GUBEN/COTTBUS/LEIPZIG. Ein bitterer Tag könnte der Mittwoch für Joachim Dönitz, den Präsidenten des Landgerichts Cottbus, werden. Dann nämlich, wenn der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil im so genannten Hetzjagdverfahren aufhebt. Dönitz’ Strafkammer hatte im November 2000 acht der elf Angeklagten für schuldig befunden, für den Tod des algerischen Asylbewerbers Farid Guendoul mitverantwortlich zu sein. Der 28-Jährige, der in Deutschland unter dem Namen Omar ben Noui Zuflucht gesucht hatte, starb in einer Februarnacht 1999. Auf der Flucht vor seinen offensichtlich rechtsradikalen Verfolgern war er durch die Glastür eines Hauses in Guben gesprungen und hatte sich dabei so schwer verletzt, dass er binnen weniger Minuten verblutete. Drei seiner Verfolger verurteilte das Landgericht Cottbus zu Haftstrafen zwischen zwei und drei Jahren, sechs kamen mit Bewährungsstrafen davon, zwei mit einer Verwarnung.
Nur Staatsanwaltschaft zufrieden
Mit dem Urteil war kaum einer zufrieden: Zu milde war es den Angehörigen des verstorbenen Guendoul, zu hart den meisten Angeklagten. Beide Seiten legten Revision beim Bundesgerichtshof ein. Nur die Staatsanwaltschaft Cottbus akzeptierte das Urteil — ganz im Gegensatz zum Generalbundesanwalt, der sich Monate später ebenfalls dafür einsetzte, dass das Urteil vom Bundesgerichtshof überprüft wird.
Am Mittwoch verhandelt der in Leipzig ansässige 5. Strafsenat mündlich über den Fall. Insider werten diese Tatsache als Hinweis darauf, dass die Richter mit dem Urteil nicht ganz zufrieden sind. Denn die allermeisten Fälle entscheidet der BGH schriftlich, ohne Anhörung der Beteiligten. Nach Angaben des Sprechers des obersten deutschen Gerichtes ist es höchstwahrscheinlich, dass der Senat noch am Mittwoch eine Entscheidung verkündet.
Sollte das Urteil aufgehoben werden, muss das “Hetzjagdverfahren” neu aufgerollt werden. Für Dönitz wäre es das zweite Mal, dass eines seiner Urteile in einem spektakulären Verfahren aufgehoben wird: 1998 annullierte der BGH sein Urteil im Havemann-Verfahren. Dönitz, damals Vizepräsident des Landgerichts Frankfurt (Oder), hatte DDR-Juristen vom Vorwurf freigesprochen, in den Prozessen gegen den Regimekritiker Robert Havemann das Recht gebeugt zu haben.
Das von Dönitz geleitete Hetzjagd-Verfahren hatte schon weit vor dem Urteil für Aufsehen gesorgt: Einige der Angeklagten trugen auch im Gericht ihre rechtsradikale Gesinnung durch Glatze, Springerstiefel und Bomberjacke offen zur Schau und lümmelten eher gelangweilt auf der Angeklagebank. Ein Verteidiger verniedlichte das tragische Geschehen jener Nacht zum simplen “Räuber- und Gendarm-Spiel”, die Anwälte sorgten durch viele Anträge für die rekordverdächtige Prozesslänge von fast eineinhalb Jahren. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) nannte den Prozess einen “Skandal”, weil die Justiz anscheinend nicht mit rechtsradikalen Gewalttätern fertig werde. Als Thierse dann die Verteidiger als “Gesinnungsgenossen” der Angeklagten brandmarkte, reagierten die Juristen mit Strafanzeigen.
Zwei Angeklagte im Gefängnis
Bestätigt der BGH das umstrittene Urteil, würde es rechtskräftig — und die zu Haftstrafen Verurteilten müssten ins Gefängnis. “Die Aufforderung zum Haftantritt wird dann zügig erfolgen”, sagt Cäcilia Cramer-Krahforst von der Staatsanwaltschaft Cottbus. Zwei der elf Angeklagten sitzen derzeit schon wegen anderer Taten im Gefängnis: David B. verbüßt eine Haftstrafe, weil er kurz nach dem Ende des Hetzjagdverfahrens einen Mann angriff, der wie ein Ausländer aussah. Alexander B. sitzt in U‑Haft und wartet auf seinen Prozess wegen gefährlicher Körperverletzung.