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Halt vor dem Friedhofstor

(Ver­fas­sungss­chutz Bran­den­burg) Zwölf Jahre nach dem let­zten Auf­marsch ver­sam­melten sich wieder Recht­sex­trem­is­ten in Halbe. Zwar durften sie nicht, wie ursprünglich geplant, am Volk­strauertag marschieren. Also ver­legten sie ihre “Heldenge­denk­feier” um einen Tag nach vorn. Auch der Wald­fried­hof Halbe blieb ihnen ver­schlossen. Also hiel­ten sie ihre Kundge­bung auf dem Vor­platz. Außer­dem mussten sie strenge Aufla­gen beachten. 

Nach­dem die Erlaub­nis für die Ver­anstal­tung vor Gericht erstrit­ten wor­den war, fol­gten dem Aufruf des Ham­burg­er Neon­azi-Kaders Chris­t­ian Worch immer­hin 650 Recht­sex­trem­is­ten, über­wiegend Neon­azis, aus dem gesamten Bun­des­ge­bi­et. Rund 350 Gegen­demon­stran­ten aus dem linken Spek­trum standen ihnen gegenüber und protestierten laut­stark. Ein mas­sives Polizeiaufge­bot ver­hin­derte ein Aufeinan­dertr­e­f­fen der ver­fein­de­ten Lager. 

So unterblieben Auss­chre­itun­gen. Aber viele fra­gen sich: Müssen wir Neon­azi-Aufzüge hin­nehmen, nur weil sie nicht in Straftat­en enden? 

Wag­n­er und Smetana statt Trommelwirbel

Die Ver­botsver­fü­gung des Polizeiprä­sid­i­ums Frank­furt (Oder) war vom Ver­wal­tungs­gericht Frank­furt (Oder) mit Beschluss vom 10. Novem­ber aufge­hoben wor­den. Auch dem Wider­spruch hierge­gen vor dem Oberver­wal­tungs­gericht Frank­furt (Oder) war kein Erfolg beschieden. Die Recht­sex­trem­is­ten durften sich nur nicht auf dem Fried­hof­s­gelände sel­ber ver­sam­meln, denn das Ver­samm­lungsver­bot, das hier­für das Amt Schenken­länd­chen aus­ge­sprochen hat­te, hielt vor dem Ver­wal­tungs­gericht Cot­tbus stand. 

Die stren­gen Aufla­gen, keine Waf­fen, Trom­meln und Fack­eln mitzuführen, nicht in Springer­stiefeln aufzutreten, nicht im Gle­ich­schritt zu marschieren, wur­den von den Recht­sex­trem­is­ten einge­hal­ten. Sämtliche an die NS-Zeit erin­nernde Sym­bole mussten überklebt wer­den. Statt mar­tialis­chen Trom­mel­wirbels waren Klänge von Wag­n­er und Smetana zu hören. Die 38 Platzver­weise, die die Polizei erteilte, betrafen denn auch größ­ten­teils die linken Gegendemonstranten. 

40 Kränze jedoch, die Recht­sex­trem­is­ten vor dem Fried­hof ohne Erlaub­nis abgelegt hat­ten, wur­den unter Hin­weis auf die Abfal­lverord­nung entsorgt. 

Warum “Heldenge­denken” aus­gerech­net in Halbe?

Die Bedeu­tung des Wald­fried­hofs Halbe war schon The­ma unser­er Mel­dun­gen zum Volk­strauertag vor einem und vor zwei Jahren. Die wichtig­sten Fest­stel­lun­gen seien hier wiederholt: 

In dem Kessel von Halbe kamen in den let­zten Tagen des 2. Weltkrieges 22.000 deutsche Sol­dat­en und Zivilis­ten ums Leben. Halbe wurde zum Syn­onym für sinnlos­es Ster­ben. Nicht zu vergessen sind aber auch die Toten, der­er hier gle­ich­falls gedacht wird: die 57 hin­gerichteten Wehrma­chts­de­ser­teure, die 37 sow­jetis­chen Zwangsar­beit­er, die ermordet wur­den, und die etwa 6.000 Opfer im sow­jetis­chen Internierungslager Ketschen­dorf ganz in der Nähe. 

Schon die Nation­al­sozial­is­ten ver­fügten 1934 die Umbe­nen­nung des Volk­strauertages zum Gedenken der Toten des 1. Weltkrieges in “Heldenge­denk­tag” und bezo­gen die “Gefal­l­enen der Bewe­gung” gle­ich mit ein. Trauer wurde zunächst zu vor­bere­i­t­en­der Kriegs‑, später immer mehr zu Durch­hal­tepro­pa­gan­da per­vertiert. Am “Heldenge­denk­tag” 1940 präsen­tierte Hitler ganz im Sinne sein­er völkisch-kollek­tivis­tis­chen Weltan­schau­ung die Gefal­l­enen als Vor­bilder, die “bere­it waren, sich selb­st aufzugeben, um der Gemein­schaft das Leben zu erhalten”. 

Halbe und der so genan­nte “Heldenge­denk­tag” sind für Neon­azis fest miteinan­der verknüpft. Ihnen dienen die Aufmärsche zur Insze­nierung eines Totenkultes um die Gefal­l­enen, zur Verk­lärung und Hero­isierung des sinnlosen Selb­stopfers der let­zten Wehrma­chts- und SS-Ver­bände, die von fanatis­chen Offizieren für eine ver­lorene Sache ver­heizt wur­den. Die Wieder­bele­bung des nazis­tis­chen Unter­gangsmythos ist ein wichtiges Ele­ment in der Ver­her­rlichung des Nationalsozialismus. 

Weit­ere recht­sex­trem­istis­che Gedenkfeiern

Eben­falls am 15. Novem­ber legte eine kleine Abor­d­nung der “Deutschen Volk­sunion” (DVU) einen Kranz auf dem Sol­daten­fried­hof in Halbe ab. Dieser Akt, der ähn­liche Auftritte aus früheren Jahren wieder­holte, stand nicht im Zusam­men­hang mit dem Aufzug der Neonazis. 

Am Volk­strauertag selb­st sah man kleinere Grup­pen von Recht­sex­trem­is­ten bei Kranznieder­legun­gen an ver­schiede­nen Orten Bran­den­burgs. Etwa 25 Mit­glieder der “Nation­aldemokratis­chen Partei Deutsch­lands” (NPD) und des “Nationalen Bünd­niss­es Preussen” (NBP) hin­ter­ließen am Kriegerdenkmal in Teschen­dorf ein Gebinde. Eine etwa gle­ich große Zahl von Per­so­n­en, die sich dem “Nationalen Wider­stand Prig­nitz-Rup­pin” zurech­nen, tat des­gle­ichen am Kriegerdenkmal in Dos­sow. Der Lan­desvor­sitzende der NPD, Mario Schulz, legte auf dem Fried­hof in Witt­stock einen Kranz nieder. 

Halbe — eine Zwischenbilanz

War der Aufzug in Halbe nun ein Erfolg für die Neon­azis? Angesichts der starken Restrik­tio­nen — Zeit, Ort und Art der Ver­samm­lung waren nicht nach dem Geschmack aktion­sori­en­tiert­er Recht­sex­trem­is­ten — wohl nur eingeschränkt. Ander­er­seits ist es ihnen erst­mals seit zwölf Jahren wieder gelun­gen, in der Nähe des für sie so sym­bol­trächti­gen Ortes wieder präsent zu sein. Und so nimmt es nicht Wun­der, dass sie dies als Erfolg auf ihre Fah­nen schreiben. 

In ihrem Aufruf zum “Heldenge­denken 2003” hat­ten sie erk­lärt: “Halbe gilt als die let­zte für die Nationale Oppo­si­tion noch nicht ein­genommene Bas­tion”. Sie bezo­gen sich dabei auf Wun­siedel, wo sie ihre Rudolf-Heß-Gedenkmärsche nun schon seit zwei Jahren wieder abhal­ten kön­nen, da auch hier die Gerichte Ver­botsver­fü­gun­gen gekippt hat­ten. Nun also ist auch “die Bas­tion Halbe” gefall­en, tri­um­phieren die Neon­azis. Ihr mil­itärisch­er Jar­gon ver­rät, dass es ihnen gar nicht um ein Totenge­denken ging, son­dern um einen Sieg im poli­tis­chen Kampf. Freilich war es nur ein hal­ber Sieg, da ihrem Auftritt rechtlich enge Gren­zen gezo­gen waren. 

Solange sie aber bei weit­eren Aufzü­gen keine Geset­ze brechen und sich dazu an die behördlichen Aufla­gen hal­ten, wer­den sie von der Demon­stra­tions­frei­heit, die ihnen wie jed­er­mann der demokratis­che Rechtsstaat ein­räumt, Gebrauch machen kön­nen. Nur wenn der Geset­zge­ber das Ver­samm­lungsrecht änderte, also z. B. bes­timmte Orte unter beson­deren Schutz stellte, kön­nte ihnen ein Aufzug in Halbe dauer­haft ver­wehrt werden.

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