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Ich hatte denen doch nichts getan”

(Tagesspiegel, 23.02.2005) Frank­furt (Oder) — Der Mann sieht furcht­bar aus. Eine größere Wunde auf
dem Hin­terkopf ist immer noch nicht richtig ver­heilt, bis in den Nacken
ist die Haut rötlich gefleckt. Jür­gen W. ist entstellt, sein Kör­p­er war
weit­flächig ver­bran­nt. “Ich hat­te denen doch nis­cht jetan”, nuschelt W.,
bevor er zur Zeu­gen­vernehmung in den Gerichtssaal geht. Dort sitzen die
bei­den Män­ner, von denen zumin­d­est ein­er zugibt, ihn angezün­det zu
haben. Dass Jür­gen W. das Feuer über­lebt hat, im Kranken­haus halbwegs
wieder­hergestellt wurde und jet­zt ins Landgericht Frank­furt (Oder)
kom­men kann, über­schre­it­et schon angesichts sein­er sicht­baren Nar­ben die
Vorstellung. 

Die bei­den Angeklagten blick­en zunächst eher unbeteiligt, als W. den
Saal betritt. Steven G. und Ste­fan K. sind angeklagt, in der Nacht zum
16. Juni 2004 in einem Park in Beeskow den damals obdachlosen W. beraubt
und seine Jacke angezün­det zu haben. Die Staat­san­waltschaft spricht von
ver­suchtem Mord. Steven G. hat zu Beginn des Prozess­es vor ein­er Woche
alles zugegeben. Ste­fan K. sagte, er sei damals rechtzeit­ig abgehauen
und deshalb unschuldig. Jür­gen W. kann gestern so gut wie nichts zur
Aufk­lärung beitra­gen. “Ich kann mich nicht erin­nern”, sagt er. Erst im
Kranken­haus in Berlin habe er mit­bekom­men, was ihm geschah. 

Die Befra­gung im Gericht dauert nur eine halbe Stunde. Am Ende meldet
sich der Angeklagte Steven G. “Ich wollte ein­fach nur sagen, dass es mir
leid tut, was wir gemacht haben.” Jür­gen W. antwortet schwach,
“weswe­gen, weißte auch nicht”. Draußen, auf dem Gerichts­flur, erzählt W.
noch in abge­hack­ten Sätzen aus seinem Leben. Dass er Mau­r­er war, schon
zu DDR-Zeit­en die Arbeit ver­loren habe, an epilep­tis­chen Anfällen leide
und in Beeskow im Obdachlosen­heim genächtigt habe — oder eben auf der
Park­bank, auf der er dann angezün­det wurde. Hil­fe erhält W. vor allem
von einem Sozialpäd­a­gogen, den das Amts­gericht Fürsten­walde 2001 als
Betreuer einge­set­zt hat. Nach der Tat sorgte dieser dafür, dass Jürgen
W. aus dem Obdachlosen­m­i­lieu her­auskam und jet­zt in ein­er kleinen
Woh­nung lebt, mit der Hil­fe ein­er per­ma­nen­ten Hauskrankenpflege. 

Es treten dann Zeu­gen auf, die mit den Angeklagten bekan­nt sind. Ein
junger Mann sagt, er sei am Tatort vor­beigekom­men und habe mit Ste­fan K.
kurz gesprochen, während Steven G. öfter zu W. “Pen­ner” gerufen habe.
Das soll vor dem Brand gewe­sen sein — am näch­sten Tag, so der Zeuge,
habe K. ihm erzählt, er habe W. “ange­bran­nt”. Zur Polizei ging der Zeuge
jedoch nicht. /Frank Jansen/

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