NEURUPPIN — Im Potzlow-Mordprozess will die Staatsanwaltschaft Neuruppin
trotz der psychiatrischen Gutachten, die Anhaltspunkte für verminderte
Schuldfähigkeit liefern, harte Urteile erreichen. “Eine Strafmilderung wegen
Alkohols werden wir bei den zwei jüngeren Angeklagten nicht mitmachen”,
erklärte Neuruppins Chefankläger Gerd Schnittcher gestern.
Nach der Entscheidung des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom März
2003 “gehört es zum Erfahrungsschatz, dass Menschen generell nach
erheblichem Alkoholgenuss zu Handlungen neigen, die sie nüchtern so nicht
begehen würden”. Schnittcher: “Wir werden versuchen, den Fuß in die sich
öffnende Tür der Rechtssprechung zu stellen.”
Die Verteidiger der beiden 18-jährigen Angeklagten Marcel S. und Sebastian
F. hatten nach den Gutachten auf die beginnende Drogen- und
Alkoholabhängigkeit sowie den hohen Alkoholpegel ihrer Mandanten aufmerksam
gemacht und darauf hingewiesen, dass dieser Umstand die Schuldfähigkeit
mindern könne.
Darüber hinaus sind die Geistesfähigkeiten der drei Angeklagten wenig
ausgeprägt. Marcel S. und Sebastian F. haben einen Intelligenzquotienten von
75 und 77, Marcels 24-jähriger Bruder Marco von 55. Die drei jungen Männer
sind angeklagt, vor einem Jahr den 16-jährigen Marinus Schöberl in Potzlow
(Uckermark) ermordet und die Leiche in einer Jauchegrube vergraben zu haben.