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Ich bau’ dir ein Schloss

(Hannes Püschel) Zu ein­er Rev­o­lu­tion gehört tra­di­tionell die Besei­t­i­gung architek­tonis­ch­er Sym­bole der Besiegten durch die Sieger. Nach der »friedlichen« Rev­o­lu­tion von 1989 scheint es wichtiger zu sein, jene Gebäude wieder­herzustellen, die aus ide­ol­o­gis­chen und prag­ma­tis­chen Motiv­en in der Anfangszeit der DDR beseit­igt wur­den. Auch in Pots­dam, wo das 1960 gesprengte Stadtschloss wieder errichtet wer­den soll. Die architek­tonis­che Ver­gan­gen­heits­beschwörung wird hier von Kom­mu­nal- und Lan­despoli­tik­ern unter­stützt. Vor allem Matthias Platzeck, Min­is­ter­präsi­dent Bran­den­burgs, ehe­ma­liger Ober­bürg­er­meis­ter Pots­dams und kurzzeit­iger SPD-Vor­sitzen­der, macht sich dafür stark. 

Platzecks poli­tis­che Lauf­bahn begann in der Pots­damer Bürg­er­rechtsszene der achtziger Jahre. Deren wichtig­ste Ziele waren nicht etwa Reise­frei­heit und freie Wahlen, son­dern die Bewahrung his­torisch­er Architek­tur vor Ver­fall und »indus­triellem Woh­nungs­bau«. Damit wur­den die Grüp­pchen, aus denen sich später Poli­tik­er von SPD und Grü­nen rekru­tieren soll­ten, zur Vertre­tung der »alten Pots­damer«. Es han­delt sich dabei um Reste des Milieus aus Gen­er­al­switwen, Hofliefer­an­ten und Beamten, das bis 1945 charak­ter­is­tisch für die Gar­nisons- und Res­i­den­zs­tadt war. 

Fol­gerichtig wurde 1990 auf dem Alten Markt, dem Ort, an dem sich einst das Schloss befand, ein im Bau befind­lich­es The­ater abgeris­sen, um den Platz für das Schloss frei zu hal­ten. Das Schloss wurde zum zen­tralen poli­tis­chen Bezugspunkt in der Stadt­pla­nung nach 1990. 

Als Aus­druck dessen fir­miert die gegen die Linkspartei als stärk­ste Frak­tion in der Stadtverord­neten­ver­samm­lung regierende informelle Koali­tion aus SPD, CDU und Grü­nen unter dem Namen »Stadtschlosskoali­tion«. Die Mei­n­ung der Linkspartei zum Wieder­auf­bau ist zwiespältig. Im Wahlkampf plakatierte sie »Das Schloss kann warten«. Viele ihrer Mit­glieder und Wäh­ler erwarten, dass sich die Partei gegen das Schloss stellt. Wol­fram Mey­er­höfer von der Wäh­lerge­mein­schaft »Die Andere«, Mit­glied im Beirat Pots­damer Mitte und ein­er der pro­fil­iertesten Kri­tik­er der Wieder­auf­bau­pläne, ver­mutete im Gespräch mit der Jun­gle World, die Ursache für die »ambiva­lente Hal­tung« der Linkspartei seien »nicht aufgear­beit­ete Schuldge­füh­le hin­sichtlich des Abriss­es des Schlosses«. 

Die Wäh­lerge­mein­schaft hat ihre Wurzeln in der Haus­be­set­zer­szene, die Anfang der neun­ziger Jahre die Innen­stadt prägte. Derzeit ist sie die schärf­ste Geg­ner­in der Auf­bau­pläne. Im Jahr 2004 beschloss der Land­tag, auf dem Alten Markt ein »in der Kubatur des Stadtschloss­es« zu errich­t­en­des Gebäude zu beziehen. Der Fernsehmod­er­a­tor Gün­ther Jauch hat­te dort 2002 mit dem Geld der Betonin­dus­trie das For­tu­na­por­tal des Schloss­es nach­bauen lassen. Jauch ste­ht für den Teil der Pots­damer Bevölkerung, der nach der Haupt­stadtwer­dung Berlins nach Pots­dam kam. In die Alt­bau­woh­nun­gen und Villen, die Pots­dam für kurze Zeit beliebt bei Haus­be­set­zern macht­en, zogen Men­schen, die auf der Suche nach noblen Wohn­la­gen in Haupt­stadt­nähe waren. 

Aus­ge­hend von einem Welt­bild, das die Geschichte Preußens glo­ri­fiziert und die der DDR dämon­isiert, sehnen sie sich wie die »alten Pots­damer« nach einem architek­tonis­chen Exorzis­mus, der durch Wieder­her­stel­lung der Pots­damer Sky­line von 1939 die Exis­tenz der DDR vergessen macht. Der harte Kern fordert ein orig­i­nal­ge­treues Schloss und lehnt ein mod­ernes Gebäude mit ein­er his­torischen Fas­sade, wie von der Lan­desregierung geplant, ab. So stimmten, als am 1. Novem­ber 2006 der Bebau­ungs­plan für den Land­tag der Stadtverord­neten­ver­samm­lung vor­lag, nicht nur die Linkspartei und »Die Andere« mit Nein, son­dern auch Abge­ord­nete, denen die vor­liegen­den Pläne nicht orig­i­nal­ge­treu genug waren. Mit 22 zu 22 Stim­men wurde das zen­trale Baupro­jekt der Nach­wen­deära abgelehnt. 

Pots­dams Ober­bürg­er­meis­ter Jann Jakobs (SPD) entsch­ied sich deshalb für eine zweite, ange­blich alles entschei­dende Abstim­mung. Sollte »die klaf­fende Wunde am Herzen der Stadt« nicht geschlossen wer­den, sahen die Schloss­be­für­worter Inve­storen die Flucht ergreifen und dro­ht­en gar selb­st mit Wegzug. 

Als am 14. Novem­ber 2006 in geheimer Abstim­mung der Bebau­ungs­plan mit 27 zu 24 Stim­men abgelehnt wurde, brach ein Sturm der Entrüs­tung los. Schloss­nos­tal­gik­er trafen sich zu »Mon­tags­demon­stra­tio­nen«, und Jauch teilte den Pots­damern in der Lokal­presse seine Ent­täuschung über ihre Undankbarkeit mit. 

Um den Bebau­ungs­plan für das »Land­tagss­chloss« doch noch durch die Stadtverord­neten­ver­samm­lung zu bekom­men, plante die SPD schließlich eine Bürg­er­be­fra­gung, deren Ergeb­nisse in ein­er drit­ten Abstim­mung Berück­sich­ti­gung find­en sollen. Gemein­sam beschlossen SPD, Linkspartei und CDU, den Pots­damern die Frage vorzule­gen, an welchen Ort der Stadt sie sich den Land­tag wünschten. 

Dabei standen zur Wahl: der Stadtschloss­grun­driss, eine Indus­triebrache mit ungek­lärten Eigen­tumsver­hält­nis­sen, ein Grund­stück, für das kein­er­lei Vor­pla­nun­gen existieren, und »son­stige« Flächen. Der Verbleib im bish­eri­gen Gebäude, dessen Sanierung die Hälfte eines Neubaus am Alten Markt kosten würde, fiel unter die Rubrik »son­stige«. Nur »Die Andere« kri­tisierte die Auswahl scharf. Vorige Woche wurde das Ergeb­nis bekan­nt gegeben: Mit 43 Prozent der abgegebe­nen Stim­men liegt der Stadtschloss­grun­driss bei den Pots­damern ganz vorne. 

Mey­er­höfer glaubt, die Linkspartei habe sich »auf diese Befra­gung eingel

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