TAGESSPIEGEL
Neuruppin. Die Zeugen reden im Landgericht Neuruppin beinahe tonlos,
als
müssten sie fremde Sätze vortragen.
Vielleicht können die zwei jungen
Männer
und die junge Frau ihr Entsetzen nicht anders artikulieren, das auch
heute
noch die Erinnerung an den November 2002 dominiert. Seit vier Monaten
war
der 16-jährige Marinus Schöberl verschwunden, ein paar junge Leute aus
dem
Dorf Potzlow und Umgebung unterhielten sich über den seltsamen Vorfall.
Skinhead Marcel S. war dabei und spielte sich auf, wie schon bei
anderen
Bekannten zuvor. “Gebt mir 25 Euro und ich zeig euch Marinus”, habe
Marcel
S. gesagt, berichtet ein 19 Jahre alter Zeuge. Er war skeptisch,
Marcels
Freundin auch, doch beide gingen am Abend des 15. November mit. Zu dem
Schweinestall mit der Jauchegrube, in der die Leiche steckte.
Marcel habe eine Taschenlampe und ein Beil dabei gehabt, sagt der
19-Jährige. “Er hat rumgekratzt in der Erde”, dann sei ein Schädel zum
Vorschein gekommen. Mit dem Beil habe Marcel “ruffgekloppt”, der Zeuge
stockt. “Es hat geknackt.” Und Marcel habe beim Zuschlagen gerufen, “du
Drecksau, du Schwein!” Der Zeuge senkt den Kopf. Marcel S.,18, blickt
blass
und starr vor sich hin. Sein mitangeklagter Bruder Marco, 24, zieht die
Stirn in Falten. Sebastian F., der dritte Täter, auch er 18 Jahre alt,
schaut wie an jedem Tag mit seltsam großen Augen auf seinen Tisch.
Der Zeuge sagt, Marcel habe ihm und der Freundin mit dem Beil gedroht.
“Wenn
ihr zur Polizei geht, seid ihr auch mit dran.” Die 18 Jahre alte
Freundin
sagt dem Gericht, sie habe Marcel das Beil weggenommen. Denn sie hatte
Angst, “dass er freidreht”.
Die grausige Geschichte sprach sich im Jugendclub des Nachbardorfes
Strehlow
herum. Ein 16-Jähriger ging mit Freunden zur Fundstelle. “Ich hab
gebuddelt”, sagt der junge Zeuge und macht eine kleine Pause,
“eigentlich
wollte ich nicht”. Die Gruppe legte Teile des zertrümmerten Schädels
frei,
den Brustkorb und Armknochen. Dann wurde die Polizei informiert. Bald
gab es
keinen Zweifel mehr: Der in der Nacht zum 13. Juli zu Tode gequälte
Marinus
Schöberl hatte vier Monate in der Jauchegrube gelegen.
Der 16-jährige Zeuge hat Angst. Das Skinhead-Girl Nicole B. hat ihm
Pfefferspray ins Gesicht gesprüht und gedroht, “dass sie mich
verprügeln
würde und liegen lasse, dass ich verrecke”. Nicole B. war die Freundin
des
ältesten Angeklagten, Marco S. Die junge Frau trat am vergangenen
Freitag
selbst als Zeugin auf, ziemlich trotzig. Marco S. warf ihr mehrmals
lauernde
Blicke zu. Ein Paar sind die beiden offenbar nicht mehr. Doch die Angst
des
jungen Zeugen bleibt.
BERLINER MORGENPOST
Leiche mit der Axt verstümmelt
Der Mord von Potzlow: Im Prozess um den Tod von Marinus Schöberl kamen gestern grausame Details zu Tage
Neuruppin — 25 Euro, das war der Preis, den Marcel Sch., mutmaßlicher
Mörder
von Marinus Schöberl, dafür verlangte, dass er anderen die Leiche
seines
Opfers zeigte und sie so an dem teilnehmen ließ, was er den “geilen
Kick”
beim Töten eines Menschen nannte. Vier Monate nach dem Tod von Marinus
am
Morgen des 13. Juli 2002 führte er Martin R. (18) und Madeleine K. (18)
zu
der Jauchegrube, in der er, sein älterer Bruder Marco (23) und
Sebastian F.
(18) den Toten verscharrt hatten.
Die beiden Zeugen schilderten dies gestern am vierten Prozesstag vor
dem
Neuruppiner Landgericht — und erzählten von Details, die manch einem
Beobachter das Blut in den Adern stocken ließ. “Er sagte uns, dass er
weiß,
wo Marinus Leiche liegt”, sagte Madeleine K. gestern vor dem
Neuruppiner
Landgericht. Ohne zu zögern führte er die beiden an den Ort. Im Gepäck
hatte
er eine Axt und eine Stabtaschenlampe. Marcel buddelte mit der Axt in
dem
Morast und legte einen Teil des Schädels des Toten frei. “Er nahm die
Axt
und schlug ein paar Mal auf den Schädel ein.” Martin R., der auch dabei
war,
ergänzte, dass Marcel immer wieder “Scheiß-Schädel, verdammter
Scheiß-Schädel” gebrüllt hat, als er auf die Knochen einschlug.
Madeleine
K.: “Wir dachten nur, der dreht gleich komplett frei.”
Auf die Frage, warum sie nicht zur Polizei gingen, antworteten die
Zeugen,
Marcel habe mit der Axt in der Hand gedroht, dass ihnen beiden das
gleiche
widerfahren würde wie Marinus, wenn sie anderen von der “Sache”
erzählten.
Der Polizei erzählten sie es nicht, doch schnell machte in der
600-Seelen-Gemeinde die Nachricht die Runde, dass am Schweinestall ein
Skelett liegt. Daraufhin machten sich Matthias M. (16) und Daniel G.
(15) am
17. November vergangenen Jahres auf den Weg. Warum? “Aus Neugier, wir
konnten das einfach nicht glauben”, sagte Matthias M. gestern. Mittäter
Marco Sch. musterte bei dieser Aussage den Zeugen mit finsterem Blick:
Der
ist in seinen Augen der “Verräter”, denn er ging zur Polizei und
berichtete
dort, was er gefunden hatte. “Armknochen, ein zerfetztes T‑Shirt und
darunter der Brustkorb.” Er rief an jenem Tag sofort die Polizei. Noch
in
derselben Nacht klickten bei den beiden Brüdern und Sebastian F. die
Handschellen.
Marinus mutmaßlicher Mörder Marcel blickte während des gestrigen Tages
meist
stur nach unten. Nur die nervös rotierenden Finger verrieten seine
Anspannung. Der Prozess wird am Mittwoch mit weiteren Zeugenbefragungen
fortgesetzt.
BERLINER ZEITUNG
Eine Wette brachte die Bluttat ans Licht
Jugendliche sagten als Zeugen im Mordprozess aus
NEURUPPIN. Am mutigsten waren die Jüngsten — drei Jugendliche im Alter
von
damals 14 und 15 Jahren haben am Abend des 17. November 2002 den Mut,
die
Polizei anzurufen und von einem grausigen Fund zu berichten. Sie hatten
in
einer ehemaligen Jauchegrube bei Potzlow Teile der Leiche ausgegraben -
es
handelte sich um die Überreste des 16-jährigen Marinus Schöberl, der
seit
vier Monaten spurlos verschwunden war. Bei der Zeugenvernehmung am
Montag im
Landgericht Neuruppin im Mordprozess gegen Marcel und Marco Sch. sowie
Sebastian F. wurde erneut klar, dass schon vor jenem Tag etliche Leute
von
der Bluttat wussten oder etwas geahnt haben müssen.
Die damals 17 bis 23 Jahre alten Angeklagten, die der rechten Szene
nahe
stehen, hatten Marinus in der Nacht zum 13. Juli stundenlang
misshandelt,
weil sie seine Hiphopper-Kleidung gestört hatte. Später soll Marcel
Sch. den
Schüler erschlagen haben. Als Marinus Schöberl misshandelt wurde, waren
mehrere Erwachsene anwesend, doch keiner informierte die Polizei.
Lange blieb die Tat unentdeckt. Erst am Abend des 15. November hatte
Marcel
Sch. mit zwei seiner Kumpels gewettet, dass er wisse, wo der
Verschwundene
sei. “Wir haben ihm nicht geglaubt”, sagte der 19-jährige Zeuge Martin
R.
Also hätten sie um 25 Euro gewettet. “Er wollte es uns unbedingt
zeigen”,
sagte er. Marcel habe eine Axt und eine Taschenlampe geholt und sei mit
ihnen zum alten Schweinestall gegangen. Dort habe Marcel im Boden
gescharrt,
bis er den Schädel von Marinus fand. Anschließend sei Marcel auf der
vergrabenen Leiche herumgesprungen, habe mit der Axt drauf geschlagen
und
gerufen: Du Drecksau, du Schwein.
“Er schlug auf den Schädel, bis er zersplitterte”, sagte Madeleine K.,
die
ebenfalls dabei war. Nach dem Fund habe er die anderen mit der Axt
bedroht.
“Wenn ihr etwas sagt, seid ihr die Nächsten”, habe er nach Aussagen
beider
Zeugen gesagt.
Die drei fuhren nac
h Hause und meldeten sich nicht bei der Polizei.
Aber sie
erzählten am Sonnabend im Jugendclub weiter, was sie gesehen hatten. Am
Sonntag fuhren drei Jungs los, um nach der Leiche zu graben. “Wir
fanden
Knochen und dachten, die sind von einem Schaf”, sagte der heute
15-jährige
Daniel G. Erst als sie ein Stück vom Schädel, einen Armknochen, ein
T‑Shirt
und einen Teil des Brustkorbes fanden, waren sie sicher, dass es
Menschenknochen sind. Später, als sie erneut zu der Fundstelle gefahren
sind, hätten sie überlegt, was zu tun sei, sagte Daniel G. Sie riefen
dann
anonym die Polizei an. “Die wollten es auch erst nicht glauben, sind
dann
aber doch gekommen”, sagte er.
Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt. Das Urteil soll am 18. Juni gesprochen werden.
MAZ
Wette wies den Weg zu Marinus Leiche
Zeugen schilderten Tag der Entdeckung
NEURUPPIN/POTZLOW Es war eine Erklärung ohne Worte, die der wegen
Mordes an
Marinus Schöberl angeklagte Marcel S. gestern im Gerichtssaal abgab.
Drei
Verhandlungstage hatte der 18-Jährige mit salopper Kleidung und
unauffälligem Haarschnitt dem Verdacht entgegenzuwirken versucht, ein
Neonazi zu sein. Gestern jedoch tauchte der junge Mann aus Potzlow mit
einer
Halbglatze im Neuruppiner Landgericht auf — eine offensichtliche
Bekundung
seiner Gesinnung. Sogar Verteidiger Volkmar Schöneburg, der einen
rechtsextremen Hintergrund der grausamen Tat bisher bestritt, schien
überrascht. Marcel hingegen wirkte ruhig. Es sah aus, als habe der
junge
Mann wieder zu sich gefunden, während Zeugen schilderten, wie der
Angeklagte
am 15. November 2002 Marinus Leiche in der Jauchegrube mit einer Axt
freigelegt hatte.
“Du Drecksau! Du Schwein!” habe Marcel geschrien, als er mit der Axt in
der
Rechten auf dem Toten herumsprang, berichtete der 19 Jahre alte Zeuge
Martin
R. Dann habe Marcel mehrmals mit der Axt auf den Kopf des Toten
eingeschlagen. “Scheiß Schädel!” habe Marcel gerufen, erinnerte sich
Zeugin
Madeleine K. Da Marcel “aggressiv” wirkte, habe sie ihm reflexartig die
Axt
weggenommen. “Ich dachte, dass er irgendwelche Scheiße damit macht”,
erklärte die 18-Jährige ihre Reaktion.
Dass die Furcht nicht unbegründet war, zeigte sich gegen Mitternacht
auf dem
Rückweg von der verlassenen LPG ins Dorf. Marcel, berichteten beide
Zeugen,
habe die Axt plötzlich emporgehoben und gedroht: “Wenn ihr was sagt,
seid
ihr die nächsten.” Doch dann habe Marcel nur gelacht und die Axt wieder
sinken lassen.
Marcel S. war an jenem Samstag im November offenbar schon frühzeitig
äußerst
angespannt gewesen. Bereits am frühen Abend, als er mit Martin R. und
Madeleine K. beim Bier zusammensaß, habe Marcel gewirkt, “als ob er was
loswerden wollte”, berichtete Zeuge R. Als die drei schließlich über
Marinus
redeten, der seit vier Monaten als vermisst galt, habe Marcel
überraschend
erklärt, er wisse, wo der 16-jährige Schüler sei. Martin R. und
Madeleine K.
hielten Marcels Behauptung jedoch für so unglaubwürdig, dass sie ihn
mit
einer Wette über 25 Euro herausforderten. Daraufhin holte Marcel von
daheim
die Axt und führte seine beiden Bekannten zu Marinus Leiche. Drei Tage
später benachrichtigten Potzlower Bürger die Polizei.
Schon in den Wochen zuvor hatte Marcel bei verschiedenen Gelegenheiten
mehr
oder weniger verschlüsselt angedeutet, dass er Marinus getötet hat. Als
Marcel bei einer Rauferei unterlag, habe er seinem stärkeren
Widersacher
gedroht: “Wenn du nicht aufhörst, mache ich mit dir dasselbe wie mit
Marinus.” Doch niemand nahm die Hinweise offenbar so ernst, dass die
Polizei
eingeschaltet wurde.
Möglicherweise gab niemand unter den Jugendlichen in Potzlow allzu viel
auf
Marcels Reden. Nach der Tat am 13. Juli 2002 war der damals 17-Jährige
etwa
dreimal pro Woche betrunken. Darüber hinaus solle er seit seinem 14.
Lebensjahr mehrmals in der Woche Drogen zu sich genommen haben.
TAZ
Unglaubliche Brutalität
Zeugen boten Wetten für Leichenschau des getöteten 16-jährigen Marinus, nachdem Täter mit dem Mord prahlten
NEURUPPIN dpa Der mutmaßliche Mörder des 16-jährigen Marinus aus
Potzlow
(Uckermark) hat laut Zeugenaussagen mitwissenden Bekannten mit dem Tod
gedroht. “Wenn ihr zur Polizei geht, seid ihr auch dran”, soll er zu
einem
18-jährigen Mädchen und einem 19 Jahre alten Arbeitslosen gesagt haben.
Die
beiden Jugendlichen berichteten am Montag vor dem Landgericht
Neuruppin.
“Gebt mir 25 Euro, dann zeig ich euch, wo er liegt”, habe der
18-Jährige
gesagt, nachdem er Wochen nach der Tat mehrfach damit geprahlt hatte.
Der
19-Jährige bot ihm 20 Euro, die ein Jahr jüngere Frau wettete um fünf
Euro.
Daraufhin führte der Angeklagte die jungen Leute zu dem Gelände, auf
dem die
Leiche des vermissten Marinus lag. Er habe mit einem Beil im “Grab” des
Opfers herumgestochert und den Schädel herausgeholt, so die Zeugen. Zur
Übergabe des Geldes sei es nicht mehr gekommen. Kurz nach der Wette
nahm die
Polizei die drei Täter fest.
LAUSITZER RUNDSCHAU
Angeklagter bedrohte Mitwisser
Mutmaßlicher Mörder von Marinus prahlte mehrfach mit der Tat
Der mutmaßliche Mörder des 16-jährigen Marinus aus Potzlow (Uckermark)
hat
laut Zeugenaussagen mitwissenden Bekannten mit dem Tod gedroht.
“Wenn Ihr zur Polizei geht, seid Ihr auch dran”, soll er zu einem
18-jährigen Mädchen und einem 19-Jahre alten Arbeitslosen gesagt haben.
Die
beiden Jugendlichen berichteten gestern vor dem Landgericht Neuruppin,
dass
sie im vergangenen Jahr mit dem jüngeren der angeklagten Brüder um den
Nachweis der Tat wetteten.
“Gebt mir 25 Euro, dann zeig ich Euch, wo er liegt”, habe der
18-Jährige
gesagt, nachdem er Wochen nach der Tat mehrfach damit geprahlt hatte.
Der
19-Jährige bot ihm 20 Euro, die ein Jahr jüngere Frau wettete um fünf
Euro.
Daraufhin führte der Angeklagte die jungen Leute zu dem Stallgelände,
auf
dem die Leiche des vermissten Marinus vier Monate lang unentdeckt lag.
Er
habe mit einem Beil im “Grab” des Opfers herumgestochert und den
Schädel
herausgeholt, berichteten die Zeugen. Zur Übergabe des Geldes sei es
nicht
mehr gekommen.
Kurz nach der Wette nahm die Polizei die drei mutmaßlichen Täter fest.
Zuvor
waren die Beteiligten in den Jugendclub im benachbarten Strehlow
gegangen.
Ein 15-Jähriger berichtete, dass er wenig später mit zwei weiteren
Bekannten
vom Jugendclub zum Tatort ging; dort habe er Kleidung, Knochen und Haut
des
in einer Jauchegrube vergrabenen Opfers erkennen können.
Die drei 18 bis 24 Jahre alten Angeklagten haben in schriftlichen
Geständnissen eingeräumt, den Schüler im Juli 2002 gequält und dann
umgebracht zu haben (die RUNDSCHAU berichtete)