(MUT, Ralf Fischer und Jan Schönberger) Tobias und Nico (Namen geändert) sitzt der Schrecken noch tief in den Knochen. Die beiden
Jugendlichen reden nur sehr selten mit anderen Personen über das Ereignis,
welches ihre immer noch währende Unsicherheit auslöste. Dabei teilen sie ihre
Erfahrungen mit vielen linken Jugendlichen in Brandenburg — die Erfahrung von
Gewalt durch Rechtsextreme.
Der Übergriff
Mit Gewalt, ausgehend von Rechtsextremisten, sind nicht-rechts orientierte
Jugendlichen in Brandenburg tagtäglich konfrontiert. Tobias und Nico wurden am
20. August letzten Jahres in brandenburgischen Kleinstadt Bad Freienwalde
Opfer eines rechtsextremen Angriff. Auf dem Weg zu einem Freund wurden die
beiden Jugendlichen — äußerlich sehr leicht als ′links′ — zu erkennen von fünf
jugendlichen Rechtsextremisten angegriffen. Diese hatten zuvor auf dem
Marktplatz abgehangen und Bier getrunken. Als die beiden linken Jugendlichen
die Gruppe passieren wollten, wurden sie zunächst (nur) angepöbelt. Doch
solche Reaktion auf ihr Äußeres kennen sie schon. Sie gingen ihres Weges
unbeeindruckt weiter. Doch als sie sich der anderen Gruppe gegenüber abwandten
und weitergingen warf einer aus der Bande (Trupp) der Rechtsextremisten eine
Bierflasche nach ihnen, die ihr Ziel nur äußerst knapp verfehlte.
Die beiden ergriffen die Flucht. Als Nico sich noch einmal kurz umdrehte, sah
er, wie einer aus der rechten Gruppe den Hitlergruß zeigt. Er rannte noch
schneller. Als Nico und Tobias sich in Sicherheit gebracht hatten, riefen sie
die Polizei und erstatteten Anzeige gegen den Werfer der Flaschen sowie
denjenigen, der den Hitlergruß zeigte.
Kein Einzelfall
In Bad Freienwalde sind solche Hetzjagden kein Einzelfall. Tobi berichtet,
dass in der brandenburgischen Kleinstadt im Landkreis Märkisch-Oderland immer
wieder neonazistische Plakate auftauchen, die dazu auffordern “linke Banden”
zu zerschlagen. Ihre Freunde, die ähnlich denken wie sie, sind auch häufig
damit konfrontiert, vor rechten Schlägern zu fliehen. Diese alltäglich sehr
bedrohliche Situation sei “normal” für die Kleinstadt.
Opfer müssen sich rechtfertigen
Gegen den 17-jährige Haupttäter Ronny M. wurde am Montag, den 17.01.05, vor
dem Amtsgericht Bad Freienwalde verhandelt. Gemeinsam gingen Nico und Tobias
mit einigen Freunden zur Verhandlung. Während die Richterin mehrfach die
beiden Zeugen fragte, warum sie sich so sicher seien, dass es sich bei der
gezeigten Geste um den Hitlergruß gehandelt haben soll, wurde die versuchte
Körperverletzung via Flaschenwurf gar nicht erst verhandelt. Auskünfte über
die Verurteilung von Ronny M. erfuhren Tobias und Nico nicht. Genauso wie die
Presse. Der Urteilsspruch bleibt, da der Täter zur Zeit der Tat ein
Jugendlicher war, unbekannt.
Die Angst bleibt
Ihre Angst, dass sich solch eine Hetzjagd, wie sie selber erleben mussten,
sich vielleicht wiederholt steckt tief. Auf die Frage, ob sie Angst haben,
dass ihnen ähnliches wieder passieren könne antwortet Tobias: “gut
möglich”. “Als linker Jugendlicher in Brandenburg, hast du es schon nicht
einfach.”, ergänzt Nico.