Analyse der Ausschreitungen im September 1991
Es war nicht nur der dumpfe Ausländerhass von Skinheads und die Sympathie einiger Anwohner, die zu den tragischen Ereignissen im September 1991 führten. Vielmehr galten die Angriffe auch der Polizei und einem übermächtigen System, durch das man sich überrollt fühlte. Mit dieser gewagten These fasste gestern der Kultursoziologe Detlef Pollack seine Studie über die Geschehnisse zusammen. Und erntete viel Zustimmung.
Hoyerswerda.
Von Ralf Krüger
Es ist eine traurige Berühmtheit, die Hoyerswerda im September 1991 erlangte, als Skinheads Ausländer drangsalierten und dabei von Anwohnern beklatscht wurden. So war bei dem Vortrag von Professor Detlef Pollack von der Viadrina-Universität in Frankfurt vor der Seniorenakademie die Beschämung zu spüren, dass Hoyerswerda mancherorts noch immer das Symbol für Ausländerfeindlichkeit ist. Dass diese Scham allmählich einer Empörung über die gefährliche Pauschalisierung gewichen ist, liegt auch daran, dass man sich zunehmend sachlich dem Thema widmet. Pollack erklärte, warum die Auseinandersetzungen eskalierten. Es habe überall im Osten Existenzangst geherrscht. Ausländer seien als Konkurrenz empfunden worden, Sozialneid war die Folge. Angestachelt durch einige Skinheads hätten Anwohner ihrer Wut über nächtliche Partys und “ungewohnte Gepflogenheiten geäußert. Dass diese diffusen Anfeindungen letztlich in Belagerungen der Wohnheime gipfelten, hätte außerdem schwere Versäumnisse zur Ursache. Die Polizei habe nicht rechtzeitig hart durchgegriffen, von Seiten der Politiker seien Schlichtungsversuche nur zaghaft gewesen und deshalb ungehört verhallt. Zunehmend hätten sich die Feindseligkeiten von den Ausländern auf die Polizei verlagert. Darin komme auch die Ohnmacht zum Ausdruck, die man gegenüber dem neuen übermächtigen System verspürte, so Pollack. Insgesamt habe eine Verkettung von sozialen Problemen und falschen Reaktionen zur Eskalation geführt. In der Diskussion erklärte Oberbürgermeister Horst-Dieter Brähmig, dass sich das Bild Hoyerswerdas inzwischen gewandelt habe und auch die Ausländerfeindlichkeit hier nicht höher sei als in anderen Städten, auch nicht im Westen. Mit zahlreichen Initiativen und internationalen Partnerschaften werde versucht, dem Ausländerhass jeglichen Boden zu entziehen. Mehrere Gäste beschwerten sich über eine unfaire Darstellung in den Medien, ließen jedoch auch spüren, dass es selbst aus der Bevölkerung kaum Versuche gab, die sich zuspitzende Entwicklung aufzuhalten. Es seien zahlreiche Nicht-Hoyerswerdaer gewesen, die in diesen Tagen der Stadt zu ihrem Grusel-Image verhalfen. Pollack ließ die Einwände gelten, warnte jedoch gegenüber der RUNDSCHAU davor, die Verantwortung wegzuschieben. “Es wäre falsch und politisch unklug, sich dahinter zu verbergen, dass nicht nur Hoyerswerdaer an den Ausschreitungen beteiligt waren. Sie haben hier begonnen. Und von hier aus muss auch der Kampf gegen ähnliche Entwicklungen stattfinden. Dass auch er begonnen hat, macht Mut.”