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Gubener Hetzjagd mit System?

Heute entschei­det der Bun­des­gericht­shof, ob der Prozess um den Tod Farid
Guen­douls neu aufgerollt wird. Bran­den­bur­gis­ch­er V‑Mann Toni S. war
Bekan­nter eines Haupttäters
BERLIN taz Die tödliche Jagd auf Aus­län­der, an deren Ende der algerische
Asyl­be­wer­ber Farid Guen­doul am 13. Feb­ru­ar 1999 in einem Plattenbauhausflur
verblutete, war kein Zufall. Son­dern “das Ergeb­nis systematischer
Auf­bauar­beit ein­er regionalen Neon­aziszene”, so heißt es in der Anlaufstelle
für Opfer recht­sex­tremer Gewalt in Cot­tbus. Mit­ten­drin: Der im Juli 2002
ent­tarnte V‑Mann des bran­den­bur­gis­chen Ver­fas­sungss­chutzes, Toni S.


Der belieferte die Szene nicht nur mit der “Begleit­musik für Mord und
Totschlag”, wie beispiel­sweise indizierten Landser-CDs, mit denen sich Farid
Guen­douls Angreifer während der Het­z­jagd im Auto in Stim­mung bracht­en. Toni
S. sorgte auch selb­st für Action: Als Kon­tak­t­per­son für die neonazistische
Wan­der­ju­gend Gibor, eine Nach­fol­ge­grup­pierung der ver­bote­nen Wik­ing Jugend.
Gemein­sam mit Berlin­er und Dres­den­er Gesin­nungsgenossen trafen sich
hand­ver­lesene Guben­er Neon­azis zu kon­spir­a­tiv­en Son­nen­wend­feiern und
Wan­derun­gen. Neben Toni S. mit dabei: Alexan­der B., als “entschei­dende
Fig­ur” bei der Guben­er Het­z­jagd wegen fahrläs­siger Tötung zu zwei Jahren
Jugend­haft verurteilt und gut bekan­nt mit Toni S.
Auch wer lieber mit offiziellem Segen durch dieWälder robben wollte, kam an
Toni S. nicht vor­bei. Bis 1999 war der Neon­azi Vor­sitzen­der der
Reservis­tenkam­er­ad­schaft der Bun­deswehr in Guben. Dass Toni S. unter seinen
Skin­head­fre­un­den für die Reservis­tenkam­er­ad­schaft warb, war ein offenes
Geheim­nis. Beson­ders attrak­tiv für die Recht­en: Schießübun­gen auf
Bundeswehrtruppenplätzen.
Das Mit­teilungs­blatt des Lan­desver­ban­des der “Reservis­ten der Deutschen
Bun­deswehr”, gibt Auskun­ft über Toni S. offizielle Aktiv­itäten als
Vor­sitzen­der der “Reservis­tenkam­er­ad­schaft Guben”: “Ver­gle­ich der Kampfkraft
US-Army-Wehrma­cht im 2. Weltkrieg”, lautet beispiel­weise eine
Vor­tragsankündi­gung vom 12. Novem­ber 1998. Außer­dem auf dem Pro­gramm: Ein
Besuch des Bun­deswehrmu­ni­tion­slagers Ullers­dorf, Gril­l­abende und eine
Besich­ti­gungs­tour im Nato-Haup­tquarti­er. Man­fred Hilden­brand, Vorsitzender
des bran­den­bur­gis­chen Lan­desver­ban­des der Reservis­ten sagt, er sei
über­rascht gewe­sen, als Toni S. im Juli diesen Jahres als Neon­azi und V‑Mann
auf­flog. Von dessen Aktiv­itäten will der Oberst der Reserve nichts gemerkt
haben. Der Reservis­ten­ver­band achte strikt darauf, recht­sex­treme Tendenzen
zu unterbinden. Toni S. sei “der erste Fall”, bedauert Hildenbrand.
Auss­chließen wollen die Reservis­ten, deren Bun­desver­band jährlich
Mil­lio­nen­zuschüsse aus dem Vertei­di­gungsmin­is­teri­um erhält, Toni S. aber
erst, “wenn ein ordentlich­es Urteil gesprochen ist”. Bis dahin, sagt Oberst
Hilden­brand, “ruht die Mit­glied­schaft von Toni S.”
Recht­san­wältin Regi­na Götz, die Farid Guen­douls Ver­wandte heute vor dem
Bun­des­gericht­shof als Neben­klägerin ver­tritt, kri­tisiert, die
Ermit­tlungs­be­hör­den hät­ten im Prozess vor dem Cot­tbusser Landgericht vor
zwei Jahren die poli­tis­chen Hin­ter­gründe der Het­z­jagd aus­ge­blendet. “Wie
organ­isiert die rechte Szene in Guben war und ist, wurde nicht
the­ma­tisiert.” Götz hofft nun, dass der BGH einen neuen Prozess anordnen
wird. “Die Angeklagten haben bewusst gehan­delt, sie woll­ten Ausländer
verletzen.”

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