(Alle Artikel datieren auf Samstag, den 30.8.)
Staatsanwaltschaft: Hinweis auf Razzia kam doch von V‑Mann-Führer
(BM) Potsdam — Wende in der V‑Mann-Affäre: Die Staatsanwaltschaft hat jetzt
bestätigt, dass es doch der V‑Mann-Führer war, der 2001 einem V‑Mann des
Brandenburger Verfassungsschutzes eine bevorstehende Polizeirazzia
angekündigt hat. Letzterer gab diese Information laut Staatsanwaltschaft an
die Neonazi-Szene weiter.
Strafrechtlich relevantes Verhalten von Behördenmitarbeitern sei aber nicht
zu erkennen. Der Spitzel sei von seinem Führer gewarnt worden, “um den
verpflichteten V‑Mann zu veranlassen, sich im Interesse der Geheimhaltung
seiner Funktion von der Aktion fern zu halten”. Innenminister Jörg Schönbohm
(CDU) gab bekannt, dass gegen den V‑Mann-Führer disziplinarische Schritte
geprüft würden. Er wies den Vorwurf zurück, die Parlamentarische
Kontrollkommission sei getäuscht worden. Das Ministerium habe über die
schriftliche Bestätigung des V‑Mann-Führers verfügt, dass die Information
über die Razzia nicht von ihm stamme.
Verfassungsschutz warnt Neonazis vor Razzia
Innenministerium leitete Disziplinarverfahren ein
(Berliner Zeitung) POTSDAM. Die V‑Mann-Affäre im Potsdamer Innenministerium spitzt sich zu.
Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg sieht es als erwiesen an,
dass sich der zur Verschwiegenheit verpflichtete Informant des
Verfassungsschutzes, Christian K., strafbar gemacht hat. Er verriet den
Termin einer geplanten Razzia in der Neonaziszene an einen
Rechtsextremisten. Laut Rautenberg bestehe ein hinreichender Tatverdacht
wegen Geheimnisverrats gegen den ehemaligen V‑Mann. Dies sei durch abgehörte
Telefonate belegt.
Für Aufregung sorgt aber nicht in erster Linie der Verrat eines angeworbenen
Neonazispitzels an seine Gesinnungsgenossen. Bemerkenswert ist vielmehr,
dass der Informant den Termin für die Razzia von seinem V‑Mann-Führer beim
Verfassungsschutz erhalten hat. Auch dies sieht der Generalstaatsanwalt als
erwiesen an. Dem V‑Mann-Führer mit dem Decknamen “Max” drohen
strafrechtliche Konsequenzen, da er seinen Informanten vor der Razzia
schützen wollte.
Als eigentlicher Skandal wird jedoch gesehen, dass “Max” seinen
Dienstherren — also das Innenministerium — und auch das Parlament belogen
hat. “Er hat in sechs dienstlichen Erklärungen behauptet, seinen V‑Mann
nicht über die Razzia informiert zu haben”, sagte der Chef der
Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK), Christoph Schulz (SPD). Er
forderte eine unverzügliche Sitzung der PKK, um den Fall noch einmal
aufzurollen.
Das Ministerium räumte nach Prüfung der Akten am Freitag ein, dass “Max”
gelogen hat. “Deshalb wurden disziplinarrechtliche Schritte gegen ihn
eingeleitet”, sagte Sprecher Wolfgang Brandt. Trotzdem werde der Fall nicht
als Affäre gesehen, weil es keine strafrechtlich relevanten Vorwürfe gegen
Mitarbeiter des Innenressorts gebe. Auch seien Vorwürfe widerlegt worden,
das Landeskriminalamt habe die Aufklärung behindert. Das Ministerium habe
die Öffentlichkeit nie wissentlich falsch informiert, sondern nur die
Angaben von “Max” wiedergegeben. “Wir haben gesagt, was wir wissen”, sagte
Minister Jörg Schönbohm (CDU).
Dessen Rücktritt forderte die Innenpolitischer Sprecherin der
PDS-Landtagsfraktion, Kerstin Kaiser-Nicht. “Er hat den Verfassungsschutz
nicht im Griff, und ist für den verstärkten Einsatz von V‑Leuten im Kampf
gegen Neonazis verantwortlich.” Die V‑Mann-Affäre zeige erneut, dass das
Vertrauen in solche Informanten der falsche Weg sei. Kaiser-Nicht forderte
von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) eine sofortige und konsequente
Aufklärung der Affäre.
V‑Mann-Führer hat gelogen
PDS fordert Rücktritt des Innenministers
(MAZ) POTSDAM Das Innenministerium hat gestern offiziell eingeräumt, an die
Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) des Landtags bei der Aufklärung
einer V‑Mann-Affäre des Verfassungsschutzes falsche Informationen
weitergegeben zu haben. Nach Meinung von Kritikern kommt das einer Täuschung
gleich. PKK-Chef Christoph Schulze (SPD) verlangte deshalb eine förmliche
Entschuldigung von Innenminister Jörg Schönbohm (CDU). PKK-Mitglied Kerstin
Kaiser-Nicht (PDS) forderte den Ressortchef sogar zum Rücktritt auf. In
einer Sondersitzung in der kommenden Woche will das geheim tagende Gremium
die V‑Mann-Affäre neu aufrollen.
Ministeriumssprecher Wolfgang Brandt stellte die nach seiner Meinung
unabsichtliche Täuschung der Kontrollkommission so dar: Der V‑Mann-Führer
“Max” habe “in mehreren dienstlichen Erklärungen offenkundig nicht die
Wahrheit gesagt”, als er behördenintern die Hintergründe einer verratenen
Polizeirazzia benennen sollte. Diese Falschinformationen — die die Polizei
als Urheber des Verrats in Verruf bringen sollten — seien daraufhin mit
gutem Glauben der PKK vorgelegt worden, die für die Kontrolle des
Verfassungsschutzes zuständig ist. Laut Brandt wurden im Verfassungsschutz
gestern dienstrechtliche Ermittlungen eingeleitet.
Damit bestätigte das Innenministerium nach monatelangen Dementis Recherchen
der MAZ zu dem Verrat einer Polizeirazzia gegen 19 Neonazis durch einen
Spitzel des Verfassungsschutzes. Besondere Brisanz hatte die Razzia deshalb,
weil sie nach Informationen aus Sicherheitskreisen im Zusammenhang mit der
unbekannten Terrorgruppe “Nationale Bewegung” stand. Diese Gruppierung hatte
sich zu dem Brandanschlag auf den jüdischen Friedhof in Potsdam am 8. Januar
2001 bekannt, der bundesweit Empörung ausgelöst hatte.
Die PKK wird sich am Dienstag neu mit dem Fall befassen. Das Gremium sei
aufgrund “falscher Informationen zu falschen Positionen gelangt”, erklärte
PKK-Chef Schulze. Die Neubewertung basiert nun wesentlich auf dem Ergebnis
der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, die die Potsdamer Anklagebehörde
im Mai eingeleitet hatte. Das Ergebnis besagt: Die Razzia wurde durch den
rechtsextremen Spitzel Christian K. verraten, ferner hatte allein
V‑Mann-Führer “Max” dem Neonazi K. den Razziatermin genannt.
Nach diesen amtlich bezeugten Erkenntnissen besteht nun für die PKK in der
V‑Mann-Affäre neuer Aufklärungsbedarf. Zu klären ist beispielsweise, ob es
neben V‑Mann-Führer “Max” weitere Verfassungsschützer gab, die die wahren
Hintergründe des Razziaverrats kannten und sie dennoch gegenüber der PKK
verschwiegen. Es existiert derzeit zumindest ein deutlicher Hinweis, dass
ein V‑Mann-Führer mit dem Tarnnamen “Dirk” frühzeitig informiert war.
Im Gegensatz zum Verfassungsschutz ist die Polizei durch die Ermittlungen
der Potsdamer Staatsanwaltschaft entlastet worden. Als haltlos haben sich
insbesondere Verdächtigungen gegen den Direktor des Landeskriminalamts
(LKA), Axel Lüdders, erwiesen. Im Zusammenhang mit dem Vorwurf der
Strafvereitelung im Amt habe der “erforderliche Vorsatz nicht festgestellt
werden” können, so die Generalstaatsanwaltschaft.
V‑Mann verriet Razzia an Neonazi
(TAZ) POTSDAM dpa Ein V‑Mann des Brandenburger Verfassungsschutzes hat 2001 eine
Polizeirazzia an die Neonaziszene verraten. Damit haben die Ermittlungen den
Vorwurf des Geheimnisverrats durch den rechtsextremen Spitzel Christian K.
bestätigt. Der Durchsuchungstermin sei dem Mann von seinem damaligen
V‑Mann-Führer mitgeteilt worden, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Ein
strafrechtlich relevantes Verhalten von Behördenmitarbeitern sei nicht zu
erkennen. Der V‑Mann hatte die polizeiliche Durchsuchung danach am 6.
Februar 2001 in einem Telefonat an Brandenburgs größten Händler für
Nazimusik (Sven S.) verraten. Das Gespräch war vom LKA abgehört
worden, weil
die Staatsanwaltschaft Potsdam gegen Sven S. wegen Volksverhetzung
ermittelte. Dass der V‑Mann-Führer den V‑Mann über die Razzia informierte,
sei strafrechtlich nicht relevant, weil dies geschah, “um den verpflichteten
V‑Mann zu veranlassen, sich im Interesse der Geheimhaltung seiner Funktion
von der Aktion fernzuhalten”. Der in Medien erhobene Vorwurf, das LKA habe
von dem aufgezeichneten Telefonat fehlerhafte Abschriften gefertigt,
bestätigte sich laut Staatsanwaltschaft nicht.
Empörung über Lügen eines Beamten in der V‑Mann-Affäre
Parlamentarische Kontrollkommission verlangt Entschuldigung des Innenministeriums — PDS fordert Rücktritt von Schönbohm
(Tagesspiegel) Potsdam. In der Affäre um den Verrat einer Polizeirazzia durch einen V‑Mann
des Verfassungsschutzes gerät das Innenministerium unter Druck. Mit Empörung
reagierten gestern SPD und PDS auf das Ermittlungsergebnis der Potsdamer
Staatsanwaltschaft, das am Donnerstag bekannt geworden war. Demnach hat ein
Beamter des Verfassungsschutzes, der den Spitzel geführt hat, gleich in
sechs dienstlichen Erklärungen gelogen. Diese Erklärungen hatte das
Ministerium der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) vorgelegt — um zu
beweisen, dass den Verfassungsschutz in der V‑Mann-Affäre keine Schuld
trifft.
“Ich bin in höchstem Maße entsetzt und enttäuscht, dass ich von einem
Landesbediensteten eine solche Illoyalität zur Kenntnis nehmen muss”, sagte
PKK-Sprecher Christoph Schulze (SPD) dem Tagesspiegel. Das Ministerium müsse
sich bei der PKK entschuldigen. Schulze hatte bislang behauptet, es gebe gar
keine V‑Mann-Affäre. Nun sei das Vertrauen der Öffentlichkeit in die PKK
erschüttert, sagte Schulze, “und das der PKK in den Verfassungsschutz”. Nach
Informationen des Tagesspiegels wird die PKK vermutlich am Dienstag
zusammentreten, um sich erneut mit der Affäre auseinander zu setzen. Kerstin
Kaiser-Nicht, innenpolitische Sprecherin der PDS-Fraktion und Mitglied der
PKK, forderte den Rücktritt von Innenminister Jörg Schönbohm (CDU). Außerdem
sei es dringend notwendig, dass sich Ministerpräsident Matthias Platzeck
(SPD) in die Aufklärung der Affäre einschalte, “um Schaden vom Land
abzuwenden”.
In den sechs dienstlichen Erklärungen hatte der Beamte stets behauptet, er
habe dem rechtsextremen V‑Mann Christian K. nicht den Termin der für den 17.
Februar 2001 geplanten Razzia mitgeteilt. Die Staatsanwaltschaft ermittelte
jedoch, dass der V‑Mann-Führer dem Spitzel gesagt hatte, wann die Polizei
mit einer größeren Durchsuchungsaktion gegen die rechte Szene vorgehen
werde. Daraufhin warnte Christian K. am 6. Februar telefonisch den
Neonazi-Anführer Sven S. Das Landeskriminalamt schnitt das Telefonat mit,
die Potsdamer Polizei zog eilig die Razzia auf den 7. Februar vor. Die
Beamten fanden jedoch in den Wohnungen von 19 Neonazis nur szenetypisches
Material. Die erhofften Hinweise auf die Terrorgruppe “Nationale Bewegung”
blieben aus.
Schönbohm bestätigte gestern, die Aussagen des Beamten gegenüber der
Staatsanwaltschaft deckten sich nicht mit den Angaben in den dienstlichen
Erklärungen. Deshalb werde jetzt ein disziplinarrechtliches
Ermittlungsverfahren eingeleitet. Der Minister betonte, sein Haus habe
nichts davon gewusst, dass der V‑Mann-Führer den Spitzel über die geplante
Razzia informierte.
PKK-Sprecher Schulze will künftig verlangen, dass dienstliche Erklärungen
von Mitarbeitern des Verfassungsschutzes, die das Ministerium der Kommission
vorlegt, beeidet werden müssen. Über das weitere Vorgehen in der
V‑Mann-Affäre sind sich die Mitglieder der PKK jedoch uneinig. Schulze wies
die Forderung von Kaiser-Nicht nach Akteneinsicht als “weltfremd” zurück. Es
sei nicht zu erwarten, dass sich in den Unterlagen einer Behörde etwas
Belastendes findet. “Mein Glauben an Papier war immer schon begrenzt”, sagte
Schulze. Kaiser-Nicht will aber ihr Recht auf Akteneinsicht durchsetzen,
notfalls auch ohne die PKK.
Kontrollgremium fordert in V‑Mann-Affäre Konsequenzen
Vorsitzender Schulze: Fall wird neu aufgerollt
(LR) In der jüngsten V‑Mann-Affäre in Brandenburg hat die Parlamentarische
Kontrollkommission des Landtages (PKK) Konsequenzen gefordert.
“Das ist eine ernste Sache, Konsequenzen unter anderem in der
Personalführung müssen gezogen werden”, sagte gestern der PKK-Vorsitzende
Christoph Schulze. Zuvor hatte die Generalstaatsanwaltschaft mitgeteilt, ein
damaliger V‑Mann des Landes-Verfassungsschutzes habe 2001 eine Polizeirazzia
an die Neonazi-Szene verraten. Die Ermittlungen hatten damit den Vorwurf des
Geheimnisverrats durch den rechtsextremen Spitzel Christian K. bestätigt
(die RUNDSCHAU berichtete).
Die innenpolitische Sprecherin der PDS-Landtagsfraktion Kerstin Kaiser-Nicht
forderte, falls sich die Feststellungen der Generalstaatsanwaltschaft
bestätigten, müsse Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) die Verantwortung
übernehmen und zurücktreten.
“Auch wenn die Angelegenheit nicht strafrechtlich relevant ist, politisch
relevant ist sie allemal”, betonte Schulze. “Hier hat ein Mitarbeiter einer
Behörde mehrere falsche dienstliche Aussagen gemacht.” Die Kommission werde
den Fall jetzt erneut behandeln.
PDS-Sprecherin Kerstin Kaiser-Nicht, die ebenfalls der PKK angehört,
forderte, Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) müsse sich in die
Aufklärung des Falls einschalten. “Es darf nicht sein, dass das
parlamentarische Kontrollgremium und die Öffentlichkeit derartig an der Nase
herumgeführt werden.” Sie werde der PKK vorschlagen, als Gremium zu dem
Vorgang Akteneinsicht zu beantragen.
In einer Stellungnahme des Innenministeriums hieß es, das
Ermittlungsergebnis bestätige das Fazit einer internen Untersuchung. Diese
war ebenfalls zu dem Schluss gekommen, dass kein strafrechtlich relevantes
Verhalten von Mitarbeitern des Ministeriums und nachgeordneter Behörden
erkennbar sei.