(MAZ) Paul von Hindenburg bleibt Potsdamer Ehrenbürger. Diese Vorentscheidung traf
der Hauptausschuss der Stadtverordneten gestern Abend gegen die Stimmen der
PDS und der Fraktion Die Andere. Mit neun zu vier bei Enthaltung der Grünen
folgte das Gremium der Empfehlung der Historiker Martin Sabrow und Bernhard
R. Kroener, die man um eine wissenschaftliche Bewertung des
Streichungsantrages der Fraktion Die Andere gebeten hatte. Zugleich einigte
man sich, eine Erklärung zur Person des zweiten deutschen Reichspräsidenten
und Generalfeldmarschalls von Hindenburg zu erarbeiten. Damit solle
vermieden werden, das die Ablehnung der Streichung als “falsches Signal”
ankomme, sagte Bündnisgrünen-Fraktionschefin Saskia Hüneke, auf deren
Anregung hin die Erklärung formuliert werden soll. In der Debatte prallten
zwei Sichtweisen aufeinander. Martin Sabrow vom Zentrum für zeithistorische
Forschungen fasste die eine: Es gehe nicht um ein Pro oder Kontra zu
Hindenburg, sondern um die Frage: “Wie weit geht unsere geschichtspolitische
Reinigungsberechtigung?” Auch sein Kollege Kroener, Professor für
Militärgeschichte an der Universität Potsdam, betonte den zeithistorischen
Wert der Ehrenbürgerliste. Sie sei allein als Geschichtsdokument und im
Entscheidungskontext ihrer Zeit zu nehmen. Ihre Existenz führe immerhin
dazu, dass nicht einfach der Mantel des Vergessens ausgebreitet werde, sagte
Kroener. Sabrow verwies darauf, dass andere Kommunen problematische Namen
stillschweigend gestrichen hätten. Die Gegenposition vertraten Björn O.
Wiede, der die Debatte im Kontext der Vorbereitung der 70. Wiederkehr des
“Tages von Potsdam” ins Rollen gebracht hatte, und PDS-Fraktionschef
Hans-Jürgen Scharfenberg. Wenn man auf die Streichung verzichte, bestätige
man damit den Akt vom April 1933, als die Potsdamer Stadtverordneten Hitler
und Hindenburg gleichzeitig zu Ehrenbürgern erklärten. Kroener verwies auf
ein Problem: Potsdam habe bisher nur Nazi-Größen aus seiner Liste
gestrichen. Wenn nun als einziger Nicht-Nazi Hindenburg getilgt würde,
setzte man ihn mit Hitler und Göring gleich. Dass dies angesichts der
Differenziertheit der Person unangemessen wäre, verdeutlichten beide
Historiker. Sabrow erklärte, dass man den Reichspräsidenten natürlich als
Steigbügelhalter der Nazis sehen könne, wenn man die Dolchstoßlegende und
den permanenten Versuch der Restaurierung der Monarchie heranziehe. “Dies
ist eher die Vita eines Henkers denn eines präsidialen Hüters der Republik”,
sagte Sabrow. Dennoch gebe es genug Gründe für die Gegenthese, dass
Hindenburg “effektiveren Widerstand gegen Hitlers Machtübernahme geleistet
hat als der kommunistische Parteiführer Ernst Thälmann oder der
sozialdemokratische Ministerpräsident Otto Braun”. Ohne die Kandidatur des
84-Jährigen wäre Hitler bereits im April 1932 Reichspräsident gewesen, sagte
Sabrow. Die Nationalsozialisten hätten stattdessen den Eindruck gewinnen
müssen, sie könnten sich “zu Tode siegen”, würden aber stets am “Bollwerk
Hindenburg” scheitern. Kroener erinnerte daran, dass sich der greise
Reichspräsident noch am 20. Januar 1933 geweigert hatte, Hitler zum
Reichskanzler zu berufen. Er wurde erst durch seinen Sohn Oskar und den zurü
ckgetretenen Reichskanzler Franz von Papen überzeugt, dass die Einbindung
der Nazis ins Kabinett einzige Alternative zur gescheiterten Politik der
Notverordnungen sei. Bis dahin hatte Hindenburg stets die Ansicht vertreten,
er könne keiner Partei die Macht übergeben, die “einseitig gegen
Andersdenkende eingestellt” sei und eine Diktatur anstrebe, erinnerte
Kroener. Der “Tag von Potsdam”, an dem Hindenburg, nicht Hitler im
Vordergrund gestanden habe, könne insofern auch als “letzte glänzende
Manifestation des konservativen Preußentums” gedeutet werden, sagte Martin
Sabrow.
Kategorien