(ND, Andreas Fritsche) Zweimal besuchte Gunther von Hagens in den vergangenen Wochen Guben. Erst schaute er sich die Stadt an und überlegte, ob sich hier eine Werkstatt für die Plastination von Leichenteilen einrichten ließe, dann sprach er mit Bürgermeister Klaus-Dieter Hübner (FDP) über dieses Projekt.
Der Plan, über den auf beiden Seiten noch keine Entscheidung fiel, sorgte für Aufruhr. Deshalb einigte sich die Stadtverordnetenversammlung bei einer Sondersitzung darauf, dass es möglichst schon im Januar eine Einwohnerversammlung geben sollte, in der von Hagens sein Vorhaben vorstellt und Fragen beantwortet. Der Mediziner ist einverstanden. Schon in einem Offenen Brief an das Stadtparlament schrieb er: »Gern bin ich bereit, der interessierten Gubener Bevölkerung mein Vorhaben in einem ausführlich bebilderten Vortrag zu erläutern.« Die Einladung an Gunther von Hagens ist heraus, heißt es nun aus der Stadtverwaltung. Ein Termin stehe allerdings noch nicht fest. Gunther von Hagens wolle kommen, bestätigt man in seinem Heidelberger Institut für Plastination (IfP).
Ursprünglich plante Hagens eine Werkstatt für die Plastination im benachbarten Polen, wo ihm schon ein Lager für die beiden »Körperwelten«-Ausstellungen gehört, die derzeit in Philadelphia (USA) und Toronto (Kanada) zu sehen sind. Anschließend ziehen die Ausstellungen nach Denver bzw. St. Paul (beide USA) weiter, wo sie jeweils bis weit in das Jahr 2006 hinein bleiben.
Wer sich hierzulande über Gunther von Hagens und sein Werk informieren möchte, ist im Moment auf Literatur angewiesen – zum Beispiel auf den großformatigen Ausstellungskatalog, der auf knapp 300 Seiten vollgestopft ist mit populärwissenschaftlich dargebotenen Informationen über die menschliche Anatomie. Wenn von Hagens versichert, ihm liege auch an der Aufklärung von Laien, so muss ihm mindestens bescheinigt werden, dass dies anhand des Katalogs möglich ist. Kritiker unterstellen dem Plastinator immer wieder, es gehe ihm nur um Sensation und Profit.
Für Streit sorgt zudem die Frage, woher die Leichen stammen. Gunther von Hagens verweist auf Körperspender, die ihm ihre sterblichen Überreste hinterlassen. »Das Institut für Plastination nimmt auch Körperspenden entgegen, die dem Institut durch Angehörige anvertraut werden. Auch kann es herrenlose Leichen von Behörden wie dem Sozialamt erhalten«, erläuterte von Hagens in der 9. Auflage des Ausstellungskatalogs. Dagegen beschreiben die Journalisten Torsten Peuker und Christian Schulz einen Fall, der sich angeblich im russischen Nowosibirsk zutrug. Dort soll eine Leiche ohne Vermächtnis des Mannes und ohne Wissen der Tochter plastiniert worden sein. Der als Enthüllungsbuch geschriebene und 2004 im Berliner Ch. Links Verlag erschienene Band »Der über Leichen geht – Gunther von Hagens und seine ›Körperwelten‹« ist aufwändig recherchiert, weist allerdings einen entscheidenden Mangel auf. Die Kronzeugen gegen den Plastinator sind allesamt ehemalige Mitarbeiter, die sich im Streit von ihm trennten.
Der IfP-Version zu widersprechen, kann unter Umständen teuer werden. Das Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« sei von einem Gericht dazu verurteilt, 25 000 Euro zu zahlen, falls es die Behauptung wiederhole, »es seien chinesische Hinrichtungsopfer plastiniert worden«, informierte von Hagens die Gubener Stadtverordneten.
Bedenken der Kirche, geäußert unter anderen von dem evangelischen Bischof Wolfgang Huber, überraschen den Plastinator inzwischen nicht mehr. Die ablehnende Haltung der Kirchen gegenüber der Forschung führte bekanntlich im Mittelalter dazu, dass Ärzte Leichen von Friedhöfen stehlen mussten, um den menschlichen Körper zu erforschen. Gunther von Hagens verwies jedoch schon früher auf ein »bemerkenswertes Beispiel für die Anatomiefreundlichkeit der Kirche« – die Sektion der Leiche von Papst Alexander V. im Jahre 1410.