Haupttäter ist auf der Flucht
Prozessbericht: Neonazis zogen im September 2009 prügelnd durch Rathenow und verletzen mehrere Menschen
(Antifa Westhavelland) Am vergangenen Mittwoch wurde einer Gruppe (Neo)nazis vor dem Amtsgericht in Rathenow der Prozess gemacht, weil sie in der Nacht zum 19. September 2009 mehrere Menschen angegriffen und dadurch zum Teil erheblich verletzt hatten. Den Angeklagten Mathias Ullrich, Silvio Wolf und Fabian Hecht sowie dem zur Zeit flüchtigen Thomas Krone wurden dabei gemeinschaftlich begangene Körperverletzungen vorgeworfen, die durch die detaillierte Rekonstruktion des Tathergangs in der Beweisaufnahme aufgeklärt wurden.
Trinkgelage stand am Anfang
Die Angeklagten hatten sich demnach zunächst bei Hecht zu Hause getroffen, um sich zu betrinken. Dort blieben die unternehmungslustigen Trinker allerdings nicht lange, sondern setzten ihren Alkoholkonsum in einer Lokalität in der Curlandstraße fort. In der Nähe schlug die Truppe dann zum ersten mal zu. Die (Neo)nazis hatten sich zwei Passanten ausgesucht und diese mit Faustschlägen traktiert.
Dann zog die (Neo)nazigruppe weiter in Richtung Innenstadt, wo es in der Nähe des Märkischen Platzes erneut zu gewalttätigen Handlungen kam. Einer der bereits in der Curlandstraße angegriffenen Passanten hatte sich dort mit zwei Bekannten getroffen und war nun erneut das Ziel der (Neo)nazis.
Die Angeklagten Wolf und Ullrich gingen dabei gezielt auf die drei zu, um eine gewalttätige Auseinandersetzung anzustacheln. Keiner der drei ging allerdings auf die Provokation ein, wohl wissend, dass eine im Hinterhalt auf etwa zehn Personen angewachsene (Neo)nazigruppe nur darauf wartete, zu Gunsten von Ullrich und Hecht in die Konfrontation einzugreifen.
Beim Versuch die Situation durch verlassen des Platzes zu bereinigen wurden die drei aus der (Neo)nazigruppe heraus von Ullrich und Krone mit Pfefferspray und Faustschlägen angegriffen. Einem der Angegriffenen gelang es, sich zu entfernen und die Polizei über den laufenden Angriff zu informieren.
Tritte und Schläge gegen den Kopf
Die beiden anderen traf jetzt allerdings das volle Gewaltpotential der (Neo)nazis. Auch am Boden liegend wurden sie mit Tritten und Schlägen malträtiert. Gezielt wurde auch gegen den Kopf getreten und schwerwiegende Folgeschäden billigend in Kauf genommen. Einer der beiden Angegriffenen erlitt durch die schweren Schläge gegen das Haupt unter anderem ein Schädel-Hirn-Trauma, das ihm einen viertägigen Krankenhausaufenthalt bescherte. Dass bei dem Übergriff auch eine Waffe, möglicherweise ein Schlagring, eingesetzt wurde, schloss das Gericht anhand der schweren Verletzungen dabei nicht aus.
Herbei eilende Passanten konnten die Angegriffenen damals vor weiteren Gewalteinwirkungen der (Neo)nazigruppe schützen. Die zur Hilfe gerufene Polizei konnte zu dem die Täter feststellen und ihre Personalien aufnehmen, versäumte es aber anscheinend die (Neo)nazis in Gewahrsam zu nehmen.
Haupttäter vermutlich in der Schweiz untergetaucht
Zum Gerichtstermin fehlte so dann auch der Haupttäter Thomas Krone. Er sei, so das Gericht, nicht auffindbar. Andere Quellen deuten hingegen auf eine Flucht in die Schweiz. In Krones Facebookprofil wird unter dem Alias-Namen „Thomas Braunhemd“ beispielsweise eine schweizerische Gemeinde als Wohnort angegeben und eine Tätigkeit für eine schweizerische Gleisbaufirma mit Bildern unterlegt.
Verfahrenseinstellung für den zweiten Haupttäter
Der zweite Haupttäter Mathias Ullrich war hingegen einfacher ausfindig zu machen. Er sitzt derzeit in der JVA Brandenburg an der Havel ein und verbüßt dort eine mehrjährige Haftstrafe wegen diverser Gewaltdelikte. Vor Gericht übernahm Ullrich, der sowieso nichts zu verlieren hatte, dann auch die volle Verantwortung für die beiden Angriffe und lenkte somit den Fokus ausschließlich auf sich. Er zeigte sich sogar oberflächlich reumütig und entschuldigte sich bei allen Angegriffenen. Aus seinem gewalttätigen Verhalten unter Alkoholeinfluss habe Ullrich zudem angeblich gelernt und in Haft eine Therapie begonnen. Wie selbstverständlich distanzierte er sich auch von seiner damaligen Gesinnung.
Richter und Staatsanwalt, sichtlich angetan von dieser Scharade, belohnten Ullrich dafür mit der Einstellung des Verfahrens gegen ihn. „Die zu erwartende Strafe“ würde in Anbetracht der noch zu verbüßenden Schuld „nicht ins Gewicht“ fallen, hieß es.
Bewährungsstrafen für Mittäter
Für den bereits wegen eines Gewaltdeliktes vorbelasteten Angeklagten Hecht forderte der Staatsanwalt ein Jahr Haft, ausgesetzt zu zwei Jahren auf Bewährung. Der Angeklagte Wolf sollte freigesprochen werden. Das Gericht setzte sich hier jedoch über das geforderte Strafmaß der Staatsanwaltschaft hinweg und verurteilte beide Angeklagten. Sowohl Hecht als auch Wolf wurden so zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, ausgesetzt zu zwei Jahren auf Bewährung, verurteilt. Des Weiteren müssen sie die Gerichtskosten übernehmen sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von je 500 Euro an die beiden Angegriffenen bezahlen.
Der eingangs erwähnte Angriff in der Curlandstraße wurde nicht bestraft. Das Verfahren wurde durch die Staatsanwaltschaft ohne genannten Grund eingestellt.