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Guben — der schwere Kampf gegen den schlechten Ruf

(Berlin­er Mor­gen­post) Einst war es die Wiege der Hutin­dus­trie. Heute ist die Stadt vor allem wegen
ein­er mörderischen Het­z­jagd bekan­nt. Das soll sich ändern
Guben — Die Glastür von dem Haus Hugo-Jentsch-Straße 14, wegen der Farid
Guen­doul alias Omar Ben-Noui 1999 von Recht­sex­tremen zu Tode gehet­zt starb,
ist längst ein­er abweisenden Holzp­forte gewichen. Diese wiederum ist mit
einem Sicher­heitss­chloss abges­per­rt. Raus muss hier nie­mand mehr. Rein nur
noch die Abbruchko­horte, die in diesem Jahr anrückt. Der abweisende Block im
«Wohnkom­plex IV» ist leerge­zo­gen. Er gehört zu denen, die weichen sollen.
Man kann auch sagen: «Den nehmen wir raus.» Das ist ein Satz, den
Bürg­er­meis­ter Klaus-Dieter Hüb­n­er ger­ade häu­fig sagt. Genau 1137 Wohnungen
wer­den von jet­zt bis 2004 «rausgenom­men». Wenn alles gut geht und weiter
Geld fließt weit­ere 449 bis 2006.
Die Stadt Guben schwingt sich auf zu neuer Zuver­sicht. Über den zu Tode
gehet­zten Asyl­be­wer­ber redet Bürg­er­meis­ter Hüb­n­er wenig und nur sichtlich
ungern. Nicht dass er nicht bedauerte. Aber seine Stadt dürfe nicht durch
diesen einen Tag bes­timmt wer­den. Guben müsse ler­nen, sich pos­i­tiv zu
definieren. Die Stadt müsse ihren Bürg­ern Arbeit bieten und ihren
Jugendlichen eine Per­spek­tive. Ihnen auch Ver­ant­wor­tung geben. Dann erledige
sich das Prob­lem mit den Recht­sex­tremen von selbst.
Und Hüb­n­er begin­nt zu erzählen, wie Guben anders wer­den soll. Wie die Stadt
wieder ein­mal da anknüpfen kön­nte, wo sie war. Eine kleine prosperierende
Indus­tri­es­tadt, sauber und lebendig. Auch wenn davon noch nicht viel zu
sehen ist. In den Alt­stadt­ge­bi­eten liegt der Leer­stand bei 50 Prozent. In
dem Plat­ten­bauge­bi­et kaum darunter. Manche Straßen liegen da wie
aus­gestor­ben. Die Frank­furter Straße, die auf die Gren­ze nach Gubin zuführt,
ist eine Bausstelle. Etliche Läden haben für immer geschlossen. «Hier wird
nüscht mehr», sagt eine Pas­san­tin, bevor sie wegeilt, vor dem kalten Wind
auf der Flucht. Nicht mal auf dem kleinen Markt auf der Pol­nis­chen Seite ist
Leben.
Guben hat in den Jahren seit der Wende fast ein Vier­tel sein­er Einwohner
ver­loren. Heute sind es noch etwa 23 500. «Wir gehen davon aus, dass die
Zahl noch auf etwa 22 000 absinkt», sagt Hüb­n­er. Damit habe dann Guben in
etwa die Größe erre­icht, die es vor der «kün­stlichen Industrialisierung»
hat­te. Die kün­stliche Indus­tri­al­isierung begann 1960 mit dem Bau eines
Werkes für Chemiefasern. Damals wur­den aus der ganzen DDR Arbeiter
ange­wor­ben. Für die mussten Woh­nun­gen gebaut wer­den. Die Woh­nun­gen, die
jet­zt über­flüs­sig sind.
Bürg­er­meis­ter Hüb­n­er jam­mert nicht. «Wir müssen sehen, wie wir aus eigener
Kraft weit­er kom­men.» Denn mit der Erweiterungswelle der Europäis­chen Union
wür­den auch die För­der­modal­itäten für seine Stadt schlechter. Bei der
Entwick­lung set­zt die Kom­mune auch auf die pol­nis­che Schwest­er­stadt Gubin.
Dort lag bis die deutsche Bevölkerung 1945 ver­trieben wurde, das Zentrum.
Was heute Guben ist, war früher das Guben­er Indus­trie- und Bahnhofsviertel.
Das macht auch städte­baulich Schwierigkeit­en. Ein echt­es Zen­trum muss in
Guben erst entwick­elt wer­den. Dazu soll im hal­b­ver­fal­l­enen historischen
Quarti­er ein Gebäude für ein Rathaus saniert wer­den. Vis a vis wird ein
Einkauf­szen­trum gebaut.
Ein biss­chen weit­er ist die Stadt schon bei ihrem zweit­en Ziel, die
Chemis­che Indus­trie zu erhal­ten. Vom Faser­w­erk kon­nten immer­hin gut 700
Arbeit­splätze in das heute zur Tre­vi­ra GmbH gehören­den Werk gerettet werden.
Um dieses Werk ranken sich im heuti­gen Indus­triege­bi­et Süd weit­ere acht
Unternehmen mit noch ein­mal soviel Arbeit­splätzen. Mit zwei weiteren
Inve­storen wur­den in den let­zten Wochen Verträge unter­schrieben. «Wir haben
Kom­pe­tenz, und wir räu­men Inve­storen jeden Stein auf den Weg», sagt der
pen­sion­ierte Tre­vi­ra-Chef und jet­zige Wirtschafts­förder­er Kurt Kosse. Er ist
sichtlich stolz darauf, dass es auch in der Zeit des deutschen Jam­mers am
Ende der Repub­lik möglich ist, Inve­storen zu locken.
Langfristig sei Ziel, wieder Ein­wohn­er zu gewin­nen, sagt Hüb­n­er. Damit die
Stadt eine Zukun­ft habe. Und damit sie von dem Ruf loskomme, den ihr die
Het­z­jagd bescherte.

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