Kritik an gewaltbereiten linken Autonomen / 2500 friedliche Demonstranten
gegen Neonazi-Demo
(PNN, 2.11.) Potsdam — Bei Ausschreitungen am Rande einer großen Demonstration gegen
einen Aufmarsch von Rechtsextremen am Samstag in Potsdam hat die Polizei 17
Randalierer festgenommen. Davon waren nach Polizeiangaben am Sonntag bis zum
Nachmittag neun wieder auf freiem Fuß. Gegen acht Randalierer ergingen
Haftbefehle, die aber gegen Meldeauflagen nicht vollstreckt wurden.Bei den
Krawallen wurden 14 Polizisten verletzt. Die Polizei war mit einem
Großaufgebot von 1200 Beamten aus mehreren Bundesländern im Einsatz.
Etwa 1000 gewaltbereite Protestierer hatten auf der Langen Brücke die
Marschroute der 350 Neonazis blockiert und die Polizei angegriffen. Diese
setzte Wasserwerfer ein. Daraufhin errichteten Gewaltbereite aus der
linksgerichteten und autonomen Szene eine Barrikade und steckten
Müllcontainer in Brand. Die Autonomen, die teils vermummt waren, bewarfen
Polizisten und Einsatzwagen mit Steinen und Flaschen und randalierten später
auch in der Innenstadt, wo sie Scheiben in zwei Kreditinstituten und in
einem Geschäft einschlugen.
An der Gegendemonstration eines Aktionsbündnisses beteiligten sich nach
Angaben der Stadt rund 2500 Menschen. Darunter waren Ministerpräsident
Matthias Platzeck (SPD), Minister der Landesregierung, Potsdams
Oberbürgermeister Jann Jakobs und andere Vertreter der Stadt sowie von
Gewerkschaften, Initiativen, Parteien, Kirchen und Vereinen.
Jakobs sagte gestern den PNN, das breite Bündnis friedlicher
Gegendemonstranten habe “nachdrücklich unter Beweis gestellt, dass für
Rechtsextremisten in unserer Stadt kein Platz ist”. Zugleich übte der
Oberbürgermeister scharfe Kritik an den gewaltbereiten Autonomen. Deren
Vorgehen “kann in keiner Weise toleriert werden”, sagte Jakobs. Erst die
Autonomen hätten dafür gesorgt, “dass es die Rechtsextremisten bis in die
Nachrichten der ARD-Tagesschau schafften”. Jakobs verurteilte die
Ausschreitungen: “Das hat unserem Anliegen einen schlechten Dienst
erwiesen.” Der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Sven
Petke, erklärte: “Nur der Besonnenheit unserer Polizei ist es zu verdanken,
dass die Situation nicht weiter außer Kontrolle geriet.” Die
Gewaltbereitschaft der “linksextremistischen Straßenschläger” habe ihn tief
erschüttert.
Das Motto des Aktionsbündnisses lautete “Potsdam bekennt Farbe! Gemeinsam
für Toleranz, Gewaltfreiheit und ein friedliches Miteinander”. Der Marsch
endete verkürzt mit einer Kundgebung vor dem Stadthaus. Außerdem gab es
weitere Kundgebungen und Aktionen gegen die Neonazis. Der von dem Hamburger
Rechtsextremisten Christian Worch angemeldete Aufzug musste wegen der
Blockade auf der Langen Brücke auf eine Alternativstrecke durch
Potsdam-Babelsberg ausweichen. Der Aufmarsch der Neonazis verlief unter
strengen Auflagen und ohne Ausschreitungen.
Von Gewaltausmaß überrascht
Sicherheitsbehörden werten Randale aus
(MAZ, 2.11.) POTSDAM Das Ausmaß der Gewalt bei den Demonstrationen am Wochenende in
Potsdam war für die brandenburgischen Sicherheitsbehörden im Vorfeld
offenbar nicht abschätzbar gewesen. Nach Erkenntnissen sämtlicher
Aufklärungsdienste von Polizei, Landeskriminalamt und Verfassungsschutz
seien nicht mehr als 300 rechtsextreme Demonstranten zu erwarten gewesen,
betonte Polizei-Einsatzleiter Arne Feuring gestern. Das Eintreffen von etwa
600 Neonazis in Potsdam habe die Experten verblüfft.
Völlig unzutreffend war offenkundig auch die Prognose zum linksextremen
Krawallpotenzial. Dass ein harter Kern von 750 gewaltbereiten Randalierern -
zu einem Großteil aus Berlin — Potsdam unsicher machte, gilt als größte
Überraschung. Brandenburger wie Berliner Sicherheitsbehörden waren noch in
der vergangenen Woche davon ausgegangen, dass der linken Hauptstadtszene
Potsdam als Versammlungsort zu provinziell erscheine.
Doch nach den Randalen am Wochenende muss die Sicherheitslage im gemeinsamen
kriminalgeographischen Raum Berlin-Brandenburg voraussichtlich neu definiert
werden. “Es ist nicht mehr auszuschließen, dass es auch künftig ein großes
Störerpotenzial geben wird”, sagte Feuring und deutete damit vorsichtig eine
gesteigerte Gewaltdimension an.
Mit Kritik am Einsatzkonzept der Polizei halten sich die Brandenburger
Politiker über alle Parteigrenzen hinweg zurück. “Ich glaube nicht, dass
etwas falsch gelaufen ist”, erklärte der innenpolitische Sprecher der
CDU-Landtagsfraktion, Sven Petke, der die Polizei am Samstag begleitet
hatte. Das Konzept, die Züge der Neonazis und der Gegendemonstranten
gegeneinander abzuschirmen, sei gut gewesen. “Die Polizei”, so Petke, “hatte
auch genügend Kräfte vor Ort.” Im Einsatz waren 1200 Beamte aus Brandenburg
und anderen Bundesländern.
Die innenpolitischen Sprecher von SPD und PDS, Britta Stark und Hans-Jürgen
Scharfenberg, nahmen die Polizei ebenfalls in Schutz. “Ich sehe jetzt keine
Veranlassung, Vorurteile zu äußern”, erklärte Scharfenberg. Er wolle
zunächst den Bericht der Landesregierung in der nächsten Sitzung des
Innenausschusses abwarten. Danach könnten gegebenenfalls Schlussfolgerungen
gezogen werden. Ähnlich äußerte sich SPD-Politikerin Stark zu Petkes
Forderung, die Vorgänge im Innenausschuss zu problematisieren.
Bei der Verfolgung der Straftäter arbeiteten Polizei und Staatsanwaltschaft
gestern weiter auf Hochtouren. Zusätzlich zu den acht beantragten und vom
Haftrichter bereits erlassenen Haftbefehlen werde die Polizei mehr als 30
weitere Strafanzeigen stellen, erklärte Polizeidirektor Feuring. Außerdem
würden die während der Demonstration aufgenommenen Polizeivideos
ausgewertet. Anschließend werde vermutlich die Öffentlichkeitsfahndung nach
den Störern beginnen.
Der durch einen Steinwurf am Kopf verletzte Polizist konnte das Krankenhaus
nach zweitägigem Aufenthalt inzwischen verlassen.
“Gefahr von Links nicht herunterspielen”
In Brandenburg gibt es etwa 400 gewaltbereite und 50 bis 60 militante
Linksextremisten
(PNN, 2.11., Peter Tiede) Potsdam — Nach den Krawallen von Links-Autonomen am Samstag
in Potsdam haben Sicherheitsexperten erneut vor einer Verharmlosung des
Linksextremismusses gewarnt. “Wir haben immer gesagt, dass der
Rechtsextremismus zwar das größere Problem im Land ist, aber die Gefahr von
Links nicht heruntergespielt werden darf”, sagte Heiko Homburg, Sprecher des
Brandenburger Innenministeriums den PNN. Nach Erkenntnisses des
Verfassungsschutzes gibt es in Brandenburg bis zu 400 gewaltbereite “Linke”.
Diese seien im Wesentlichen bereit, Gewalt gegen Rechte einzusetzen. Dem
harten, militanten Kern, der sich neben andrem auch noch gegen den
Kapitalismus und die Globalisierung wendet, werden im Land etwa 50 bis 60
Linksextremisten zugerechnet. Neben Potsdam gebe es Schwerpunkte in
Eberswalde und Rathenow, so ein Verfassungsschützer. Ähnlich wie bei den
Rechten sind auch zahlreiche linke Gruppierungen untereinander verstritten.
Hinzu kommt, dass sich etwa die Potsdamer und die Berliner Autonomen noch
immer “nicht ganz grün sind”, wie es hieß. “Die Linken” seien sich oft nur
einig darin, dass es gegen Rechts gehe, so ein Sicherheitsexperte. Doch
trotz der Streitereien, bestünden feste Verbindungen und Strukturen zwischen
dem militanten Kern Potsdams und der Berliner Szene. So stammten nach
Erkenntnissen der Sicherheitskräfte viele gewaltbereite Protestierer vom
Wochenende aus Berlin. “Aber bei weitem nicht alle. Und die Brandenburger
fahren
ja auch zu den Demos nach Berlin und machen dort mit”, hieß es in
Sicherheitskreisen. “Man hilft sich gegenseitig.” Bei den Krawallen waren am
Samstag in Potsdam zunächst 17 Randalierer festgenommen und 14 Polizisten
verletzt worden. Während in der Innenstadt eine friedliche Demonstration
gegen den Aufmarsch von Rechtsextremisten stattgefunden hatte, hatten sich
auf der Langen Brücke etwa 1000 gewaltbereite Linke und Links-Autonome
versammelt und sich eine Straßenschlacht mit der Polizei geliefert. Die
beiden Potsdamer Landtagsabgeordneten Hans-Jürgen Scharfenberg (PDS) und
Sven Petke (CDU) haben gestern die Aufklärung der Randale gefordert und
angekündigt, dass sich der Innenausschuss des Landtages mit dem Thema
befassen werde.
Brennende Barrikaden
Randale bei Neonazi-Aufmarsch in Potsdam / Proteste bei NPD-Parteitag
(MAZ, 1.11.) POTSDAM/LEINEFELDE Am Rande eines Aufmarsches von rund 350 Neonazis ist es am Samstag in
Potsdam zu schweren Ausschreitungen gekommen. Aus einer Gruppe von rund 1000
Gegendemonstranten heraus lieferten sich einige hundert Gewaltbereite eine
Straßenschlacht mit der Polizei. Die Sicherheitskräfte mussten Wasserwerfer
einsetzen. Die teils vermummten Randalierer hatten auf der Langen Brücke die
Beamten mit Flaschen und Steinen angegriffen, Barrikaden errichtet und
später in der Breiten Straße Mülltonnen in Brand gesetzt.
Nach Angaben der Polizei wurden 18 Beamte verletzt. 17 Personen wurden
festgenommen, acht von ihnen dem Haftrichter vorgeführt und danach wieder
auf freien Fuß gesetzt. Insgesamt protestierten mehr als 3000 Menschen gegen
die Rechtsextremisten.
Die Rechtsextremen hatten sich unter der Führung des Hamburger Neonazis
Christian Worch am Samstag Mittag vor dem Potsdamer Hauptbahnhof versammelt.
Von dort wollten sie eigentlich durch die Innenstadt marschieren, was wegen
der Blockade auf der Langen Brücke aber nicht möglich war. Nach
Verhandlungen mit der Polizei wurde die Route geändert. So konnten die
Rechtsextremen unbehelligt durch Potsdam-Babelsberg ziehen.
Zuvor hatten friedliche Gegendemonstranten die Rechtsextremen mit
satirischen Protestaktionen konfrontiert. Unter anderem hielten sie Plakate
in Frakturschrift mit Aufschriften wie “Dummheit ist unsere Heimat” hoch.
Auf dem Platz der Einheit nahmen später mehr als 2000 Personen an einer
Kundgebung der Stadt gegen Rechtsextremismus teil, darunter
Ministerpräsident Matthias Platzeck, Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs
(beide SPD) und PDS-Chef Lothar Bisky. Zu den Gegendemonstrationen hatte das
Aktionsbündnis “Potsdam bekennt Farbe” mit Unterstützung von Parteien,
Gewerkschaften, Kirchen, Studenten, Vereinen und Bürgerinitiativen
aufgerufen.
Die brandenburgische Polizei war mit rund 1200 Beamten im Einsatz.
Unterstützung leisteten Polizisten aus Berlin, Sachsen und Sachsen-Anhalt.
Im thüringischen Leinefelde kam es am Samstag während des Bundesparteitages
der NPD ebenfalls zu mehreren Protestkundgebungen und einer zweitägigen
Mahnwache. Die Stadt war zuvor gerichtlich gezwungen worden, ihre Sporthalle
der rechtsextremistischen Partei zur Verfügung zu stellen.
“Deutsche, kauft deutsche Bananen”
Neben brennenden Barrikaden gab es auch friedlichen und phantasievollen
Protest gegen den Neonazi-Aufmarsch
(MAZ, 1.11.) POTSDAM Das hatte sich das Aktionsbündnis “Potsdam bekennt Farbe” — initiiert von
mehr als 80 Initiativen, Parteien, Gewerkschaften, Einzelpersonen sowie der
Stadt — anders gedacht. Einen bunten, phantasiereichen und vor allem
friedlichen Protest hatte man dem Aufmarsch von rund 350 Rechtsradikalen in
Potsdam entgegensetzen wollen. Der friedliche Protest wurde zwar zum Teil
von den Randalen überlagert, aber der “bunte Protest” fand dennoch statt.
So nahm ein großes Plakat die Neonazis am Samstag mit den Worten “Faschismus
ist keine Weltanschauung, sondern ein Verbrechen” bereits am Bahnhof in
Empfang. Dort stand auch eine Gruppe junger Leute, die mit Springerstiefeln
auf dem Kopf und Plakaten mit absurden Botschaften wie “Ich bin stolz, ein
Stolzer zu sein” oder “Deutsche, kauft deutsche Bananen” die Rechten und
ihre Parolen karikierten. Zur gleichen Zeit versammelten sich mehr als 2000
Bürger zu einer Kundgebung in der Innenstadt. Vertreter aller demokratischen
Parteien und von Gewerkschaften sowie die komplette Rathausspitze waren
ebenso gekommen wie Ministerpräsident Matthias Platzeck und Bildungsminister
Holger Rupprecht (beide SPD) sowie viele Potsdamer. Dass der Aufruf ein so
breites Echo findet, zeige, dass es eine politische Kultur in Potsdam gibt,
die signalisiert: Wir wollen die Rechten nicht in unserer Stadt haben, sagte
Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD). “Potsdam wurde von Anfang an durch
Toleranz geprägt, der Einfluss vieler fremder Kulturen hat die Stadt zu dem
gemacht, was sie heute ist.”
Immer wieder wurden Jakobs und die folgenden Redner durch Polizeisirenen
übertönt. An der 100 Meter entfernten Langen Brücke war die Situation aus
dem Ruder gelaufen. Seit 11.30 Uhr hielten mehr als 1000 meist jugendliche
Demonstranten die Brücke besetzt. Als die Polizei eine Stunde später die von
Autonomen errichteten Barrikaden aus Bauzäunen beseitigte, eskalierte die
Situation. Einige hundert Vermummte schleuderten Steine und Nebelgranaten
auf die Beamten. Die Polizei setzte Wasserwerfer ein. Als kurz darauf eine
zweite Hundertschaft die Kreuzung am Alten Markt stürmte, zogen sich die
Randalierer in die Breite Straße zurück und verwandelten sie in ein
Schlachtfeld. Blumenkübel und Baugerüste wurden auf die Straße gezerrt, in
Höhe der Schloßstraße brannten mehrere Müllcontainer. Die Bilanz des
Krawalltages: 18 verletzte Polizisten, 17 festgenommene Autonome, mehrere
eingeschlagene Schaufensterscheiben.
Die Rechten zogen derweil nahezu ungestört auf einer Alternativroute durch
Babelsberg. Und die Schlagzeilen beherrschte nicht der friedlich-kreative
Bürgerprotest, sondern die Gewalt der Krawalltouristen.
Im Teufelskreis der Gewalt
Randale-Touristen machen aus friedlichem Bürgerprotest ein Chaos
(MAZ, 1.11.) INNENSTADT / BABELSBERG Der Samstag beginnt zunächst, wie es das
Aktionsbündnis aus 80 Initiativen, Parteien und Gewerkschaften erhofft
hatte: friedlich. Ein Treffen linker Gruppen um 11 Uhr am Glockenspiel ist
ohne Krawall zu Ende gegangen. Als man sich um 12.30 Uhr unter dem Motto
“Potsdam bekennt Farbe” auf dem Platz der Einheit versammelt, ist die Menge
überschaubar. “Das sind zu wenig, einfach zu wenig”, sagt ein Metaller. Doch
es kommen immer mehr. 2000 sind es schließlich, als Oberbürgermeister Jann
Jakobs spricht.
Mit Plakaten wie “Ich bin stolz, ein Stolzer zu sein” und “Kauft deutsche
Bananen” versuchen derweil Demonstranten am Bahnhof, die Rechten lächerlich
zu machen. “Für mich ist das der einzige Weg, aus dem Teufelskreis Demo -
Gegendemo herauszukommen”, sagt Lutz Boede von der Antiwehrpflicht-Kampagne.
Auch Bildungsminister Holger Rupprecht und die grüne EU-Abgeordnete
Elisabeth Schröder ergreifen das Wort; PDS-Chef Lothar Bisky ist vom
Bundesparteitag in der Caligaryhalle herübergekommen. “Ein Teil von uns
Jakobs erinnert daran, dass in der Stadt 4000 Wissenschaftler aus aller Welt
leben und arbeiten. Die Toleranz, die Potsdam von je her geprägt hat, sei
eine
hat sich an der Langen Brücke postiert, so dass der Marsch der Rechten nicht
wie geplant stattfinden kann”, sagt Jakobs. Tatsächlich versperren 1000
linke Demonstranten und Autonome den Neonazis den Weg vom Bahnhof in die
Innenstadt. Ihnen gegenüber steht eine Hundertschaft Cottbuser Polizei in
Kampfmontur.
Viele auf der Brücke wollen die friedliche Blockade. Doch einige
Autonome
beginnen, Barrikaden aus Absperrgittern zu errichten, die sie vor der
Theaterblechbüchse aus der Verankerung reißen. Applaus aus der Menge. Nicht
von allen. Demonstranten, die den Barrikadenbau verhindern wollen, bekommen
Prügel angedroht. Immer mehr Autonome ziehen den Kragen ihrer Pullover ins
Gesicht, setzen Kapuzen auf und sammeln Steine aus dem Gleisschotter der
Straßenbahn. Die Polizei bringt zwei Wasserwerfer in Stellung.
Plötzlich ist es ganz still. Als die Beamten in die Menge stürmen, um die
Absperrgitter auf ihre Seite zu ziehen, hagelt es Steine und Flaschen. Eine
friedliche Demonstrantin wird am Rücken getroffen; geschützt durch einen
Mannschaftswagen verbindet ein Polizist seine Beinwunde. Zwei
Nebelgranaten — von den Vermummten geworfen — detonieren neben der
Polizeikette und tauchen die Brücke in gespenstisches Licht. Erst als eine
zweite Hundertschaft aus Richtung Friedrich-Ebert- Straße die Kreuzung
stürmt, ziehen sich die Randalierer in die Breite Straße zurück. Dabei Für
einige Touristen, die offenbar nicht erkennen, was sich hier anbahnt, wird
die Situation prekär — der Weg ins Hotel ist ihnen durch eine geschlossene
Eingangstür verwehrt. Kommentar eines älteren Herrn zu seiner Gattin:
“Mensch Mutti — und wir mittendrin!”
errichten sie Barrikaden aus allem, was ihnen in die Hände fällt: Bäume in
Kübeln und Sitzbänke aus dem Lustgarten, Betonpapierkörbe, Müllcontainer…
Als die ersten Barrikaden brennen, rückt die Feuerwehr aus.
sogleich zu löschen begann. Ebenso waren Blumenkübel und Bäume aus dem
Lustgarten als Hindernisse benutzt worden. Doch auch nach der Vertreibung
der gewalttätigen Demonstranten die Breite Straße hinunter in Richtung
IHK-Gebäude und durch die Schopenhauerstraße blockierten Menschen die Lange
Brücke friedlich, unter ihnen eine Gruppe von solid-Aktivisten mit einem
Transparent: “Faschismus fügt ihnen und den Menschen ihrer Umgebung
erheblichen Schaden zu.” Während diese Gruppe nach Ansicht und Aussage eines
Sprechers der Polizei eine nicht angemeldete Demonstration durchführte und
deshalb nach einer Aufforderung durch die Beamten mit der Räumung rechnen
musste, Die Randalierer stürmen unterdessen weiter, tauchen in der
Charlottenstraße auf. Katz-und-Maus-Spiele mit der Polizei. An der
Friedrich- Ebert-Straße treffen sie auf den Demonstrationszug des
Aktionsbündnisses. “Schließt Euch doch an”, rufen eine ältere Frau und
mehrere andere den schwarz Gekleideten zu. Einige tun es.
protestierte die Arbeitsgruppe “Kreative Aktionen” vor dem Bahnhofsgebäude
in Sichtweite der Rechtsradikalen Kurz vor 14 Uhr sperrt die Polizei die
andere Seite der Langen Brücke. , die größtenteils aus Berlin stammten. Ein
Mann weist die Beamten darauf hin, dass auch Kinder eingekesselt sind. Ein
würden, in Äußerungen wie “Daran sind Ihre linken Chaotenfreunde Schuld -
die dürfen Sie halt nicht wieder wählen!” und “Die Steine, die auf mich und
meine Kollegen flogen, sind halbe Tötungsdelikte”. Tatsächlich entschieden
die Beamten offenbar nach dem Aussehen. So durfte eine ungefähr 13 Jahre
altes Mädchen darf die Kette erst passieren, nachdem sie verzweifelt
angefangen hat zu weinen. Um 14.26 Uhr eine Lautsprecheransage der Polizei:
, derzufolge Die Eingeschlossenen dürfen nach Feststellung der Personalien
abziehen.
Die Aufnahme der Namen und Adressen wurde jedoch nach wenigen Minuten quasi
ergebnislos abgebrochen. Die Lange Brücke war auch danach noch nicht
uneingeschränkt befahrbar, doch das Gros der Demonstranten löste sich auf.
Seit dem späten Vormittag hatten sich rund 350 Neonazis auf dem Parkplatz
zwischen Bahnhof und Nuthe versammelt. Weil ihnen der Weg in die Innenstadt
versperrt ist, ziehen sie unter starkem Polizeischutz schließlich über die
Friedrich-List-Straße, durch Alt Nowawes und Garnstraße ins Zentrum
Babelsbergs. Die Polizei sperrt daraufhin auch die Humboldtbrücke. Der
Verkehr in der Stadt kommt für lange Zeit endgültig zum Erliegen. Nach einer
Kundgebung in der Karl-Liebknecht-Straße ziehen die Rechten zurück zum
Hauptbahnhof. Kurz vor 16 Uhr werden sie ins Bahnhofsgebäude eskortiert.
Die Bilanz: 18 verletzte Polizisten, 17 festgenommene Autonome, zerstörte
Schaufenster. Die Polizei hält bis in die frühen Morgenstunden des Sonntags
alle neuralgischen Punkte der Innenstadt besetzt.
Daten, Fakten und Zitate
(MAZ, 1.11.) “Mit einer derartigen Welle der Gewalt hatten wir nicht gerechnet. Aber wir
hatten die Situation jederzeit unter Kontrolle.” Rudi Sonntag, Sprecher des
Polizeipräsidium s
” Einige aus der Partei sind bei der Demonstration des Aktionsbündnisses am
Platz der Einheit dabei, aber die meisten stehen hier auf der Brücke”, sagte
Marie-Luise von Halem vom Landesverband der Grünen. Sie finde es legitim,
sich den Nazis friedlich entgegenzustellen. Dass die Rechten nicht wie
geplant durch die Innenstadt ziehen könnten, sei ein Erfolg der
Demonstranten. “Dass hier so viele Autonome Steine geschmissen haben, ist
furchtbar. Einigen Parteifreunden wurde sogar Prügel angedroht, als sie
versuchten, die Radikalen vom Barrikadenbauen abzuhalten”, so von Halem. die
Politikerin. Nachdem sich die Randalierer in die Breite Straße verzogen
hatten, setzten Grüne, Jusos und andere Linke die friedliche Blockade der
Brücke fort.
” Uns war klar, dass es hier zu Ausschreitungen kommen würde. Die Steinwürfe
haben uns nicht viel ausgemacht, wir sind ja sehr gut geschützt. Um die
Gewalttäter von beiden Seiten in die Zange zu nehmen, und auf der Brücke
festzuhalten, waren nicht genug Polizisten im Einsatz.”
Ein Polizist der Cottbuser Hundertschaft, die die Lange Brücke von 11 bis 17
Uhr in Richtung Bahnhof absperrte.
” Hätte ich gewusst, was heute hier los ist, wäre ich nicht gekommen. Aber
Gott sei Dank ist alles heile geblieben.” Eine Porzellan-Händlerin auf dem
Trödelmarkt im Lustgarten Nur hundert Meter weiter brannten auf der Breiten
Straße umgestürzte Müllcontainer.
Aus Anlass einer für heute geplanten NPD-Demonstration in Potsdam hatten die
Stadt und linksorientierte “Solid”- und “Antifa” ‑Grupppen getrennt zu
Gegendemonstrationen aufgerufen. Da die Demonstrationszüge an der
Gerüstinstallation am Standort der Garnisonkirche vorbeiführen sollten,
hängte unsere Fördergesellschaft als ihren Beitrag gegen Rechtsexttremismus
ein Plakat mit dem Wort Henning von Tresckows auf “Ich halte Hitler nicht
nur für den Erzfeind Deutschlands sondern der ganzen Welt”
Es wurde von unseren Vorstandsmitgliedern Dr. Rheinheimer, C. Goldenstein
und Th. Knappworst privat finanziert.
Während die etwa 200 NPD-Anhänger in eine andere Richtung abgedrängt wurden,
stürmten etwa 800
Hans P. Rheinheimer, Vorsitzender der Fördergesellschaft zum Wiederaufbau
der Garnisonkirche, wurde in der Breiten Straße von Vermummten angegriffen
und geschlagen, als er in Brand gesetzte Kübel löschen wollte, berichtet
Burkhart Franck von der Fördergesellschaft. “Andreas Kitschke und ich wurden
ebenfalls von schwarz gekleideten Vermummten angegriffen und geschlagen, als
wir sie von der Beschädigung der Beschriftung auf der Gerüstinstallation
abzuhalten versuchten”, so Franck.
Der Innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Sven Petke, will den
Polizeieinsatz im Innenausschuss des Landtages zur Sprache bringen. Es
brauche “Wege, um solche Chaoten unter Kontrolle zu bekommen. Deshalb müssen
die Ereignisse im Innenausschuss thematisiert werden.”
Als die Bürger-Demonstration die Friedrich-Ebert-Straße passiert
, kommen
Mitarbeiter der Bäckerei Braune auf die Straße und verteilen Kuchen.
Eine der witzig-kreativen Aktionen sollte ein vom Potsdamer Christian
Deichstetter dirigiertes Hupkonzert an der Demonstrationsstrecke sein. Dem
Anlass angemessen, soll beim Vorbeizug der Rechten der “Trauermarsch” von
Chopin erklingen. Als sich abzeichnet, dass weder die Neonazis, noch die
Gegendemonstration die Breite Straße passieren, verlegt der Dirigent sein
“Orchester” vor das Stadthaus und lässt zum Abschluss der Demonstration dort
hupen.
“Der Oberbürgermeister und der neue Bildungsminister haben gut gesprochen.”
Der Stadtverordnete Eberhard Kapuste (CDU) über Jakobs (SPD) und Rupprecht.