Bundesgrenzschutz setzt mit Hunden, Hubschraubern und Wärmebildkameras auf
Abschreckung
(MAZ, 24.7.) FRANKFURT (ODER) Die drei jungen Studenten staunten nicht schlecht. Da
hatten sie an einem warmen Sommertag zwei weiblichen Kommilitonen imponieren
wollen und waren vom polnischen Ufer durch die Oder geschwommen. Auf dem
Rückweg sahen sich die Männer plötzlich von einem Großaufgebot
Grenzschützern umzingelt. “Wir hatten fünf Streifen im Einsatz, die
polnischen Kollegen waren mit drei Streifen vor Ort”, resümiert
BGS-Polizeihauptmeister Lutz Scheibe die Aktion wegen Verdachts des
illegalen Grenzübertritts.
Der letztlich harmlose Vorfall belegt nach seinen Angaben die derzeit
verschärften Sicherheitsvorkehrungen am deutsch-polnischen Grenzfluss. Denn
das Durchschwimmen der eigentlich als gefährlich geltenden Oder ist
gegenwärtig keine große Kunst. Aufgrund der Trockenheit der vergangenen
Wochen ist der Fluss zu einem 99 Zentimeter tiefen Rinnsal geschrumpft und
hat malerische Sandstrände und ‑bänke freigegeben. Was so manchen
Spaziergänger zum Schlendern und Sonnenbaden einlädt, hat den
Bundesgrenzschutz in Alarmbereitschaft versetzt.
Deshalb wurde für jeden gut sichtbar alles an Personal und Technik
aufgefahren, was möglich ist. Das Oderufer wird nicht nur ständig zu Fuß,
mit Diensthunden oder per Auto bestreift. Auch der Hubschrauber ist ständig
im Einsatz, schwebt bei der Suche nach verdächtigen Aktionen häufig nur
wenige Meter über der Wasseroberfläche. Am Ungewöhnlichsten: Die
normalerweise ausnahmslos in der Dunkelheit agierenden Fahrzeuge mit mobilen
Wärmebildkameras stehen jetzt auch tagsüber gut sichtbar am Ufer. “Wir
wollen Präsenz zeigen, die der Abschreckung dient”, erklärt Claudia
Skowronek, Sprecherin des Frankfurter Grenzschutzamtes. Potentiellen
Flüchtlingen und Menschenschleuser-Banden werde signalisiert, dass es
zwecklos sei, auf günstige Gelegenheiten illegaler Transaktionen zu warten.
Allein die Frankfurter Grenzschutzinspektion hat derzeit auf einem 30
Kilometer langen Flussabschnitt rings um die Oderstadt 537 Beamte rund um
die Uhr im Einsatz. “Mit den Wärmebildgeräten kann man viel weiter sehen als
mit dem bloßen Auge”, erklärt BGS-Mann Scheibe den Tag-Einsatz der
hochsensiblen Technik. “Da erkennt man sogar, was das Benzin an den
polnischen Tankstellen kostet”, fügt sein direkt vor dem Monitor sitzender
Kollege hinzu.
Angler, die am Ufer sitzen, und Sonnenbader sind in vielen Fällen lediglich
getarnte zivile BGS-Streifen. Ein Petrijünger auf einer weit ins Wasser
hineinragenden Landzunge scheint jedoch echt zu sein und völlig in die
Fischjagd vertieft. “Wie lange steht der da drüben schon am Wasser?” fragt
ein BGS-Beamter den sichtlich verblüfften Jörg Heilmann und weist auf einen
Mann am polnischen Oderufer, der beim Auftauchen der Uniformierten sofort im
Dickicht verschwindet. “Keine Ahnung, da habe ich nicht drauf geachtet”,
antwortet der Frankfurter Angler schulternzuckend.
Dabei sind es oftmals Bürgerhinweise, die die Grenzschützer zu illegalen
Flüchtlingen führen. “128 Ausländer konnten wir durch Anrufe bei unserem
Bürgertelefon in diesem Jahr bereits aufgreifen”, sagt Claudia Skowronek.
Die Grenzbevölkerung sei sensibilisiert. Selbst Fahrzeuge mit fremden
Nummernschildern, die stundenlang am Oderdeich warten, werden gemeldet.
Nunmehr zeigt die hochgerüstete Gefahrenabwehr an der trägen,
hitzegebeutelten Oder offensichtlich Wirkung. Einen Ansturm von Flüchtlingen
hat es nach Angaben von BGS-Sprecherin Skowronek jedenfalls in den letzten
Wochen nicht gegeben.
Insgesamt weist die BGS-Statistik für die ersten sechs Monate des Jahres 625
illegale Grenzgänger überwiegend aus Russland und der Ukraine aus.
Schwerpunkt im Bereich des Frankfurter Grenzschutzamtes bleibt die Neiße,
die aufgrund geringer Wassertiefe ganzjährig zu durchwaten ist.
Dass sie mit dem aktuellen, durch das Oder-Niedrigwasser bedingten
Großaufwand tatsächlich illegale Flüchtlinge auf frischer Tat ertappen,
glaubt kein Grenzschützer. Sind die Zeiten der Massenaufgriffe im Rahmen
normaler Streifentätigkeit doch schon seit Jahren vorbei. Ein Beleg dafür,
dass die grenzübergreifende Kriminalität immer organisierter und unter
Ausnutzung von moderner Technik abläuft.
Schon längst haben sich die arbeitsteilig agierenden Schleuser-Banden auf
die Aktionen der Grenzschützer eingestellt, sind teilweise auf weniger gut
gesicherte Grenzabschnitte bei Tschechien ausgewichen. Lediglich 1132
Flüchtlinge wurden im vergangenen Jahr an der knapp 260 Kilometer langen
brandenburgisch-polnischen Grenze aufgegriffen, 932 davon wurden von zumeist
polnischen Schleuserbanden ins Land gebracht.
Nach Angaben von BGS-Polizeihauptmeister Scheibe ist dies ein deutliches
Zeichen dafür, dass der illegale Grenzübertritt auf eigene Faust kaum noch
funktioniert. “Ohne ortskundige Helfer hast Du als Fremder hier keine
Chance.” Dazu funktioniert nach Aussagen der BGS-Sprecherin die
Zusammenarbeit mit den polnischen Grenzschützern zu gut.
Binationale Streifen sind inzwischen zur Normalität geworden. Die
Besatzungen der Wärmebild-Wagen informieren über Funk sofort ihre polnischen
Kollegen, wenn sich am östlichen Flussufer ein Mensch verdächtig bewegt.
Auch die Sicherung der polnischen Ostgrenze funktioniere inzwischen
hervorragend, meint Claudia Skowronek.