SPD fordert Konsequenzen aus V‑Mann-Skandal
(Berliner Morgenpost) Potsdam — Der Vorsitzende der Parlamentarischen Kontrollkommission im
Landtag, SPD-Politiker Christoph Schulze, will sein Amt niederlegen, sollte sich
heute herausstellen, dass das Kontrollgremium für den Verfassungsschutz nicht
von dessen Chef Heiner Wegesin über die erneute V‑Mann-Panne aus dem Jahr 2001
informiert worden ist. “Das ist keine Bagatelle, wir erwarten Aufklärung und
eine förmliche Entschuldigung des Verfassungsschutzchefs.”
Werner Siegwart Schippel, rechtspolitischer Sprecher der
SPD-Landtagsfraktion, droht Verfassungsschutzchef Heiner Wegesin und Brandenburgs
Inneminister
Jörg Schönbohm (CDU): “Wenn der Fall schon im Zuge der Ermittlungen gegen Toni
S. bekannt war, dann muss das Konsequenzen für den Verfassungsschutzchef,
aber auch den Innenminister haben.” Im Fall Toni S., in dem ein V‑Mann aus dem
Ruder gelaufen ist und sich an dem Vertrieb von Neonazi-Musik beteiligt
hatte, war es im vergangenen Jahr bereits immer wieder zu heftigen
Auseinandersetzungen zwischen der Kontrollkommission und dem Innenministerium gekommen.
Gegenstand war die Informationspflicht. Schönbohm sagte gestern, dass er
“personelle Konsequenzen” wegen der neuen Affäre nicht ausschließen wolle. Er sagte
aber auch, dass es sich bei der geplanten Durchsuchung von Wohnungen mehrerer
Neonazis aus Potsdam und Umgebung im Februar 2001, die von einem V‑Mann des
Brandenburger Verfassungsschutzes an einen bekannten Neonazi verraten worden
sein sollen, “um eine Polizeiaktion” gehandelt habe. Deshalb sei die PKK nicht
informiert worden.
Hätte Schönbohm informieren müssen?
Dieser Bewertung steht entgegen, dass es ein Telefongespräch zwischen einem
V‑Mann-Führer der Behörde und dem nun als “Verräter” eingestuften V‑Mann
gegeben hat, in dem der Geheimdienstler einen — nach inoffizieller Darstellung
des Ministeriums — “allgemein gehaltenen” Hinweis über die bevorstehende
Polizeiaktion weitergegeben haben soll. “Wenn das so war”, sagte PKK-Vorsitzender
Schulze gestern, “dann ist das eine Sache des Verfassungsschutzes und für die
PKK.”
In Kreisen des Ministeriums wurde gestern aber als eher unwahrscheinlich
eingestuft, dass der V‑Mann-Führer im Detail über die geplanten Durchsuchungen
informiert war, von denen sich die Beamten des Landeskriminalamtes damals neue
Hinweise auf die “Nationale Bewegung” erhofft hatten. Diese militante,
rechtsextreme Gruppe zeichnete am 8. Januar 2001 für den Brandanschlag auf die
Trauerhalle des Jüdischen Friedhofs in Potsdam verantwortlich. LKA und
Staatsschutzabteilung des Potsdamer Polizeipräsidiums ermittelten. Am 17. Februar 2001
sollte eine groß angelegte Durchsuchung von Wohnungen von 19 Neonazis in
Potsdam und Umgebung stattfinden. Sie wurde aber zehn Tage vorgezogen, nachdem
das LKA am 6. Februar das Telefonat zwischen V‑Mann und V‑Mann-Führer abgehört
hatte. Verwertbares Beweismaterial fanden die 200 Beamten nicht.
V‑Mann-Affäre mit vielen offenen Fragen
Verfassungsschutz-Chef immer stärker unter Druck
(Berliner Zeitung) POTSDAM. Die jüngste V‑Mann-Affäre spitzt sich zu: Der Leiter der
Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK), Christoph Schulze (SPD), hält einen
Rücktritt des Verfassungsschutz-Chefs Heiner Wegesin für durchaus möglich. “Wenn
Herr Wegesin es nicht schafft, das beschädigte Vertrauen wieder herzustellen,
dann hat er ein Problem”, sagte Schulze mit Blick auf die heute stattfindende
Sondersitzung der PKK. Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) und sein
Abteilungsleiter Wegesin müssen sich dabei wegen der neuerlichen
Verfassungsschutz-Panne
verantworten: Erst am Wochenende war bekannt geworden, dass ein
rechtsextremer V‑Mann des Verfassungsschutzes im Februar 2001 eine von der Potsdamer
Polizei geplante Razzia an einen Neonazi verraten haben soll. Das
Innenministerium verschwieg dies gegenüber der PKK, die eigentlich den
Verfassungsschutz des
Landes kontrollieren soll.
Jene Polizeiaktion sollte ein Schlag gegen die rechtsterroristische
“Nationale Bewegung” werden, die in Brandenburg unter anderem den Brandanschlag auf
die Trauerhalle des Jüdischen Friedhofs in Potsdam zu Jahresbeginn 2001 verübt
haben soll. Stattdessen fand man bei der dann erfolgten Polizeirazzia im
Neonazi-Milieu nur noch das szeneübliche Propagandamaterial und
Baseballschläger.
Mehr als zwei Jahre danach ermittelt die Potsdamer Staatsanwaltschaft nun
wegen Geheimnisverrats gegen unbekannt. “Nach derzeitigem Erkenntnisstand
können Angehörige des Innenressorts als Täter in Betracht kommen”, sagte ein
Justizsprecher am Montag. Das Ermittlungsverfahren sei auf Veranlassung der
Bundesanwaltschaft eingeleitet worden, die auch die Ermittlungen gegen die
Terrorgruppe “Nationale Bewegung” an sich gezogen hatte.
Schönbohm selbst will von den Vorwürfen gegen seinen Verfassungsschutz erst
vergangene Woche erfahren haben. Bislang hätte sich der Verdacht des
Geheimnisverrats allein gegen die Polizei gerichtet, sagte er. Zugleich räumte
Schönbohm am Montag Versäumnisse ein: “Wenn es sich nicht um eine reine
Polizeiangelegenheit gehandelt hat, hätte die PKK unterrichtet werden müssen.”
Rücktrittsforderungen gegen Wegesin wies er zunächst zurück: “Ich bin nicht gewillt,
Mitarbeiter vorzeitig in die Wüste zu schicken.” Schönbohm lässt den
Sachverhalt nun intern prüfen.
In der SPD wird auch auf Schönbohms politische Verantwortung verwiesen. “Ich
schließe gar nichts mehr aus”, sagte der innenpolitische Sprecher
Werner-Siegwart Schippel.
V‑Mann soll Razzia bei Neonazis verraten haben
(Frankfurter Rundschau) POTSDAM, 19. Mai (ap). Im Zusammenhang mit dem Verrat einer Polizeirazzia
gegen Rechtsextreme ermittelt die Potsdamer Staatsanwaltschaft wegen der
Verletzung von Dienstgeheimnissen gegen Angehörige des brandenburgischen
Innenministeriums. Noch richteten sich die Ermittlungen gegen Unbekannt, erklärte ein
Justizsprecher am Montag in Potsdam. Er bezog sich auf Berichte, wonach ein
rechtsextremer V‑Mann des Landesverfassungsschutzes im Februar 2001 einen
Gesinnungsgenossen vor einer geplanten Wohnungsdurchsuchung gewarnt habe.
Laut der Berliner Zeitung Tagesspiegel war dieses Telefonat zwar von der
Polizei abgehört und die Razzia daraufhin vorgezogen worden. Erhoffte Hinweise
zur rechtsextremen Terrorgruppe “Nationale Bewegung” seien dann jedoch nicht
gefunden worden.
Die “Nationale Bewegung” steht im Verdacht, Brandanschläge und andere
Delikte verübt zu haben. So soll sie im Januar 2001 ein Feuer in der Trauerhalle
des Potsdamer Jüdischen Friedhofes gelegt haben. Seither ermittelt die
Bundesanwaltschaft gegen die Gruppe.
Vorwürfe gegen Schönbohm
FDP-Chef Lanfermann: Informationspflicht in V‑Mann-Affäre verletzt
POTSDAM In der Affäre um einen V‑Mann des brandenburgischen
Verfassungsschutzes, der eine Polizeirazzia an einen Neonazi verriet, gerät auch
Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) in die Kritik. Mit dem Verschweigen der Panne
gegenüber dem Parlament habe Schönbohm seine Informationspflicht “erheblich
verletzt”, erklärte der märkische FDP-Vorsitzende Heinz Lanfermann gestern. Erst am
Wochenende, nach 27-monatiger Vertuschung, war der Verrat des V‑Manns durch
MAZ- Veröffentlichungen bekannt geworden.
Laut Lanfermann ist es “sehr schwer zu glauben, dass der Innenminister nicht
informiert wurde” über die Panne. “Ich kann mir schwer vorstellen, dass ein
Abteilungsleiter der letzte in der Hierarchiekette ist, der erfährt, dass bei
einer großen Razzia in einem sensiblen Feld wie den Ermittlungen gegen
Rechtsextremisten etwas schiefläuf
t.” Es sei davon auszugehen, dass der
Ministeriumsspitze alle relevanten Dinge gemeldet würden, betonte Lanfermann mit
Verweis auf eigene Berufserfahrungen. Von 1996 bis 1998 war er Staatssekretär im
Bundesjustizministerium.
Schönbohm bewertet die neue V‑Mann-Affäre als “politisch in höchstem Maße
ärgerlich”. Wie brisant der Minister den Vorgang einschätzt, zeigt sich darin,
dass sich Schönbohm gestern in Potsdam — einen Tag vor der Sondersitzung der
Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) — erstmals öffentlich vorsichtig
von Verfassungsschutzchef Heiner Wegesin distanzierte. Er sei nicht bekannt
dafür, “Mitarbeiter vorzeitig aus dem Amt zu jagen”, so Schönbohm. Nach der
PKK-Sitzung sei jedoch möglicherweise zu “überlegen, ob weitere Maßnahmen
notwendig sind”, eventuell “Umstrukturierungen” innerhalb des Hauses.
Ferner räumte Schönbohm ein, es sei ein “Fehler gewesen, die PKK nicht zu
informieren”, falls sich erweise, dass der Verfassungsschutz an der Panne
beteiligt war. Nach den Recherchen ist unzweifelhaft, dass ein V‑Mann-Führer des
Verfassungsschutzes seinen V‑Mann über eine Polizeirazzia informierte. Der
V‑Mann-Führer arbeitet nicht mehr für den Verfassungsschutz.
Mit der Affäre befasst sich in dieser Woche auch der Landtag. Die PDS
kündigte gestern eine Dringlichkeitsanfrage an. Dabei soll die Landesregierung zu
den Vorwürfen gegen den Verfassungsschutz Stellung nehmen.
Die Potsdamer Staatsanwaltschaft forciert unterdessen ihre Ermittlungen
“gegen unbekannte Bedienstete des Landes Brandenburg wegen Geheimnisverrats”. Da
“Angehörige des Innenressorts als ‚Täter in Betracht kommen können” und nur
mit Genehmigung des Ministeriums aussagen dürfen, wurde gestern eine
Aussageermächtigung beantragt.
Der stellvertretende Sprecher des Innenministeriums, Wolfgang Brandt, sagte
der MAZ, dass das Ministerium “in vollem Umfang kooperieren” werde. “Es wird
keine Aussagebeschränkungen geben, die in Richtung Vertuschung gehen
könnten.”
Hintegrund: Kontrollkommission
In Angelegenheiten des Verfassungsschutzes wird die brandenburgische
Landesregierung laut Verfassungsschutzgesetz durch die Parlamentarische
Kontrollkommission (PKK) kontrolliert. Das Gremium wird vom Landtag gebildet. Der PKK
gehören die Mitglieder des Innenausschusses Kerstin Kaiser-Nicht (PDS), Dierk
Homeyer (CDU), Klaus Bochow (SPD) sowie als Vorsitzender Christoph Schulze
(SPD) an. Die in der Regel nicht öffentlich tagende PKK kann von der Regierung
alle für ihre Kontrollaufgaben erforderlichen Auskünfte und Unterlagen
verlangen sowie bei besonderem Aufklärungsbedarf mit Zustimmung des Innenministers
Bedienstete zu Sachverhalten befragen.
Ermittlung gegen Geheimdienstler
(MOZ) Potsdam. Die Potsdamer Staatsanwaltschaft hat gegen Mitarbeiter des
Verfassungsschutzes Ermittlungen wegen Verletzung von Dienstgeheimnissen
aufgenommen. Anlass ist die jüngste V‑Mann-Affäre um eine Warnung vor einer Razzia
im rechtsextremistischen Milieu durch einen V‑Mann-Führer.
Innenminister Jörg Schönbom sprach von einem Vorfall, “der politisch in
höchstem Maße ärgerlich sei”. Mögliche personelle Konsequenzen seien nicht
auszuschließen, so der Minister am Montag. Am Dienstag muss der Chef des
Verfassungsschutzes Heiner Weggesin vor der Paralmentarischen Kontrollkommission des
Landtages Rede und Antwort stehen, warum der Vorfall aus dem Jahre 2001 bislang
verschwiegen wurde.
Homeyer sieht «gewisse Entspannung» in V‑Mann-Affäre
Potsdam (ddp-lbg). Der parlamentarische Geschäftsführer der
CDU-Landtagsfraktion, Dierk Homeyer, sieht eine «gewisse Entspannung» in der
V‑Mann-Affäre.
Die Sachverhalte ließen sich offenbar aufklären, sagte Homeyer am Dienstag in
Potsdam nach einer Sitzung seiner Fraktion. Innenminister Jörg Schönbohm
(CDU) habe die Abgeordneten so weit wie möglich über den Sachstand informiert.
Details unterlägen allerdings der Geheimhaltung, sagte Homeyer. Er habe aber
den Eindruck, dass «die Sache chronologisch sauber erklärt werden kann».
Mit den Vorgängen wollte sich am Nachmittag auch die Parlamentarische
Kontrollkommission (PKK) des Landtages befassen. Das Gremium ist für die Kontrolle
der Verfassungsschutzes zuständig und hatte eine Sondersitzung einberufen.
Dabei sollten Innenstaatssekretär Eike Lancelle und Verfassungsschutzchef
Heiner Wegesin Rede und Antwort stehen. Schönbohm wollte nicht an der Sitzung
teilnehmen.
Hintergrund sind Medienberichte, wonach ein rechtsextremer Spitzel des
Verfassungsschutzes im Februar 2001 eine geplante Razzia an einen Neonazi verraten
haben soll. Die Polizei habe bei der Durchsuchungsaktion dann nur Fahnen und
Baseballschläger, nicht aber die erhofften Hinweise auf die Terrorgruppe
«Nationale Bewegung» gefunden.
Neonazis informiert
Neuer Verfassungsschutzskandal in Brandenburg: Ein V‑Mann soll Neonazis vor Razzia gewarnt haben
(TAZ) BERLIN Kann Brandenburgs Verfassungsschutzchef Heiner Wegesin den
dritten V‑Mann-Skandal seiner Amtszeit aussitzen? Oder wird Innenminister Jörg
Schönbohm (CDU) seinen obersten Schlapphut opfern, um das Ausmaß behördlicher
Schlampereien und mangelnder Führung zu vertuschen? Diese Fragen beschäftigen
die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) des Potsdamer Landtags, die
heute zu einer Sondersitzung zusammenkommt.
Anlass: Am Wochenende hatten Recherchen des Tagesspiegel und der Märkischen
Allgemeinen Zeitung enthüllt, dass ein Spitzel des Brandenburger
Verfassungsschutzes im Februar 2001 eine Polizeirazzia an einen Neonazi verraten hatte.
Diese Affäre hat das Innenministerium gegenüber der PKK knapp zwei Jahre
verschwiegen. Besonders brisant: Die Polizei hatte gehofft, mit der groß
angelegten Razzia bei Rechtsextremisten in Potsdam und Umgebung Hinweise auf die
Neonaziterrorgruppe “Nationale Bewegung” zu finden. Die Gruppierung hatte sich
zwischen Januar 2000 und Januar 2001 zu insgesamt 16 Aktionen bekannt; dazu
gehörte etwa ein Brandanschlag auf die Trauerhalle des Jüdischen Friedhofs in
Potsdam, auch ein türkischer Dönerimbiss wurde angezündet. Darüber hinaus
versandte die “Nationale Bewegung” antisemitische und rassistische Drohbiefe und
startete Propagandaaktionen vor jüdischen und linken Einrichtungen in Potsdam.
Die Suche nach Gruppenmitgliedern liegt seit zwei Jahren in den Händen der
Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe und verlief bisher erfolglos.
Die Razzia im Februar 2001 sollte für Unsicherheit in der Neonaziszene
sorgen. Laut Tagesspiegel erfuhr das LKA durch Abhörmaßnahmen bei dem bekannten
Potsdamer Neonazi Sven S., dass dieser von einem V‑Mann des Verfassungsschutzes
vor der Razzia gewarnt worden war. Sven S. betreibt einen rechtsextremen
Musikhandel. Wegen des Lecks soll das Potsdamer Polizeipräsidium dann
entschieden haben, die Razzia vorzuverlegen. Sie erbrachte jedoch nicht die erhofften
Hinweise über die “Nationale Bewegung”. Gegen den V‑Mann-Führer, der seinen
Spitzel in der rechten Szene über die Razzia informiert hatte, läuft bei der
Staatsanwaltschaft Potsdam ein Ermittlungsverfahren wegen Geheimnisverrats.
Die PDS-Innenpolitikerin Kerstin Kaiser-Nicht, Mitglied der PKK, forderte
gestern eine “umfassende Aufklärung der Affäre”. Zudem müsse Innenminister
Schönbohm die PKK darüber informieren, ob der Verfassungsschutz inzwischen
Konsequenzen gezogen habe — aus dem Scheitern des NPD-Verbotsverfahrens vor dem
Bundesverfassungsgericht sowie aus der Verurteilung des Brandenburger V‑Manns
Toni S. im letzten Sommer. Gestern zumindest lehnte Innenminister Schönbohm
einen
Rücktritt von Verfassungsschutzchef Wegesin noch ab.
V‑Mann-Affäre: Platzeck verlangt rasche Aufklärung
Innenminister Jörg Schönbohm geht auf Distanz zum Chef des
Verfassungsschutzes
Potsdam. In der jüngsten V‑Mann-Affäre in Brandenburg drängt jetzt
Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) auf zügige Aufklärung. Platzeck habe
Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) gebeten, auf der Kabinettssitzung am Dienstag zu dem
Fall Stellung zu nehmen, sagte Vize-Regierungssprecher Manfred Füger.
Platzeck selbst hatte am Sonnabend nicht auf dem Amtsweg, sondern aus Zeitungen von
den Vorwürfen erfahren, wonach ein V‑Mann des Verfassungsschutzes im Februar
2001 eine Polizeirazzia im Neonazi-Milieu verraten haben soll.
Die Polizei erhoffte sich damals Hinweise auf die Terrorgruppe “Nationale
Bewegung”, die unter anderem für den Brandanschlag auf den Jüdischen Friedhof
in Potsdam verantwortlich sein soll. Füger: “Platzeck nimmt diesen Vorgang so
ernst, wie man ihn nehmen muss.” In Koalitionskreisen hieß es, es wäre ein
unglaublicher Vorgang, wenn der Innenminister zwei Jahre nicht über eine
Sicherheitspanne dieser Tragweite informiert worden wäre.
Schönbohm sagte dazu, bis vor wenigen Tagen sei lediglich ermittelt worden,
ob es Geheimnisverrat auf Seiten der Polizei gegeben habe. Dass es sich um
eine Indiskretion eines V‑Manns des Verfassungsschutzes gehandelt habe, sei
“jetzt eine neue Qualität”. Sollte sich dies bestätigen, hätte die
Parlamentarische Kontrollkommission des Landtages (PKK) informiert werden müssen,
räumte
Schönbohm ein. Heute wird das Gremium auf einer Sondersitzung unterrichtet.
Der Chef der Parlamentarischen Kontrollkommission, Christoph Schulze (SPD), hat
Konsequenzen für Verfassungsschutzchef Heiner Wegesin nicht ausgeschlossen.
Der CDU-Innenpolitiker Sven Petke, ein früherer Verfassungsschützer, meinte
jedoch, es gebe keinen Beweis, dass die Informationen zur Razzia von dem
V‑Mann gekommen sind. Im Übrigen sollten Schulze und die PKK mit Kritik warten,
bis Wegesin sie informiere.
Auch Schönbohm deutete jetzt erstmals personelle Konsequenzen im
Verfassungsschutz an, der bereits durch den Fall Toni S. in Misskredit geraten war.
Dieser V‑Mann war im November 2002 von einem Berliner Gericht verurteilt worden,
weil er an Produktion und Vertrieb einer rechtsextremen Musik-CD mit
Mordaufrufen gegen Prominente beteiligt war. Hingegen warnte die PDS-Politikerin
Kerstin Kaiser-Nicht, selbst Mitglied der PKK, davor, Wegesin zum Bauernopfer zu
machen. “Die politische Verantwortung liegt beim Minister, der den
Verfassungsschutz nicht im Griff hat.” Offenbar sei Schönbohm für dieses Amt
ungeeignet. Hätte der Verfassungsschutz im Jahr 2001 Konsequenzen aus der verratenen
Razzia gezogen, so Kaiser-Nicht, hätte der Fall Toni S. womöglich verhindert
werden können.
Platzeck drängt auf zügige Aufklärung in V‑Mann-Affäre
Minister Schönbohm schließt personelle Konsequenzen nicht mehr aus
(LR) Platzeck selbst hatte am Samstag nicht auf Amtswegen, “Nationale Bewegung”,
die unter anderem den Brandanschlag auf den Jüdischen Friedhof in Potsdam
begangen haben soll. Füger: “Platzeck nimmt diesen Vorgang so ernst, wie man ihn
nehmen muss.”
In Koalitionskreisen hieß es, es wäre ein unglaublicher Vorgang, wenn der
Innenminister zwei Jahre von seinem Ministerium nicht über eine
Sicherheitspanne dieser Tragweite informiert worden wäre. Schließlich habe diese sogar
Ermittlungen des Generalbundesanwalts behindert. Schönbohm selbst verwies gestern
darauf, dass bis vor wenigen Tagen lediglich ermittelt worden sei, ob es
Geheimnisverrat auf Seiten der Polizei gegeben habe. Dass es sich möglicherweise
um eine Indiskretion eines V‑Manns des Verfassungsschutzes gehandelt habe,
sei “jetzt eine neue Qualität”. Sollte sich dies bestätigen, hätte die
Parlamentarische Kontrollkommission des Landtages (PKK) informiert werden müssen,
räumte Schönbohm ein.
Heute soll das Gremium erstmals auf einer Sondersitzung unterrichtet werden.
Dass die PKK nicht informiert wurde, hatte PKK-Chef Christoph Schulze (SPD)
am Vortag scharf gerügt und Konsequenzen für Verfassungsschutzchef Heiner
Wegesin nicht ausgeschlossen. Es liege allein an Wegesin, ob er das schwer
erschütterte Vertrauen wieder herstellen könne, sagte er gestern der RUNDSCHAU.
Auch Schönbohm schloss jetzt erstmals personelle Konsequenzen im
Verfassungsschutz nicht aus, der bereits durch den Fall Toni S. in Misskredit
geraten war (siehe Hintergrund).
Hingegen warnte die PDS-Politikerin Kerstin Kaiser-Nicht – Mitglied der PKK
– davor, Wegesin zum Bauernopfer zu machen. “Die politische Verantwortung
liegt beim Minister, der den Verfassungsschutz nicht im Griff hat.” Offenbar sei
Schönbohm für dieses Amt ungeeignet, erklärte die PDS-Abgeordnete. Hätte der
Verfassungsschutz im Jahr 2001 Konsequenzen aus der verratenen Razzia
gezogen, so Kaiser-Nicht, hätte der Fall Toni S. womöglich verhindert werden
können. Hingegen erklärte der CDU-Innenpolitiker Sven Petke, ein früherer
Verfassungsschützer, es gebe bislang keinen Beweis, dass die Informationen tatsächlich
von dem V‑Mann gekommen seien. Im Übrigen seien Schulze und die PKK bislang
über die Details der Affäre von Wegesin noch nicht informiert worden.
Hintergrund: Der Fall Toni S.
Das Berliner Landgericht hatte im November des Vorjahres den enttarnten
V‑Mann Toni S. wegen Volksverhetzung zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe
verurteilt und dem Bran denburger Verfassungsschutz zugleich vorgeworfen, die
Aktivitäten des Rechtsextremen nicht gestoppt zu haben. Der V‑Mann war maßgeblich
an Produktion und Vertrieb einer rechtsextremen Musik-CD mit Mordaufrufen
gegen Prominente beteiligt gewesen. Die CD der Gruppe “White Aryan Rebels”, die
S. in einer Höhe von 3000 Stück vertrieben hatte, wurde von dem Gericht als
menschenverachtend eingestuft.