(MARLIES SCHNAIBEL, MAZ) BRIESELANG/BERLIN Mancher fragt offen, mancher druckst erst ein bisschen herum: “Ja, sind Sie denn Jude?” “Nö”, antwortet Kay Forster beherzt. Er ist Beisitzer im Vorstand des Förderkreises “Denkmal für die ermordeten Juden Europas”. In diesen Verein ist er irgendwie zufällig reingeraten — und irgendwie doch ganz zwingend, wenn man sich Kay Forster und seinen Lebensweg anschaut.
Ungewöhnliche Wege
Geboren 1944 im thüringischen Apolda, gab ihm seine Mutter nicht einen damals gängigen Vornamen wie Dietrich oder Horst, sondern wählte Kay. Nicht das einzig Ungewöhnliche an dem Thüringer, der in Apolda sein Abitur machte. Er unternahm seinen ersten Fluchtversuch in Richtung Westen, wurde geschnappt, danach war an Studieren nicht mehr zu denken. Forster lernte Industriekaufmann, arbeitete in Ostberlin — und unternahm seinen zweiten Fluchtversuch, diesmal in Form eines Ausreiseantrages. Daneben machte er das, was ihn seit der Kindheit an begeisterte: Er spielte Musik auf den schwarz-weißen Tasten, arbeitete als Tontechniker in der Klaus-Lenz-Band. All das machte den jungen unbequemen, lebenslustigen Mann bei den besorgten Staatsorganen doppelt verdächtig. Forster wurde in den Biermann-Wirren verhaftet und wegen “staatsfeindlicher Hetze in schwerem Fall” verurteilt. “Wir hätten uns zu Handlangern des Imperialismus gemacht, argumentierte damals die Richterin”, erzählt Kay Forster im Andekdotentonfall, “aber damals war uns nicht zum Lachen zu Mute.” 1978 wurde er aus der Haft freigekauft, kam unter der Formel “Familienzusammenführung” in den Westen. “In den tiefsten Westen”, sagt Kay Forster und meint Wuppertal. Da hielt es ihn nicht lange. Ende 1978 war er wieder in Berlin, diesmal auf der Westseite. Vier Kilometer von der alten Wohnung entfernt. Beruflich versuchte er sich in der Werbung, das gelang, wohl auch, weil Kay Forster einer ist, der sich mit voller Kraft für eine Sache einzusetzen vermag.
Große Liebe bleibt die Musik
Aber nicht nur beruflich strotzt Kay Forster vor Kraft, Elan, Ideen und Humor. Seit mittlerweile 25 Jahren spielt er bei der Berliner Rockband “Blackmail”. Brieselang, wo er nach dem Mauerfall ein Häuschen im Grünen baute — “das war weniger der Stadtflucht, als vielmehr die Verführung durch ein geerbtes Grundstück meiner Frau” — machte er nicht nur zur privaten Wohninsel, sondern hier mischte er sich aktiv ein: Im Förderverein des Märkischen Künstlerhofes trugen in den letzten Jahren viele Veranstaltungen, Aktionen und Konzepte seine Handschrift.
Arbeitsort blieb weiter Berlin, wo Kay Forster noch heute eine Agentur für Außen- und Verkehrsmittelwerbung betreibt. Sie war es auch, die ihn vor fast zehn Jahren zum Förderkreis “Denkmal für die ermordeten Juden Europas” führte. Damals besucht er als Gasthörer das Institut für Kultur- und Medienmanagement, das an der Musikhochschule “Hanns Eisler” angesiedelt war. Zu der Zeit fragte besagter Förderkreis an, ob Studenten Projekte erarbeiten mögen, für Öffentlichkeitsarbeit, Spendenaktionen und Mitgliedergewinnung. Eine kleine Gruppe, darunter Kay Forster, machte sich daran. Der Förderkreis war von den Vorschlägen sehr angetan und als seine Vorsitzende Lea Rosh eines Tages Kay Forster fragte, ob er sich vorstellen könnte, im Vorstand mitzuarbeiten, da hat er ziemlich schnell ja gesagt. Ein bisschen hat er dabei auch an seinen Freund Werner gedacht, der Auschwitz überlebt hat.
Mit der für Kay Forster typischen Mischung aus Elan und Lebenslust stürzte er sich in die Arbeit. Seit Jahren wirbt er für das Denkmal, sammelt Spenden und überzeugt Mitstreiter. Mehrmals hat er Gruppen durch das große Stelenfeld geführt und geduldig deren Fragen beantwortet: Wie groß sind die Stelen? (Zwischen 20 Zentimeter und 4,7 Meter); Wie viele Stelen sind es? (2711); Wie groß ist der Abstand zwischen den Stelen? (95 Zentimeter); Was wiegt eine Stele? (Durchschnittlich acht, die größte 16 Tonnen)
Und Kay Forster weiß auch, dass die technischen Parameter schnell abgearbeitet sind, dass sie den Mord an sechs Millionen Menschen nicht erklären können und dass jeder Besucher seinen eigenen Weg durch das Denkmal und zu sich finden muss. Zu diesem Denkmal von Peter Eisenman, das auch ein Kunstwerk und eine Metapher ist, passt kein universeller Interpretationsschlüssel.
Weitermachen für den Raum der Namen
Und Kay Forster erklärt, warum sich der Förderkreis nicht aufgelöst hat, als klar war, das Denkmal wird gebaut und der deutsche Staat bezahlt. “Wir sammeln weiter Geld”, sagt er kurz und knapp. Das Geld ist für den Raum der Namen im Ort der Informationen unter dem Stelenfeld. Die Namen von vier Millionen ermordeten Juden sind bekannt, sie wurden von Yad Vashem in Jerusalem, der wichtigsten Holocaust-Gedenkstätte der Welt, gesammelt und diese Liste wurde erstmals einer anderen Institution zur Verfügung gestellt. Der Förderkreis setzt sich dafür ein, dass diese Namen audiovisuell aufbereitet werden können.
www.holocaust-denkmal- berlin. de