Staatsanwältin fordert im Potzlow-Prozess Höchststrafen für zwei der drei Angeklagten
NEURUPPIN. Staatsanwältin Eva Hoffmeister fand klare Worte für die Tat, die
sie den drei Angeklagten bei ihrem Plädoyer am Mittwoch noch einmal
vorhielt. “Es geht um die grundlose Hinrichtung eines Jungen, die
unvergleichbar abscheulich ist”, sagte sie in Saal 2 des Landgerichts
Neuruppin. Hoffmeister sieht es als erwiesen an, dass die Angeklagten den
16-jährigen Marinus Schöberl in der Nacht zum 13. Juli 2002 in Potzlow
stundenlang gequält zu haben, um ihn dann aus niederen Beweggründen, äußerst
brutal und kaltblütig zu ermorden.
Falsche Frisur, falsche Kleidung
Einziger Anlass sei gewesen, dass Marinus eine andere Frisur und andere
Kleidung trug als die rechtsextrem eingestellten Jugendlichen. Zwei
Angeklagte waren zur Tatzeit minderjährig und werden nach dem
Jugendstrafrecht abgeurteilt. Hoffmeister forderte für den damals
17-jährigen Haupttäter Marcel Sch. die mögliche Höchststrafe von zehn
Jahren. Für seinen Komplizen Sebastian F. — der sich an der endgültigen
Tötung nicht direkt beteiligt hatte — forderte sie neun Jahre und acht
Monate. Für den erwachsenen Bruder von Marcel verlangte sie lebenslange
Haft. Die Höchststrafe sei bei dieser Tat nötig, obwohl Marco schwer
alkoholabhängig sei und nur über sehr geringe Intelligenz verfüge. Zudem hat
der psychiatrische Gutachter bei ihm eine krankhafte Persönlichkeitsstörung
festgestellt. Auch der Anwalt der Familie von Marinus forderte lebenslange
Haftstrafe.
Mit roten Gesichtern hörten die drei Angeklagten an Fussfesseln gekettet den
Ausführungen der Staatsanwältin zu. Diese sagte, die Mordnacht habe harmlos
begonnen. Die drei Täter hätten Alkohol getrunken, später Neonazi-Musik
gehört. Der Haupttäter durfte an diesem Tag wegen seiner rechtsextremen
Ansichten nicht an der Abschlussfahrt seiner Klasse teilnehmen. Sein großer
Bruder war gerade aus der Haft entlassen worden. Bei Bekannten trafen sie
ihren Kumpel Marinus. Hoffmeister sagte, dass Marco mit dem späteren Opfer
grundlos einen Streit anfing: “Bist du ein Jude?”, habe er gefragt. “Sie
suchten einen Grund, um ihn zu misshandeln”, sagte Hoffmeister. Sie
prügelten ihn, flößten ihm Schnaps ein, bis er sich erbrach. Sebastian F.
urinierte sogar auf den Misshandelten. “Spätestens da wurde Marinus seine
Würde genommen”, sagte sie.
Doch damit nicht genug. Nach stundenlanger Quälerei brachten sie ihn in
einen alten Schweinestall. “Dort wurde er von allen dreien geschlagen und
aufgefordert, in die Steinkante eines Troges zu beißen”, sagte sie. Das ist
für Hoffmeister der Beleg, dass sie den Plan hatten, Marinus gemeinsam
umzubringen. Denn Zeugen hatten ausgesagt, dass alle drei den amerikanischen
Anti-Neonazi-Film “American History X” kennen. Der Film sei die Vorlage für
die Tat gewesen, denn dort wird einem Mann mit einem so genannten
Bordsteinkick der Schädel zertrümmert. Zweimal zwangen die Angeklagten
Marinus, in den Trog zu beißen. “Es ist für das Opfer die wehrloseste
Position, die man sich denken kann”, sagte die Anklägerin.
Keiner der drei Täter habe von den Quälereien abgelassen. “Marcel sprang
hoch, mit den Springerstiefeln auf den Kopf”, sagte Hoffmeister. Sein Bruder
merkte am Puls des Opfers, dass der Junge noch lebt und sagte: “Der wird
nicht mehr, den müssen wir umbringen.” Die Brüder suchten Steine, Marcel
fand zuerst einen und erschlug Marinus. Sebastian F. habe sich am letzten
Teil der Tat nicht mehr beteiligt, sagte Hoffmeister. Das sei das einzig
Entlastende. Nicht aber die Ausrede der Täter, betrunken gewesen zu sein.
Staatsanwalt fordert hohe Strafen für Potzlow-Mord
(BM) Neuruppin — Wegen Mordes an dem 16-jährigen Schüler Marinus aus der
brandenburgischen Gemeinde Potzlow hat die Staatsanwaltschaft hohe
Haftstrafen für die drei Angeklagten gefordert. Der älteste, erwachsene
Angeklagte soll lebenslang in Haft, sein 18 Jahre alter Bruder zehn Jahre
und dessen gleichaltriger Freund neun Jahre und acht Monate. Die drei sollen
in der Nacht zum 13. Juli vergangenen Jahres in Potzlow (Uckermark) den
Schüler Marinus Schöberl bestialisch umgebracht haben. “Sie haben das Opfer
stundenlang misshandelt und erniedrigt”, so die Staatsanwältin. Alle drei
seien des versuchten Mordes schuldig. Die Brüder Marco und Marcel Sch. zudem
des vollendeten Mordes, weil sie entschieden hätten, Marinus umzubringen,
als der schon mit schwersten Kopfverletzungen am Boden lag. Erst mehrere
Wochen nach der Tat war das in einer Jauchegrube vergrabene und skelettierte
Opfer gefunden worden. Staatsanwältin und Nebenklageanwalt sahen letztlich
keinen Grund, die Schuld der Angeklagten wegen geringer Intelligenz,
fehlender Erziehung oder Alkoholisierung zu mindern.
Potzlow-Prozess: Anklage fordert hohe Haftstrafen
(MOZ) Neuruppin (dpa) Wegen Verdeckungsmordes an dem 16-jährigen Schüler Marinus
Schöberl hat die Staatsanwaltschaft am Mittwoch vor dem Neuruppiner
Landgericht hohe Haftstrafen für alle drei Angeklagten gefordert. Der
älteste, erwachsene Angeklagte soll lebenslang in Haft, sein 18 Jahre alter
Bruder zehn Jahre und dessen gleichaltriger Freund neun Jahre und acht
Monate. “Sie haben das Opfer stundenlang misshandelt und erniedrigt. Es hat
Qualen erlitten und wurde seiner Menschenwürde beraubt”, sagte
Staatsanwältin Eva Hoffmeister im Plädoyer. Erst Wochen nach der Tat war das
in einer Jauchegrube vergrabene und skelettierte Opfer gefunden worden.
“Es geht um die grundlose Hinrichtung eines Jungen, die unvergleichbar
abscheulich ist”, sagte Hoffmeister. Die drei aus der Uckermark stammenden
Angeklagten hätten den Schüler in der Nacht zum 13. Juli 2002 stundenlang
geschlagen, beschimpft und ihm Alkohol eingeflößt. Anlass sei allein das
Aussehen des Jungen gewesen: Er trug Hip-Hop-Hosen, seine drei mutmaßlichen
Peiniger Springerstiefel und Glatze. Alle Drei seien der rechten Szene
zuzuordnen, sagte die Staatsanwältin.
Vorbild für das Verbrechen war laut Hoffmeister der Film “American History
X”. Dabei zwingt ein Neonazi sein Opfer, in einen Bordstein zu beißen, und
tritt ihm dabei auf den Schädel. Marinus musste laut Staatsanwältin in einem
ehemaligen Stall in einen Futtertrog beißen, als der angeklagte jüngere
Bruder mit seinen Springerstiefeln auf den Schädel des Opfers sprang. Nach
Aussage des medizinischen Gutachters im Prozess war das die tödliche Aktion.
Weil das Opfer noch röchelte, habe der Jüngere der Brüder dann noch zwei Mal
einen großen Stein auf seinen Kopf geworfen, sagte Hoffmeister.
Bis zu dem Steinwurf hätten die drei Männer — die heute 18- Jährigen waren
zur Tatzeit jugendlich — gemeinschaftlich gehandelt. “Jeder hat geschlagen,
jeder hat erniedrigt”, sagte die Anklagevertreterin im Plädoyer, das die
Angeklagten kopfschüttelnd und gähnend verfolgten. Besonders erschreckend
sei, dass der jüngere der Brüder mit der Tat noch geprahlt habe.
Der Kumpel des jüngeren Bruders war nach Auffassung der Staatsanwältin nicht
am Verdeckungsmord beteiligt und sei nur des versuchten Mordes schuldig. Die
Verteidiger plädieren voraussichtlich Ende September und Anfang Oktober.
Plädoyer: Lebenslang für Potzlow-Täter
Anklage fordert Höchststrafen für d
ie Mörder von Marinus Schöberl
(Tagesspiegel) Neuruppin/Potzlow. Im Prozess um den Mord an dem 16-jährigen Marinus
Schöberl hat die Staatsanwaltschaft hohe Haftstrafen gefordert. Der älteste
der drei rechtsextremen Täter, Marco S. (24) solle lebenslang hinter Gitter,
forderte Staatsanwältin Eva Hoffmeister in ihrem Plädoyer vor dem
Landgericht Neuruppin. Für Marcos Bruder Marcel (18) verlangte sie die
Jugendhöchststrafe von zehn Jahren. Nur bei dem dritten Angeklagten,
Sebastian F. (18) , wich Hoffmeister vom Höchstmaß ab: F. solle neun Jahre
und acht Monate Jugendstrafe verbüßen. Der Anwalt der Eltern Schöberl
schloss sich dem Plädoyer der Staatsanwältin weitgehend an.
Die Skinheads hatten Marinus in der Nacht zum 13. Juli 2002 in Potzlow
stundenlang gequält. Hoffmeister sprach von der “grundlosen Hinrichtung
eines Jungen, die in ihrer Grausamkeit ohne Beispiel ist”. Die vom
psychiatrischen Gutachter bei Marco S. wegen niedriger Intelligenz und
Alkoholabhängigkeit attestierte verminderte Schuldfähigkeit sieht
Hoffmeister auch — doch könne angesichts der besonderen Grausamkeit der Tat
höchstens darauf verzichtet werden, eine besondere Schwere der Schuld
festzustellen. Bei besonderer Schwere könnte Marco S. frühestens nach 15
Jahren Haft eine Entlassung auf Bewährung beantragen.