Kategorien
Arbeit & Soziales

Häuser besetzen immer wieder? Eine kleine Polemik zur Besetzung der „Villa Wildwuchs“

Grund­sät­zlich ist es eine tolle Sache, sich Dinge, die men­sch gerne hätte, ein­fach anzueignen, beson­ders wenn und weil sie unter gegebe­nen kap­i­tal­is­tis­chen Besitzver­hält­nis­sen nicht für eine_n gedacht sind. Eine Haus­be­set­zung kann ein Beispiel dafür sein, sich einen Raum schaf­fen um die eige­nen Bedürfnisse zu erfüllen und vielle­icht neue zu find­en, um sich am Ende gar zusam­men mit Anderen weit­er zu entwick­eln und sein_ihr Leben selb­st­bes­timmter zu gestal­ten. So wird eben in Pots­dam spätestens seit Schließung des Spar­ta­cus viel davon gesprochen, dass es ein bre­ites Bedürf­nis nach soge­nan­nten „Freiräu­men“ gibt. Wovon diese genau frei sein sollen und wie men­sch sie frei bekommt, darüber wird sel­ten gere­det. Und so sind auch alle Pots­damer „Freiräume“ bish­er immer noch recht voll von Dom­i­nanzen, diversen –Ismen und aller­lei gesellschaftlichem All­t­ags­gedöns. Das ist auch nicht weit­er über­raschend, wenn wir davon aus­ge­hen, dass wir immer ein Teil „der Gesellschaft“ bleiben und, genau­so wie der Rest um uns herum,  Geld ver­di­enen müssen, an die Zukun­ft denken und sozialen Zwän­gen unter­wor­fen sind. Was wäre also nahe­liegen­der als uns erst­mal mit uns, inner- und außer­halb von unseren „Freiräu­men“ auseinan­derzuset­zen. Das ist es, was uns fehlt, nicht ein neuer Raum für Altbewährtes. 

Im zuge der Pots­damer „Freiraum“-“Kampagne” wurde nun der ehe­ma­lige Jugend­klub „Vil­la Wild­wuchs“ beset­zt. Und auch hier heißt es im Text der Besetzer_innen:
Das Haus kann ein Ort der Ver­net­zung und des Aus­tausch wer­den und Raum bieten für Pro­jek­te, die an­derswo noch nicht ges­tartet wer­den kon­nten. Ein Ort fernab der gängi­gen Event- und Par­tykul­tur . Die große Res­o­nanz der let­zten Tage auf die Aktion bestätigt das Inter­esse und den Bedarf von vie­len unter­schiedlichen Men­schen für einen unab­hängi­gen, selb­stor­gan­isierten und unkommerzi­ellen Pro­jekt- und Begeg­nung­sort.
Wofür dieser genau genutzt wer­den soll, bleibt bish­er lei­der unklar. Die bish­eri­gen Ver­anstal­tun­gen dort wur­den alle eigentlich an anderen Orten geplant, was zeigt, dass es in Pots­dam schon Raum dafür gibt. Wir haben Räume für Lesun­gen, Par­tys, Sem­i­nare, Konzerte…Wir haben mehrere selb­stver­wal­tete Kneipen, eine Freie Bib­lio­thek, einen eige­nen Buch­laden, etc. Und alle diese vorhan­den Räume haben im Grunde das selbe Prob­lem: wenige Schul­tern für die viele Arbeit, die so ein Pro­jekt über län­gere Zeit verur­sacht, (zu) wenig Besucher_innen zum Büch­er lesen/kaufen oder Bier trinken, zu wenig Kohle, zu wenig Leute die Bock haben in den beste­hen­den Räu­men was zu reißen und ggf etwas Inno­va­tion here­inzubrin­gen. Warum wer­den eigentlich in unseren Szenekneipen so sel­ten Infover­anstal­tun­gen organ­isiert, warum keine Nach­mit­tagscafé darin eröffnet? Warum gibt es nicht auf dem Hof beste­hen­der Pro­jek­te schon eine DIY- Fahrrad­w­erk­statt? Und wo kom­men denn eigen­lich plöt­zlich so viele Leute mit so viel Enthu­si­as­mus, Energie und Bedürfnis­sen her, die vorher schein­bar nicht existierten? Nicht, dass die Nutzungsideen fürs „LaDatscha“(alte Vil­la Wild­wuchs) nicht nett wären, aber warum man­gelt es eben außer­halb des tollen neuen und dadurch wohl ger­ade so span­nen­den Pro­jek­tes an Moti­va­tion dafür? Scheint nicht der Enthu­si­as­mus vor­rangig daher zu rühren, dass das Ganze eben „neu“ ist und so schön im Old­school-90er-Jahre-Beset­zer-Style? Allerd­ings waren die 90er in Pots­dam cool, weil es die let­zte größere soziale Bewe­gung war, in der ein Haufen Men­schen ihr Leben auf den Kopf gestellt haben, ihr bish­eriges riskiert und wirk­lich Neues aus­pro­biert haben. Fragt sich nun wie radikal eine Haus­be­set­zung ist, wenn men­sch sich vorn­immt bei Bul­len­stress zu gehen, jede_r Besetzer_in zuhause seine_ihre Kuschel-WG oder 1‑Z­im­mer-Woh­nung hat und auch son­st die Ideen zum Füllen des neuen Raumes erst hin­ter­her gefun­den wer­den müssen. Damit soll nicht gesagt sein, dass die Bere­itschaft zum wilden Straßenkampf ein Qual­itätsmerk­mal für eine poli­tis­che Aktio­nen sei. Auch nicht, dass es nicht für einge Leute total span­nend und erken­nt­nis­er­weit­ernd sein kann, so eine Beset­zung mitzu­machen. Grund­sät­zlich etwas in Frage stellen, wie unsere Lebens­gestal­tung, all­ge­meine Eigen­tumsver­hält­nisse oder unsere Sicht auf uns und die Welt, wird diese Beset­zung aber nicht.

Gut, so eine Beset­zung kann eine Zeichen sein, ein Druck­mit­tel um eine eigentliche Forderung, in diesem Fall vielle­icht die, nach einem Raum für den Spar­ta­cus. Dafür allerd­ings liegt das gewählte Pro­jekt etwas sehr unschein­bar im Nir­gend­wo und ist auch son­st von so geringem Inter­esse, dass es der Stadt leicht fall­en dürfte, sich zu sagen „Lassen wir die Kinder erst­mal ein biss­chen im Wald spie­len, bald müssen die eh wieder zur Uni.“ An sich scheint es, zumin­d­est für uns, etwas selt­sam, ein Haus, was nicht wirk­lich gebraucht wird,  eher aus tak­tis­chen Grün­den zu beset­zen und beim ersten rev­o­lu­tionär gekocht­en Kaf­fee das Gespräch mit dem Ober­bürg­er­meis­ter zu pla­nen. Generell scheinen sich in Pots­dam, und wahrschein­lich auch ander­swo, „alter­na­tive“ Pro­jek­te vor allem dadurch auszuze­ich­nen, dass sie irgend­wie auch in den Sozialar­beit­er_in­nen-Lebenslauf der Mitwirk­enden passen, ein großes Maß an Kohle und Resourcen ver­schlin­gen (bei der EU beantragt natür­lich) und der son­st so ver­has­sten bürg­er­lichen Öffentlichkeit erst­mal als tolle demokratis­che Jugen­dar­beit verkauft wer­den können.

Im Anbe­tra­cht der Düm­pellei der let­zten Jahre, ist es auf der anderen Seite schon erst­mal ermuti­gend, dass sich Leute über­haupt wieder etwas trauen. Und ist es sich­er auch nicht schlecht, sich szene-über­greifend mal wieder zu tre­f­fen und ein gemein­sames Ziel zu ver­fol­gen. Deswe­gen freuen wir uns natür­lich, dass so viele Leute sich begeis­tert und sol­i­darisch gegenüber dem „LaDatscha“ zeigen. Es wäre aber auch längst wieder Zeit, uns zu über­legen, ob wir eigentlich nur ver­lernt haben Klar­text zu reden oder wirk­lich nur noch das wollen, was wir dem Ober­bürg­er­meis­ter und den Geldgeber_innen gegenüber behaupten. Also was wollen wir? Ne tolle Par­ty, mehr Geld für Sozialar­beit und mehr Spielplätze für die Kinder? Oder doch lieber ein besseres Leben für alle und den Lebenslauf samt Mietver­trag ins Klo spülen?

Unter uns“ Folge 1, oder war es doch „Gute Zeit­en, Schlechte Zeiten“?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Inforiot