(MOZ, 15.2.) Potsdam (dpa) Im Potsdamer Neonazi-Prozess hat die Generalstaatsanwaltschaft
für drei der zwölf Angeklagten mehrjährige Haftstrafen gefordert. Der
mutmaßliche Rädelsführer soll für viereinhalb Jahre ins Gefängnis. Für die
übrigen neun Jugendlichen wurden am Montag in dem Plädoyer vor dem
Oberlandesgericht Bewährungsstrafen verlangt. Laut Anklage gründeten die
jungen Männer aus Ausländerhass eine terroristische Vereinigung und verübten
zehn Anschläge auf Imbisse und Geschäfte von Ausländern im Havelland.
Verletzt wurde niemand, der Sachschaden betrug jedoch mehr als 800 000 Euro.
In seinem rund dreistündigen Plädoyer sagte Oberstaatsanwalt Eugen Larres,
die Gruppe wollte Ausländer vertreiben. Dazu sei im Sommer 2003 die
ausländerfeindliche Kameradschaft “Freikorps” gegründet worden. Die
Jugendlichen waren zur Tatzeit zwischen 14 und 18 Jahre alt. Alle sollen
nach dem Willen der Staatsanwaltschaft nach Jugendstrafrecht behandelt
werden.
Erstmals klagt Brandenburgs Generalstaatsanwaltschaft eine Gruppe Neonazis
als terroristische Vereinigung an. Die Entscheidung habe auch bundesweite
Bedeutung, da es die erste seit der Neufassung des Paragraphen 129 a)
Strafgesetzbuch im Dezember 2003 sei, sagte Larres in seinem Plädoyer.
Natürlich seien die Angeklagten nicht mit internationalen Terroristen zu
vergleichen, räumte Larres ein. “Das “Freikorps” ist nicht El Kaida.”
Dennoch sei der Tatbestand erfüllt. Die Kameradschaft sei keine Idee, “die
aus dem Suff heraus” entstand, sondern eine vorbereitete Aktion gewesen. Es
seien sogar der Anführer, ein Schriftführer und ein Kassierer bestimmt
worden. Das Gründungsprotokoll sei von elf der Angeklagten mit Initialen
unterzeichnet worden. Der Beitrag betrug monatlich fünf Euro.
Die Angeklagten, die während der Verhandlung so gar nicht dem Bild
rechtsextremer Gewalttäter entsprachen, hatten die Vorwürfe weitgehend
gestanden, den Vorwurf der Bildung einer terroristischen Vereinigung aber
bestritten. Dies werde er auch in seinem Plädoyer am kommenden Montag tun,
sagte der Verteidiger des Hauptangeklagten, Michael Tschirschke.
Drahtzieher war nach Ansicht der Anklage ein heute 20-jähriger Abiturient
aus Hennigsdorf (Oberhavel). Der junge Mann, der von Bekannten wegen seiner
Chemie-Kenntnisse “Bombi” genannt wurde, habe ein geschlossenes
nationalsozialistisches Weltbild, sagte Larres. In der Schülerzeitung zum
Abitur wurde er mit den Worten beschrieben: “Er hat Ähnlichkeit mit einem
österreichischen Diktator.” Seine Mutter habe von einigen der Anschläge
gewusst und lediglich gesagt: “Lasst euch nicht erwischen.”
Ein 17-Jähriger, der erst nach der Gründung zu dem Freikorps gestoßen sei,
habe ebenfalls “eine geradezu Schwindel erregende kriminelle Dynamik”
entwickelt, sagte Larres. Er habe mit dem Hauptangeklagten zusammen auch
einen Brandanschlag auf ein Asia-Restaurant in Falkensee verübt. In dem
Gebäude hätten sich auch Wohnungen befunden. Für ihn beantragte Larres
zweieinhalb Jahre Haft.
Für einen 19-Jährigen verlangte Larres eine Strafe von zwei Jahren und vier
Monaten. Dieser habe mit dem Rädelsführer Ende August 2003 einen Imbisswagen
angesteckt, der vor einem Baumarkt in Nauen stand. Die Flammen griffen auf
das Gebäude über. Hier entstand allein ein Sachschaden von 730 000 Euro. Für
die anderen Angeklagten verlangte Larres Bewährungsstrafen zwischen sechs
Monaten und zwei Jahren plus gemeinnützige Arbeit.