(Gudrun Mallwitz, Berliner Morgenpost) Potsdam — Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) rechnet bei dem von Neonazis für den 18. Juni geplanten Aufmarsch nahe des Soldatenfriedhofs in Halbe (Dahme-Spreewald) mit gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Rechts- und Linksextremen. Er müsse davon ausgegangen werden, daß die gewaltbereite Szene aus Berlin anreise. Der Minister kündigte den Einsatz von mehr als 1000 Polizisten an. Er habe beim Bundesgrenzschutz Verstärkung angefordert.
Denn zeitgleich werden für eine Veranstaltung mit der Musikband “Böhse Onkelz” auf dem Lausitzring zahlreiche Polizeikräfte benötigt. Dort erwartet Brandenburg vom 15. bis 19. Juni rund 150 000 Besucher. Sorgen bereitet Schönbohm in Halbe nach eigener Aussage vor allem die Gegendemonstration, die den Aufmarsch von 200 bis 300 angemeldeten Neonazis in seinen Augen aufwerten könnte. Bei der jüngsten Aktion von etwa 1600 Neonazis in Halbe und “nur” rund 400 Gegendemonstranten hatte er noch die geringe Beteiligung von Demokraten beklagt. Doch dieses Mal hat das lokale “Aktionsbündnis gegen Heldengedenken und Naziaufmärsche in Halbe” zum Protest aufgerufen — ein Zusammenschluß von Vereinigungen und Parteien, von denen vier vom Verfassungsschutz beobachtet werden, darunter die DKP, die DKP Ost, Attac und VVN. Mitglied sind aber auch SPD- und PDS-Mitglieder, die DGB-Jugend und der Verein für Bildung, Kultur, Tourismus und Gewerbe im Schenkenländchen. Hatte Schönbohm ursprünglich wohl selbst seine Teilnahme erwogen, so entschied die CDU-Fraktion, den Aufruf zur Demonstration nicht zu unterstützen. Damit brachte sie offenbar nicht nur ihn, sondern auch Kulturministerin Johanna Wanka in die Bredouille, die als Kreischefin der Partei bisher keine Ablehnung signalisiert hatte. Schönbohm geriet zunehmend ins Schlingern: Vor zwei Tagen erklärte er noch, keinesfalls werde er “hinter der KPD-Fahne hermarschieren”. Gestern ließ er je nach Lage offen, ob er mit demonstriert. Er werde mit der Polizei in Halbe sein, sagte er im Landtag.
Regierungschef Matthias Platzeck will wie Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (beide SPD) teilnehmen. Auch Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) rief zur Unterstützung des Aktionsbündnisses auf.
SPD-Landesgeschäftsführer Klaus Ness warf Schönbohm vor, die Union wolle ihre gespaltene Haltung zu Demonstrationen überdecken. “Wie in Berlin am 8. Mai vor dem Brandenburger Tor müssen so viele Menschen nach Halbe kommen, daß die Neonazis nicht mehr zu sehen sind.” In Halbe macht sich indes Frust über den Streit in der Regierung breit. Die Einwohner hatten damit gerechnet, daß das von der Landesregierung beschlossene Gedenkstättengesetz den Ort vor den Aufmärschen schützt. Doch wird damit nur verhindert, daß die Neonazis sich auf oder vor dem Soldatenfriedhof versammeln. Der Aufmarsch gilt als Testlauf nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes.
“Man sollte die Gewalt nicht herbei reden”
Haltung zu Nazi-Aufmarsch in der CDU umstritten
(Andrea Beyerlein, Berliner Zeitung) POTSDAM. Carl-Heinz Klingmüller ist stellvertretender CDU-Kreischef in Dahme-Spreewald und Beigeordneter für Wirtschaft, Finanzen und öffentliche Sicherheit im Landratsamt. Für ihn steht außer Frage, dass er am 18. Juni gemeinsam mit Parteifreunden gegen den Neonazi-Aufmarsch in Halbe demonstrieren wird. Angst vor gewalttätigen Auseinandersetzungen hat er nicht: “Das gab es hier in all den Jahren noch nie. Das hat unsere Polizei immer hervorragend hinbekommen.” Doch sein CDU-Landeschef, Innenminister Jörg Schönbohm, hat am Donnerstag vor dem Landtag ganz andere Szenarien an die Wand gemalt. Klingmüller kann das nicht verstehen: “Für unsere Sache ist das nicht hilfreich. Man sollte die Gewalt nicht herbeireden.”
“Unsere Sache”, das bedeutet für Klingmüller, “dass möglichst viele aus der Zivilgesellschaft zeigen: Ich bin gegen diesen Spuk”. Als im Herbst 2004 am Volkstrauertag 1 500 Neonazis nahezu unbehelligt von Gegendemonstranten in Halbe aufmarschierten, hatte sich Schönbohm noch ganz ähnlich geäußert.
Inzwischen ist ein Aktionsbündnis gegen Heldengedenken und Naziaufmärsche entstanden. Waren zunächst PDS und DKP die treibenden Kräfte, so wird die Basis jetzt immer breiter. Nicht nur der Kreistag hat geschlossen seine Unterstützung erklärt, auch 20 Gemeindevertretungen und die Gewerbetreibenden aus Teupitz, sogar der Trink- und Abwasserzweckverband, sagt Mitinitiatorin Karin Weber, Landtagsabgeordnete der PDS.
Zu Beginn der Parlamentssitzung am Donnerstag hat auch Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) zur Teilnahme an der Gegendemonstration aufgerufen und zählte eine Fülle von Unterstützern vom Gewerkschaftsbund über Evangelische Kirche, AWO, DRK IHK, Handwerkskammer bis hin zu Landessportbund und Landeselternrat auf. “Ich glaube, dass alle, die teilnehmen, in guter Gesellschaft sind”, sagte Fritsch. “Wenn es brennt, wird gelöscht und nicht gefragt, wer noch mit löschen hilft.”
Kurz darauf erklärte Schönbohm vor dem Landtag, dass dem örtlichen Aktionsbündnis vier Organisationen angehörten, die vom Verfassungsschutz beobachtet würden und warnte vor der Teilnahme gewaltbereiter, autonomer Gruppen aus Berlin. Und er beklagte, dass das Ziel verfolgt werde, die Neonazidemonstration zu verhindern. “Damit gerät die Polizei bedauerlicherweise wieder zwischen die Fronten.”
Genau das aber ist dem Innenminister jetzt selbst widerfahren. Zunächst hatte Schönbohm sogar einen eigenen Auftritt bei der Gegendemonstration nicht ausgeschlossen. Doch seit sein Fraktionschef Thomas Lunacek diese Woche jede Unterstützung der Veranstaltung kategorisch ablehnte, rudert der CDU-Chef zurück: “Ich laufe doch nicht hinter der Fahne der DKP.” Ähnlich geht es Kulturministerin Johanna Wanka, der CDU-Chefin von Dahme-Spreewald. Von der Idee, die Mitglieder ihres Kreisverbandes zum Demonstrieren aufzurufen, ist sie wieder abgerückt. Zumindest aber wagt sie noch den Satz: “Es gibt kein gutes Bild, wenn wir uns ausgrenzen.”
Aus Sicht von SPD-Landesgeschäftsführer Klaus Ness ist das schon geschehen: “Es gibt ein breites Bündnis gegen den Neonazi-Aufmarsch — nur die CDU ist nicht dabei.” Dabei gehe es darum, zu verhindern, dass Halbe zum Wallfahrtsort für Rechtsradikale wird — “Halbe ist unser Brandenburger Tor”. Bei der SPD wächst der Unmut gegenüber dem Regierungspartner. Christoph Schulze, parlamentarischer Fraktionsgeschäftsführer, kritisiert, dass es in der Debatte um den Umgang mit dem Rechtsextremismus ständig zu völlig überflüssigen Reibereien komme.
Nazi-Aufmarsch in Halbe: CDU streitet um Gegendemo
(ma/thm, Tagespiegel) Potsdam — Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) befürchtet am 18. Juni in Halbe gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Neonazis und linken Gegendemonstranten. Der Minister kündigte am Donnerstag den Einsatz von rund 1000 Polizisten und „konsequente Vorkontrollen“ von Anreisenden an, da unter anderem gewaltbereite Autonome aus Berlin erwartet würden. Schönbohm will persönlich den Großeinsatz der Polizei in Halbe beaufsichtigen.
Zwar sei der angekündigte Aufmarsch von Neonazis nahe des Soldatenfriedhofes „widerlich“, sagte Schönbohm, der auch CDU-Landeschef ist. Doch lehnte er erneut eine Teilnahme der Union an der Gegendemonstration strikt ab, zu der ein lokales Aktionsbündnis aufgerufen hat. „Ich habe nicht die Absicht, hinter der Fahne der DKP herzulaufen“, so Schönbohm wörtlich. „Es gibt ein Demonstrationsrecht, aber kei
ne Demonstrationspflicht.“
Die Ankündigung der Wissenschaftsministerin und CDU-Kreischefin von Dahme-Spreewald Johanna Wanka, ihren Kreisverband zur Teilnahme an der Gegendemonstration aufrufen zu wollen, löste in der Parteispitze Verärgerung aus. Schönbohm führte ein Gespräch mit Wanka. Er gehe davon aus, dass es „keinen Aufruf“ Wankas an die CDU-Basis geben werde, erklärte Generalsekretär Sven Petke. Wanka sagte jedoch dem Tagesspiegel,sie bleibe bei ihrer Ansicht: „Wenn es eine vernünftige Gegendemonstration gibt, sollte sich die CDU nicht ausgrenzen“. Allerdings äußerte sich auch Wanka besorgt über die drohende Eskalation. CDU-Fraktionschef Thomas Lunacek bestätigte, dass es in der Union unterschiedliche Ansichten zur Teilnahme an der Gegendemonstration gebe. „Die CDU ist keine Einheitspartei.“
Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) rief im Landtag – zum Missfallen der Union – ausdrücklich zur Teilnahme an der Gegendemonstration auf. Er hob hervor, dass zu den Initiatoren auch DGB, Arbeiterwohlfahrt, evangelische Kirche, DRK, Anglerverband und Landessportbund gehören. Fritsch: „Wenn es brennt, wird gelöscht und nicht gefragt, wer beim Löschen hilft.“
Halbe: Fritsch ruft zu Teilnahme auf
Präsident weist CDU-Bedenken zurück
(IGOR GÖLDNER, MAZ) POTSDAM Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) hat ungeachtet der Bedenken aus der CDU zur Teilnahme an der Gegendemonstration am 18. Juni in Halbe (Dahme-Spreewald) aufgerufen. In einer Erklärung zu Beginn der gestrigen Landtagssitzung erinnerte Fritsch an den 8. Mai in Berlin, wo Tausende Demokraten einen Neonazi-Aufzug verhindert hätten. “Dem wollen wir uns anschließen”, sagte er. Der angekündigte Neonazi-Aufmarsch am 18. Juni müsse verhindert werden, forderte Fritsch und appellierte an die Abgeordneten, sich dem Protest anzuschließen.
Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) warnte indes gestern erneut davor, dass sich an der Gegendemonstration auch antidemokratische und gewaltbereite Kräfte beteiligen könnten. Unter den Anmeldern seien auch vier Organisationen, die in Verfassungsschutzberichten erwähnt seien. Die CDU werde sich deshalb nicht anschließen. “Ich werde nicht einer Fahne der DKP hinterher laufen”, betonte Schönbohm.
Der Landtagspräsident wies diese Bedenken zurück und sagte: “Wenn es brennt wird gelöscht und nicht gefragt, wer noch mit Löschen hilft.” Das lokale Aktionsbündnis werde unterstützt vom DGB, dem Sportbund, der Industrie- und Handelskammer, den Kirchen, dem DRK sowie von Parteien und Vereinigungen.
Die PDS-Abgeordnete Karin Weber, die selbst dem Aktionsbündnis angehört, sagte, den Anmeldern der Gegendemonstration gehe es um gewaltfreie Auseinandersetzung mit Rechtsextremen. Halbe dürfe nicht zum Wallfahrtsort der Rechtsextremen werden. Die SPD-Abgeordnete Sylvia Lehmann, die auch dem Bündnis angehört, sagte, die Anmelder der Gegendemonstration seien “aufgeschlossene Menschen und keine Chaoten”. Es müsse alles unternommen werden, damit der 18. Juni gewaltfrei bleibe.
Neonazis haben in unmittelbarer Nähe zum Soldatenfriedhof in Halbe am 18. Juni einen Aufmarsch angemeldet. Das Motto lautet: “Ruhm und Ehre den deutschen Frontsoldaten und Opfern kommunistischer Gewaltherrschaft”. Angemeldet sind “rund 200 bis 300 Personen”.
Die Polizei geht davon aus, dass unter den Gegendemonstranten gewaltbereite Teilnehmer zu erwarten sind, unter anderem vom “schwarzen Block” Berliner Autonome. Das Polizeipräsidium in Frankfurt (Oder) werde rund 1000 Polizisten aufbieten. Schönbohm wies darauf hin, dass die Polizei Hilfe aus anderen Ländern erhält. Am gleichen Tag findet am Lausitzring ein Rockkonzert mit 140 000 Teilnehmern statt, wo ebenfalls die Polizei gefordert sei.