Täter müssen zwischen sieben und zwölf Jahren in Haft -
Richter sieht kein politisches Motiv
(BM, M. Lukaschewitsch) Den Mann, den sie suchten, hatten sie nicht gefunden. Also schlugen sie einen anderen so lange, bis er starb. Gestern endete der Prozess gegen drei
Männer aus Frankfurt (O.).
Frankfurt (O.) — Drei Männer im Alter zwischen 20 und 29 Jahren sind gestern
vom Landgericht Frankfurt (O). wegen Mordes an dem 26 Jahre alten
Familienvater Enrico Sch. zu Freiheitsstrafen zwischen sieben Jahren
Jugendstrafe und zwölf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Das Gericht sah
es als erwiesen an, dass die drei in der Nacht vom 29. auf den 30. März
dieses Jahres ihr Opfer mit Tritten, Messerstichen und massiven Schlägen auf
den Kopf getötet haben. Rein zufällig geriet das Opfer, Vater eines
sechsjährigen Sohnes, in die Fänge seiner Peiniger, der Brüder Marco (29)
und Daniel Sch. (21) und ihres Freundes Stephan B. (20), alle aus Frankfurt.
Die drei hatten eigentlich den abwesenden Wohnungsinhaber Frank B. gesucht.
Der sollte nach Angaben der Täter die Freundin des Angeklagten Daniel Sch.
unsittlich berührt haben. Zudem hatte es Daniel Sch. auf eine Spielekonsole
Marke Playstation abgesehen, die er Frank B. schon länger abnehmen wollte.
Der in zerrüttetem Elternhaus aufgewachsene Daniel habe “eine gewisse
Selbstbedienungsmentalität”, so Richter Ulrich Gräbert. Wenn er etwas wolle,
nehme er sich das. Der Beutezug endete mit dem Mord an einem Unbeteiligten.
Der ehemalige Punker Enrico Sch. lag betrunken auf dem Sofa. Der 21-jährige
Daniel S. trat die Tür ein. Die drei durchsuchten die Wohnung. Als sie Frank
B. nicht fanden, versuchten die Täter Enrico Sch., den sie kannten, zu
fragen. Der reagierte jedoch kaum. Bei der Obduktion wurden drei Promille
Blutalkohol festgestellt. Die Täter hätten dann sofort zugeschlagen. Sch.
wurde mit einer Glasflasche und einem Messer malträtiert. Zu dritt traten
und prügelten sie den Wehrlosen zweieinhalb Stunden lang.
Dann verließen die Täter die Wohnung für kurze Zeit, kehrten wenig später
aber wieder zurück, um von dem arbeitslosen Enrico Sch. die Geheimnummer
seiner EC-Karte zu erfahren. Doch der regte sich nicht mehr. Auch nicht, als
ihm einer der drei neun Stiche mit dem Messer in den Oberschenkel versetzte.
Da fasste Stephan B. den Entschluss, Enrico zu töten. Richter Gräbert: “Er
setzte das Messer an und begann langsam rückwärts zu zählen.” Marco Sch.
stoppte ihn mit den Worten: “Lass nur, der stirbt eh.” Mit einer
Metallstange schlug Stephan B. dem Opfer drei Mal auf den Kopf. Dann verließ
das Trio die Wohnung.
Um 2.30 Uhr kam Wohnungsinhaber Frank B. nach Hause und fand den
Schwerstverletzten. Fünf Stunden später starb Enrico Sch. im Krankenhaus.
Auch wenn zumindest Daniel S. auffällig kurz geschoren war, sah der Richter
keine Anhaltspunkte für eine politisch motivierte Straftat. Es habe sich “um
eine wegen Nebensächlichkeiten begangene Strafexpedition” gehandelt, die
erst in der Folge in den Mord übergegangen sei. Die Mutter des Opfers, die
den gesamten Prozess verfolgt hatte, schaute den drei Angeklagten gestern
immer wieder tief in die Augen. Nach einer halben Stunde hielt sie es mit
den Mördern ihres Sohnes nicht mehr aus und ging.
Hohe Strafen für Mörder eines Arbeitslosen
Drei junge Männer folterten Enrico S. zu Tode
(Berliner Zeitung, Katrin Bischoff) Die Männern auf der Anklagebank verheimlichen ihre Gesinnung nicht. Daniel
S. etwa, den der Staatsanwalt für einen “gefährlichen Intensiv-Kriminellen”
hält, hat sich den Schädel glatt rasiert. Er trägt ein Sweatshirt mit einem
in der rechtsradikalen Szene typischen Aufdruck. Das Opfer Enrico S.
hingegen war in der Berliner Straße von Frankfurt (Oder) als Punk bekannt.
Doch der Mord soll nicht politisch motiviert gewesen sein. Das Opfer “war
einfach zur falschen Zeit am falschen Ort”, sagt Gräbert.
Es war die Nacht zum 29. März dieses Jahres. Das Trio traf sich in der
Wohnung von Marco S. Dort sollte der 29-Jährige auf seine beiden kleinen
Kinder aufpassen, während seine Frau in der Klinik das dritte Baby
erwartete. Die drei Männer feierten “mit viel Alkohol die Freilassung des
jüngeren Bruders aus dem Gefängnis”, sagt Gräbert.
Die Freundin von Daniel S. rief an und teilte mit, sie sei von einem
Mitbewohner “begrapscht” worden. Die drei Täter machten sich auf, die Tat zu
sühnen. Sie traten, so schildert es der Richter, die Wohnungstür ein, hinter
der sie den “Grapscher” vermuteten. Doch sie trafen auf Enrico S., der in
der Wohnung seinen Rausch ausschlief. “Noch bevor der junge Mann zu sich
kommen konnte, wurde er geschlagen und getreten”, sagt Gräbert. Enrico S.
konnte sich nicht mehr wehren. Auch nicht, als der 110 Kilogramm schwere
Stephan B. immer wieder auf ihn sprang. Schließlich stach einer der Männer
ein Messer in Enricos linkes Bein.
Mit der Geldbörse des Opfers, einem Handy und einer Spielkonsole verließen
die Täter die Wohnung, ließen den schwer Verletzten zurück. Doch als sie
eine Kreditkarte in der Geldbörse fanden, drehten sie um, um die
Geheimnummer zu erpressen. In der Wohnung stachen sie auf das rechte Bein
Enricos ein. Doch der rührte sich nicht mehr. Der jüngste des Trios hielt
ihm das Messer an den Kopf, um ihn zu töten. Doch mit den Worten, lass, der
stirbt sowieso, sei Stephan B. von dieser Tat abgehalten worden, sagt der
Richter. “Er hat sich dann eine Metallstange geholt und sie dem Opfer
dreimal mit voller Wucht auf den Kopf geschlagen”, sagt Gräbert. Er habe ihn
umbringen wollen, um zu verhindern, dass Enrico S. zur Polizei geht. “Die
Brüder haben die Wohnung verlassen, das ist Mord aus Unterlassung”, so
Gräbert.
Undine Weyers, die Anwältin der Mutter Enricos, sagt, es sei nicht nur für
die Mutter bitter. Das Opfer hinterlässt einen fünfjährigen Sohn.”
Punker brutal zu Tode geprügelt
Die drei Täter erhalten hohe Haftstrafen
(MAZ, Rose Black) FRANKFURT (ODER) “Das Opfer war zur falschen Zeit am falschen Ort”, sagte
Richter Ulrich Gräbert gestern in der Urteilsverkündung vor dem Landgericht
Frankfurt (Oder). Wegen Mordes, versuchter schwerer räuberischer Erpressung,
schwerem Raub und gefährlicher Körperverletzung verhängte das Gericht
gestern hohe Haftstrafen gegen die drei Angeklagten, die einen Wehrlosen
brutal geschlagen hatten, so dass ihr Opfer an den Folgen der Gewaltorgie
verstarb. Der Haupttäter Stephan B. (20) wurde zu einer Jugendstrafe von
acht Jahren, Daniel S. (21) zu sieben Jahren Jugendstrafe und sein Bruder
Marco S. (29) zu zwölf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
Ein “gemeinschaftlich begangener Mord”
Was war geschehen? Die Täter stürmen am 28. März dieses Jahres eine Wohnung
und finden dort einen Mann schlafend auf dem Sofa. Sie schlagen auf ihn ein,
treten ihn und stoßen ihm ein Messer in den Oberschenkel. Dann greifen sie
sich Geldbörse, Handy und Playstation und gehen in eine darüber liegende
Wohnung. Für ihr Opfer, Enrico Sch., ist das Martyrium noch nicht vorbei.
Nach einer Weile geht einer der Männer wieder nach unten. Als er hört, dass
der 25-Jährige röchelt, holt er seine Freunde. Einer schlägt mit einem
Metallstock auf den Kopf des Opfers ein. Erst dann verlassen sie endgültig
die Wohnung. Enrico Sch., der dort zur Untermiete lebte, wird erst nach
Mitternacht gefunden und in das Klinikum Frankfurt/Oder gebracht. Stunden
später — am 29. März 2003 — stirbt er.
“Es sieht so aus, als sollte hier mit allen Mitteln ein Mensch erledig
t
werden”, so Staatsanwalt Christoph Schüler. Über drei Monate hatte das
Gericht verhandelt. Die Angeklagten sind geständig. Viel nutzt das nicht.
Alle hatten getrunken: Weinbrand, Bier, Wodka. Ihre Erinnerungen sind
bruchstückhaft. Und so kann es über ihr Motiv nur Mutmaßungen geben. Bekannt
ist nur der Anlass für das Verbrechen. Die Drei hatten sich in Marco S.
Wohnung getroffen, als ein Anruf kam: Die Freundin seines Bruders erzählte,
sie sei von einem Kumpel belästigt worden. Ohne zu überlegen, verteilte
Marco S. Messer, gab seine zwei Kleinkinder in die Obhut eines Freundes,
dann zogen sie los. Aus unerfindlichem Grund waren sie überzeugt, der
“Grabscher” müsse sich in der Wohnung, die unter der der Freundin liegt,
aufhalten. Als sie ihn nicht antrafen, schlugen sie willkürlich auf ihr
Opfer ein. Für den Staatsanwalt ein “gemeinschaftlich begangener Mord”, aber
nicht rechtsextremistisch motiviert. Das sieht die Mutter des Opfers anders:
Enrico war Punk, als politisch links stehend zu erkennen. Darum musste er
sterben, sagte ihre Anwältin.
Täter gehören zur rechten Szene
Von der Hand zu weisen ist das nicht. Die Angeklagten, in Frankfurt (Oder)
aufgewachsen — alle haben nur einen Förderschulabschluss -, gehören zur
rechten Szene, sind einschlägig vorbestraft: Diebstahl, Raub, gefährliche
Körperverletzung, rechtsextreme Propaganda. Ihre Haare tragen sie kurz
geschoren. Aus der Untersuchungshaft schrieb einer von ihnen einen Drohbrief
nach draußen: “Die Bewegung ist überall!”
Ein zweites Verfahren kann diesem folgen: Ermittelt wird gegen einen Arzt
der Rettungsstelle des Frankfurter Klinikums. Er hatte keinen zweiten
Facharzt hinzugezogen und Enrico Sch. nicht auf die Intensivstation verlegt.
Ob es eine Chance gegeben hätte, sein Leben zu retten, sei fraglich, so ein
medizinischer Gutachter.
Zwölf Jahre Haft für brutalen Mord an einem Punk
Drei Männer folterten 25-Jährigen zu Tode Gericht sah keine Anzeichen für
politisch motivierte Straftat
(Tagesspiegel, Sandra Dassler) Frankfurt (Oder). Ungerührt, fast ein wenig triumphierend nehmen die drei
Männer auf der Anklagebank das Urteil hin. Die ihnen gegenüber sitzende,
verhärmt wirkende Frau kann hingegen kaum ihre Enttäuschung verbergen: “Ich
bin schockiert”, sagt sie später: “So milde Strafen. Dabei haben sie meinen
Sohn auf brutalste Weise ermordet.”
Der 29-jährige Marco S. muss zwölf Jahre hinter Gitter. Sein 21-jähriger
Bruder Daniel erhielt eine Jugendstrafe von sieben Jahren, Stephan B. (20)
ebenfalls eine Jugendstrafe von acht Jahren Haft. Das Landgericht Frankfurt
(Oder) befand die drei Männer gestern des gemeinschaftlichen Mordes für
schuldig. Es sah es als erwiesen an, dass sie in der Nacht zum 29. März
dieses Jahres den 25-jährigen Enrico S. so massiv misshandelten, dass er
wenig später verblutete.
Das Opfer hatte sich zufällig in der Wohnung eines Bekannten aufgehalten.
Dieser hatte angeblich die Freundin eines der drei Schläger “belästigt”.
Deshalb drangen die drei in seine Wohnung ein, um ihm einen Denkzettel zu
verpassen und seine Playstation zu stehlen. Doch der Gesuchte war nicht zu
Hause. Nur Enrico S. schlief betrunken auf einer Couch. Die Männer schlugen
immer wieder auf ihn ein — mit Fäusten, Bierflaschen, einer Kaffeekanne. Sie
stachen mit Messern in seinen Unterschenkel und ließen ihn dann
blutüberströmt liegen. Aus der Wohnung entwendeten sie die begehrte
Playstation, ihrem Opfer nahmen sie das Portemonnaie ab. Als sie darin eine
EC-Karte fanden, kehrten sie zu Enrico S. zurück, um ihm die PIN-Nummer zu
entlocken. Doch der Bewusstlose war auch mit weiteren Messerstichen nicht
mehr zum Reden zu bringen. “Der stirbt sowieso”, sagte einer der Schläger.
Dann machten sie sich aus dem Staub.
Von einer “Gewaltorgie ohne Beispiel” hatte der Staatsanwalt gesprochen. Der
Vorsitzende Richter ging in der Urteilsbegründung auch auf das Umfeld der
Tat in einem Frankfurter Neubaugebiet ein. “Die Nachbarn, die das Geschehen
mitbekamen, machten die Türen zu und stellten die Fernseher lauter”, sagte
er. Anwältin Undine Weyers, die Enricos Mutter als Nebenklägerin vertrat,
hatte in ihrem Plädoyer darauf hingewiesen, dass die Täter der rechten
Skinheadszene angehörten und sich ihr Opfer — einen Punk — bewusst
ausgewählt hätten. Das Gericht sah aber keine Anzeichen für eine politisch
motivierte Straftat — auch wenn die “rechte Gesinnung der Täter nicht zu
übersehen war.”