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Tafel für Stalinismus-Opfer soll an die Stützmauer

Mit einem Kom­pro­miss endete am Mittwochabend in der
Stadtverord­neten­ver­samm­lung die Debat­te um eine Erweiterung beziehungsweise
Umgestal­tung des Denkmal-Kom­plex­es auf dem Sprem­berg­er Geor­gen­berg. Nach
län­ger­er Debat­te und ein­er kurzen Auszeit schlug die CDU-Frak­tion, die bis
dahin die Beschlussvor­lage ihres Mit­glieds Egon Wochatz (gle­ichzeit­ig
Vor­sitzen­der des Geor­gen­bergvere­ins) vehe­ment vertei­digt hat­te, vor, nicht
die Tafel mit den Namen von elf Opfern des Stal­in­is­mus an der
Sock­el­rück­seite des Denkmals für die Opfer des Faschis­mus anzubringen,
son­dern eine Tafel mit der Auf­schrift: «Die Stadt Sprem­berg gedenkt aller
ihrer Opfer von Krieg und Gewalt im 20. Jahrhun­dert» . Dieser Vorschlag
wurde mit ein­er Mehrheit von 19 zu 12 Stim­men beschlossen. 

Die Tafel mit den Namen der Opfer des Stal­in­is­mus soll — so die Konsequenz
aus dem erziel­ten Kom­pro­miss — an der Stütz­mauer ange­bracht wer­den, die das
Denkmal umgibt. Dabei ist noch offen, ob es bei den vom Georgenbergverein
vorgeschla­ge­nen Namen bleibt. Bis zur näch­sten Stadtverordnetenversammlung
will man sich darüber noch verständigen. 

Der SPD-Abge­ord­nete Andreas Lemke hat allerd­ings bere­its am Mittwoch der
Nen­nung von Ernst Tschick­ert auf dieser Tafel für den Fall widersprochen,
dass auch Klaus Mold­en­hauer und Kurt Leopold (bei­de waren Mit­glieder der
NSDAP gewe­sen) weit­er­hin auf der Tafel verewigt wer­den sollen. 

«Die Zus­tim­mung von Ange­höri­gen Ernst Tschick­erts liegt nicht vor, und der
SPD-Ortsvere­in Sprem­berg ist daher als einziger legit­imiert, diese
Namen­snen­nung zu ver­bi­eten, da es sich um seinen ehe­ma­li­gen Vorsitzenden
han­delt» , begrün­dete Lemke. «Wir wer­den nicht hin­nehmen, dass Ernst
Tschick­ert als Feigen­blatt für andere benutzt wird.» 

Zuvor hat­te Egon Wochatz noch ein­mal den aktuellen Recherch­e­s­tand des
Geor­gen­bergvere­ins zu den aufge­führten Namen vor­ge­tra­gen. Nach wie vor sah
man bei der CDU keinen Grund, in den zwei bis­lang strit­ti­gen Fällen eine
Mit­glied­schaft in der NSDAP als Auss­chlussgrund für eine Ehrung unter den
Opfern des Stal­in­is­mus zu betra­cht­en, zumal sich die Umstände, unter denen
Klaus Mold­en­hauer mit bere­its 17 Jahren noch kurz vor Kriegsende zu einer
NSDAP-Mit­glied­schaft kam, bis­lang nicht schlüs­sig aufk­lären ließen.
Mold­en­hauer sei zwar in der Hitler­ju­gend gewe­sen und habe dort auch eine
Funk­tion innege­habt, er sei aber lediglich Leit­er «ein­er Art Kulturgruppe»
gewesen. 

Der RUNDSCHAU liegt allerd­ings auch der Brief eines Zeitzeu­gen vor, der mit
sehr hoher Wahrschein­lichkeit in Mold­en­hauer seinen «ehe­ma­li­gen Stammführer
der Hitler-Jugend» wiederzuerken­nen glaubt. Dieser sei schnei­dig und
fanatisch gewesen. 

Für Kurt Leopold, den dama­li­gen Leit­er des Kraftwerkes Trat­ten­dorf, spreche,
dass er sich im Inter­esse der Sprem­berg­er Bevölkerung aus der sicheren
Evakuierung zurück in seinen Heima­tort begeben habe, um dort die
Stromver­sorgung wieder aufzunehmen. 

Andreas Lemke räumte ein, dass es wohl keines der namentlich erwähnten
Opfer — wed­er des Faschis­mus noch des Stal­in­is­mus — ver­di­ent habe, dass sein
Andenken mit klein­lichen Diskus­sio­nen zerre­det würde: «Tat­sache ist, dass
das Andenken an die Opfer des Stal­in­is­mus bish­er zu kurz gekom­men ist. Es
darf aber auch nicht Geschicht­sklit­terung betrieben und der Stal­in­is­mus mit
dem Nation­al­sozial­is­mus gle­ichge­set­zt wer­den. Die Gesamtver­ant­wor­tung für
die schlimm­sten Ver­brechen der Men­schheits­geschichte ist nicht zu
relativieren.» 

Auch für die PDS-Frak­tionsvor­sitzende Bir­git Wöllert war klar, dass eine
Verän­derung des Denkmals für den antifaschis­tis­chen Wider­stand nicht in
Frage kommt. Die dort in den Sock­el einge­meißel­ten 17 Namen stün­den für
jenen rel­a­tiv kleinen Teil der Deutschen, der den Mut gehabt habe, gegen ein
unmen­schlich­es Sys­tem aktiv etwas zu tun, auch unter Ein­satz des eigenen
Lebens. «Die Änderung des antifaschis­tis­chen Denkmals ist eine nachträgliche
Verächtlich­machung der Opfer auf diesem Gedenkstein» , betonte Birgit
Wöllert. «Das ist ein Sig­nal, das von dieser Stadt nicht aus­ge­hen darf.» 

Hin­ter­grund Emo­tionale Debatte

Obwohl die CDU nach RUND­SCHAU-Infor­ma­tio­nen ihren später eingebrachten
Kom­pro­missvorschlag schon im Vor­feld als Alter­na­tive erwogen hat­te, wurde
die Debat­te um Umgestal­tung und Namen­stafel in der Spremberger
Stadtverord­neten­ver­samm­lung zunächst ein­mal über eine Stunde hart­näck­ig und
emo­tion­al geführt. Ein Schlagab­tausch, der von eini­gen Red­nern offen­bar auch
als poli­tis­che Abrech­nung mit der jew­eils anderen Partei und ihrer
his­torischen Ver­gan­gen­heit und Ver­ant­wor­tung genutzt wurde. Frank-Michael
Schober (CDU) steigerte sich so sehr in seine zornige und ankla­gende Rede in
Rich­tung PDS hinein, dass er in einem schw­eren sprach­lichen Miss­griff die
sow­jetis­chen Internierungslager der Nachkriegszeit als «Ver­nich­tungslager»
beze­ich­nete und damit auf eine Stufe mit den für eine sys­tem­a­tis­che Tötung
von Men­schen ein­gerichteten Konzen­tra­tionslagern der Nationalsozialisten
stellte. Er rel­a­tiverte zwar später, es habe richtiger «Ter­ror­lager» heißen
müssen, doch die PDS-Frak­tion und die SPD waren nicht gewil­lt, seine
Ent­gleisung zu vergeben. Bir­git Wöllert: «Ich muss Ihnen im Namen meiner
Frak­tion sagen: Es ist unge­heuer­lich, was Sie hier abge­lassen haben. Es ist
ver­gle­ich­bar mit dem, was in Dres­den passiert ist, und ich weiß nicht, ob
Sie sich dort ein­rei­hen wollen.»

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