflikt. Die Stadt Slubice ließ Ende
vergangenen Jahres das alte Restaurantgebäude auf eigene Faust einreißen,
nachdem der örtliche Bauinspektor Einsturzgefahr festgestellt hatte. Diese
Entscheidung entzürnte die neuen jüdischen Besitzer aus Stettin, die nicht
informiert wurden. Der Vorsitzende der Gemeinde, M. Rozen, war empört. Vor
Ort bietet sich derzeit ein trauriger Anblick. Weil die Abrissarbeiten
gestoppt wurden, sind die Gräbern von Ruinen umgeben. Plünderer und
Demolierer haben für eine noch schlimmere Kulisse gesorgt.