Am 19. August wollen alte und neue Nazis wieder einen »Rudolf-Heß-Gedenkmarsch« abhalten. Dieser ist bislang gerichtlich verboten. Dennoch mobilisieren die oberfränkische Stadt Wunsiedel und die Antifa dagegen.
Das Verbot hat Bestand. Vergangene Woche bestätigte das Verwaltungsgericht Bayreuth die Verbotsverfügung des »Heß-Marsches«, welche vom Wunsiedeler Landratsamt Anfang Juli ausgesprochen worden war. Landrat Peter Seißler geht davon aus, dass das Verbot auch vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) in München und bei Bedarf ebenfalls vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben werde.
Jürgen Rieger, Nazi-Anwalt und Anmelder des jährlichen »Heß-Marsches«, hat am 25. Juli Beschwerde in München eingelegt. Entschieden sei jedoch noch nichts, sagt OVG-Sprecher Stehphan Kersten dem ND.
Der Hitlerstellvertreter Rudolf Heß hatte sich nach über 40 Jahren Haft im Kriegsverbrechergefängnis in Berlin-Spandau 1987 selbst erhängt. Bald darauf begannen alte und neue Nazis an Heß´ Grab in Wunsiedel zumeist zu seinem Todestag im August »Gedenkmärsche« zu veranstalten. Nach dem Verbot zentraler Veranstaltungen von 1991–2000, wuchs die Bedeutung des »Heß-Marsches« in der Neonazi-Szene beständig.
Während im Jahr 2001 rund 900 Neonazis in Wunsiedel demonstrierten, waren es im Jahr 2004 gut 5000 aus ganz Europa. Die Proteste dagegen waren eher spärlich. Nur 350 Antifas und wenig mehr Wunsiedeler BürgerInnen standen 2004 den Rechten gegenüber, vereinzelt griffen Neonazis die Gegenkundgebungen an. Im letzten Jahr wurde der Aufmarsch mit dem ergänzten §130 StGB verboten.
Nach der Modifizierung gilt als Volksverhetzung auch die öffentliche Billigung, Verherrlichung oder Rechtfertigung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Neonazianwalt Jürgen Rieger ging bis zum Bundesverfassungsgericht und scheiterte. Die Richter erachteten es in ihrer Utreilsbegründung als weniger schlimm, wenn Rieger seinen jährlich wiederkehrenden Spuk einmal nicht abhalten kann, als wenn der öffentliche Frieden derart gestört würde.
Auf die Entscheidungen der Gerichte stellen sich auch die Protestakteure in spe ein. Matthias Popp, der Sprecher der Bürgerinitiative »Wunsiedel ist bunt« und zweiter Bürgermeister der Stadt, geht davon aus, dass Rieger auch in diesem Jahr bis zum Verfassungsgericht gehen wird. »Was die entscheiden, steht in den Sternen. Wir werden auf beide Fälle vorbereitet sein.« Er sehe »keine vernünftige Möglichkeit«, dass die Neonazis ihre Demonstration durch die Stadt führen, weil überall Kundgebungen angemeldet seien, gibt Popp sich kämpferisch.
Die Kampagne »NS-Verherrlichung stoppen!», die 2005 gut 2000 Antifas mobilisieren konnte, ruft ebenfalls wieder nach Wunsiedel. In diesem Jahr werde man aber nur nach Wunsiedel fahren, wenn der Aufmarsch stattfindet. Innerhalb der Kampagne befürchtet man jedoch, dass das Verbot gekippt wird. »Wir werden da sein, wo die Nazis einen zentralen Heß-Marsch abhalten, in Wunsiedel oder anderswo«, sagt Kampagnensprecher Peter Brock.