POTSDAM Nach dem brutalen Überfall mehrerer rechtsextremer Jugendlichen auf zwei Linke in der Potsdamer Innenstadt sind zehn Haftbefehle erlassen worden. Vier Männer sitzen in Untersuchungshaft. Sechs Haftbefehle wurden außer Vollzug gesetzt, wie die Potsdamer Staatsanwaltschaft gestern mitteilte.
Die Staatsanwaltschaft ermittle weiterhin wegen des Verdachts des versuchten Mordes, betonte der Sprecher der Behörde, Jörg Wagner. Der Haftrichter habe allerdings in allen Fällen lediglich Haftbefehl wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung erlassen, sagte er.
In der Nacht zum Sonntag war die Gewalt zwischen rechtsextremen Jugendlichen und linken Gruppen eskaliert. Etwa 15 Rechtsextreme hatten in der Potsdamer Friedrich-Ebert-Straße einen 24- sowie einen 25 Jahre alten Mann aus der linken Szene überfallen und schwer verletzt. Eines der Opfer lag mehrere Tage im Krankenhaus. Opfer und Täter kannten sich von einem Prozess gegen Neonazis.
Die Täter hatten aus einer fahrenden Straßenbahn heraus ihre Opfer entdeckt und die Notbremse gezogen. Dann stürmte die Gruppe aus der Bahn und beschimpfte die beiden jungen Männer mit dem Satz: “Scheiß Zecke, ich mach dich alle!”. Beide Opfer wurden am Boden liegend von den Tätern gegen den Kopf getreten. Der Angriff soll nach Angaben von Augenzeugen kaum zwei Minuten gedauert haben. Fünf der Angreifer konnten noch in Tatortnähe festgenommen werden, sind aber wieder frei.
Die Polizei hat eine Sonderkommission aus elf Kriminalisten des Potsdamer Schutzbereiches und des Polizeipräsidiums eingesetzt, die Soko “Potsdam”. Beim Überfall vom Sonntag handelt es sich möglicherweise um eine Racheaktion. Vor mehr als zwei Wochen hatten Jugendliche der linken Szene einen Rechten überfallen. Danach waren vier Haftbefehle wegen versuchten Mordes verhängt worden; nur eine Frau sitzt noch in Haft.
Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) verurteilte den jüngsten Überfall. “Ich bin entsetzt und äußerst beunruhigt über die zunehmende Gewalt und neue Qualität der Auseinandersetzungen zwischen rechten und linken Gruppen.” Es sei für ihn nicht nachvollziehbar, dass das Gericht Haftbefehle außer Vollzug gesetzt habe. Für Donnerstag berief er eine Sitzung des Beirates für die Sicherheitskonferenz Potsdam ein. Die CDU-Landtagsfraktion warnte vor einer “Spirale der Gewalt” in der Landeshauptstadt. Der Übergriff müsse mit aller Härte des Gesetzes verfolgt werden, fordert der innenpolitische Sprecher Sven Petke. “Gewalt darf in Potsdam keine Chance haben.”