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Antifaschismus

Identitärer an der Viadrina

In diesem Artikel wollen wir uns mit Jan­nik Brämer, Stu­dent an der Europa-Uni­ver­sität Viad­ri­na, der als Kopf der Iden­titären Bewe­gung Berlin-Bran­den­burg (IBBB) gilt, beschäfti­gen. Durch ein Porträt von ihm und seinen Aktiv­itäten wollen wir einen Ein­druck von der erstark­enden „Neuen Rechte“ geben, zu deren Vertreter*innen er gehört.
Brämer studiert min­destens seit dem Win­terse­mes­ter 2016/2017 an der Europa-Uni­ver­sität Viad­ri­na in Frank­furt (Oder) im Stu­di­en­gang Rechtswis­senschaften. Neben seinem Studi­um betätigte er sich als Schatzmeis­ter der „Jun­gen Alter­na­tive“ (JA), der Jugen­dor­gan­i­sa­tion der AfD. In diesem Zusam­men­hang ist er im Novem­ber 2016 in den Vor­stand des Lan­desver­bands Berlin als Schatzmeis­ter gewählt wor­den.(1) Darüber hin­aus trat er erfol­g­los bei der Bezirksverord­neten­ver­samm­lungswahl 2016 in Berlin für die AfD für ein Man­dat in der Bezirksverord­neten­ver­samm­lung in Berlin-Char­lot­ten­burg-Wilmers­dorf an.(2)

Brämer (links) zusammen mit JA-Berlin Landesvorstand Thorsten Weiß (mitte) und weiteren Landesvorstandsmitgliedern. Quelle: antifa-berlin.info
Brämer (links) zusam­men mit JA-Berlin Lan­desvor­stand Thorsten Weiß (mitte) und weit­eren Lan­desvor­standsmit­gliedern. Quelle: antifa-berlin.info

Neben sein­er Tätigkeit für die recht­skon­ser­v­a­tive AfD ist er in ein­er weit­eren Grup­pierung aktiv, die im Habi­tus und Auftreten der „Jun­gen Alter­na­tive“ nicht so fremd ist und auch zu anderen (recht­en) Grup­pen Par­al­le­len aufweist: Die „Iden­titären Bewe­gung“ (IB). Obwohl es offiziell eine Unvere­in­barkeit­serk­lärung zwis­chen der AfD bzw. ihrer Jugen­dor­gan­i­sa­tion mit der IB gibt und immer wieder entsprechende State­ments von der Parteiführung veröf­fentlicht werden,[3] zeigt der Fall Jan­nik Brämer, dass diese lediglich Lip­pen­beken­nt­nisse sind.
Jannik Brämer als Ordner auf der Demonstration der „Identitären Bewegung“ am 17. Juni 2016 in Berlin. Quelle: Theo Schneider
Jan­nik Brämer als Ord­ner auf der Demon­stra­tion der „Iden­titären Bewe­gung“ am 17. Juni 2016 in Berlin. Quelle: Theo Schneider

Das Auftreten der IB passt zum Konzept der soge­nan­nten „Neuen Recht­en“, die sich betont intellek­tuell gibt und ver­sucht, Nation­al­is­mus und Ras­sis­mus salon­fähig zu machen. Die IB zieht mit ihren aktion­sori­en­tierten Auftreten vor allem jün­gere Anhänger*innen an(4)
Ent­standen ist die europaweit agierende IB in Frankre­ich unter dem Namen „Le Bloc iden­ti­taire – Le mou­ve­ment social européen“.(5) Als Vorgänger des „Bloc iden­ti­taire“ gilt „Unité rad­i­cale“(6) (UR). Diese ist seit 2002 auf­grund eines Mord­ver­suchs auf den damals amtieren­den Präsi­den­ten Jacques Chirac ver­boten.(7) Die Ide­olo­gie des „Bloc Iden­ti­taire“ ste­ht für ein ethno­plu­ral­is­tis­ches Europa,(8) welch­es sie kul­tur­al­is­tisch begrün­den. Die Idee eines „Europa der Vater­län­der“(9) und ein­er „europäis­chen Kul­tur“, die gegen ein ver­meintlich bedrohlich­es Außen vertei­digt wer­den muss, sind die Kern­stücke der Ide­olo­gie. Sie streben eine soge­nan­nte „Rück­gewin­nung“ nationaler Iden­titäten in Europa an.
Die IB in Berlin-Brandenburg
In Deutsch­land tauchte die IB zum ersten Mal im Jahr 2012 via Face­book auf. Inner­halb kurz­er Zeit kon­nten sie den Rah­men des Inter­nets als Aktion­sraum ver­lassen und ist ins­beson­dere seit 2015/2016 mit medi­en­aufmerk­samen Aktio­nen in die Schlagzeilen gekom­men. Als die vier Säulen ihrer poli­tis­chen Arbeit beze­ich­nen sie „Metapolitik“[10], d.h. für die IB jene poli­tis­che Arbeit, die „mei­n­ungs­bildend im öffentlichen Raum“[11] wirkt, und ver­ste­hen sich selb­st als „demokratis­ch­er Akteur“. Die weit­eren drei Säulen sind „Aktivis­mus – Gemein­schaft – Ausbildung“[12]. Ganz neu ist das Konzept der IB in Deutsch­land jedoch nicht. Bere­its 2007 ini­ti­ierte Götz Kubitschek, ein­er der Vor­denker der „Neuen Recht­en“ die „Kon­ser­v­a­tiv-Sub­ver­sive Aktion“ (KSA), welche eben­falls durch spek­takuläre Aktio­nen aufge­fall­en war.[13] Inspiri­ert hat­te sich Kubitschek bei linken Bewegungen.[14]
Als ein­er der aktivsten Grup­pen der IB Deutsch­land gilt der Ableger in Berlin-Bran­den­burg.(15) Öffentlich vertreten wird sie durch den 25-jähri­gen Robert Timm, der an der TU Cot­tbus Architek­tur studiert. Neben ihm ist Jan­nik Brämer Kopf der Region­al­gruppe. Er war an mehreren öffentlichkeitswirk­samen Aktio­nen der „Iden­titären Bewe­gung Berlin-Bran­den­burg“ (IBBB) beteiligt In der Bun­des­or­gan­i­sa­tion der IB Deutsch­land war er zulet­zt auch für deren Home­page verantwortlich.
Die IBBB trat das erste Mal in der Öffentlichkeit mit dem „Besuch“ ein­er Sitzung der Bezirksverod­neten­ver­samm­lung im März 2013 in Berlin-Reinick­endorf auf. Hier störten sie den Diskurs über ein im Bezirk neu zu entste­hende Gemein­schaft­sun­terkun­ft für Asyl­suchende.(16) 2015 klet­terten sie auf den Balkon des Willy-Brandt-Haus und hängten ein Trans­par­ent mit der Auf­schrift „Stoppt den großen Aus­tausch!“; an dieser Aktion war Jan­nik Brämer bere­its beteiligt.(17) Die Kam­pagne „Stoppt den Großen Aus­tausch“ ist eine Idee der öster­re­ichis­chen Iden­titären, die 2015 von den deutsche Iden­titären über­nom­men wurde.[18] „Der große Aus­tausch“ beschreibt die Vorstel­lung, dass sog. Völk­er gegen neue aus­ge­tauscht wür­den. Dies sei, so die Vertreter*innen der Idee, ein Plan der jew­eili­gen Regierun­gen, um unlieb­same Bevölkerung­steile los zu werden.
2016 wurde von der IB der „Som­mer des Wider­stands“(19) aus­gerufen, der eine Rei­he Aktio­nen fol­gen ließ, bei der wenig Per­so­n­en einen große Öffentlichkeit erre­ichen. Das Mobile Beratung­steam Berlin resümiert die Aktions­form der Iden­titären wie fol­gt: „Eine über­schaubare Zahl von Iden­titären taucht über­raschend auf und ver­schwindet in der Regel eben­so schnell wieder. Sie wählen dafür sym­bol­isch aufge­ladene Orte, an denen kein nen­nenswert­er Wider­stand zu erwarten ist. Ihre Aktio­nen bedi­enen eine pop­kul­turelle Ästhetik und wer­den mit pro­fes­sionellen Videobeiträ­gen in den sozialen Net­zw­erken auf- und nach­bere­it­et“(20). Als Teil des „Som­mer des Wider­stands“ rief die Iden­titäre Bewe­gung auf ihrer Face­book­seite für Spenden auf, so dass sich die Gruppe Leit­ern zum Besteigen von Gebäu­den leis­ten kann.[21] Die Aktio­nen nehmen meis­tens in Kauf, dass die Aktivist*innen juris­tis­che Kon­se­quen­zen tra­gen müssen, zumal die IB ihre eige­nen Aktio­nen, wie die soge­nan­nten Beset­zun­gen öffentlich­er Gebäude, oft selb­st filmt und dokumentiert.
Jan­nik Brämer war bei ein­er solchen Aktion, der soge­nan­nten Beset­zung der CDU-Zen­trale am 21. Dezem­ber let­zten Jahres in Berlin beteiligt. Die Iden­titären woll­ten mit der Block­ade der CDU-Zen­trale das Gespräch mit einem Ver­ant­wortlichen der CDU erzwingen.
Außer­dem war Brämer an ein­er Aktion gegen einen RBB-Stand beteiligt[22], die eben­falls als Teil der Kam­pagne „Stoppt den großen Aus­tausch“ war. Hier störten eine Hand­voll Iden­titäre einen RBB-Stand, welchen sie als Teil der soge­nan­nten Lügen­presse zu iden­ti­fizieren glauben.
Brämer war auch Teil­nehmer mehrerer Bärgi­da-Demon­stra­tio­nen.(23) Er ist auf Demon­stra­tio­nen stets in ver­ant­wortlich­er Posi­tion aktiv, wie als Ord­ner und Megaphon­sprech­er. Bei dem gescheit­ertem Ver­such der Beset­zung des Bun­desjus­tizmin­is­teri­um durch die IB am 19.05.2017 in Berlin fuhr er einen Trans­porter und war somit in die logis­tis­che Vor­bere­itung der Aktion einge­bun­den. Während die Polizei dies ver­hin­derte, floh Brämer in einem Auto und über­fuhr beina­he einen Zivilpolizis­ten.(24) Der daraufhin per Haft­be­fehl gesuchte Brämer wurde im Anschluss seine Mit­glied­schaft in der AfD und deren Jugen­dor­gan­i­sa­tion „Junge Alter­na­tive“ ent­zo­gen.(25) Laut eige­nen Aus­sagen vom 30. August 2017 läuft das Auss­chlussver­fahren noch. Brämer, der sich auf sein­er Seite als Opfer ein­er Hex­en­jagd insze­niert, hat Beru­fung gegen das Auss­chlussver­fahren eingereicht.[26] Auf sein­er Face­book­seite mit dem passenden Titel­bild „Akte Brämer“ find­en sich etliche Beiträge, in denen er beispiel­sweise die Berichter­stat­tung über seine Flucht mit der über den Anschlag von Anis Amri auf den Wei­h­nachts­markt am Bre­itschei­d­platz vergleicht.[27]
Zwis­chen AfD, IB und Burschenschaft
An Jan­nik Brämer wird exem­plar­isch deut­lich, wie sehr Iden­titäre und AfD, trotz offizieller Demen­tierun­gen, miteinan­der ver­bun­den sind. Engagiert sowohl bei der AfD sowie bei der extrem recht­en IBBB gilt er als Bindeglied zwis­chen bei­den in Berlin. Er war zugle­ich für bei­de Grup­pen aktiv und schaffte es, in ver­schiedene Rollen zu schlüpfen. Ein­er­seits als aktion­sori­en­tiert­er Iden­titär­er, im sportlichen schwarzen Out­fit, ander­er­seits als Anzugträger auf AfD-Ver­anstal­tun­gen. Jan­nik Brämer schafft es als All­rounder in den beson­ders aktiv­en recht­en Bewe­gun­gen der recht­spop­ulis­tis­chen AfD und den Iden­titären in hohen Posi­tion Poli­tik zu betreiben. Neben­bei bemerkt: Es existiert in Berlin auch eine inhaltlich-organ­isatorische Über­schnei­dung: Die „Bib­lio­thek des Kon­ser­vatismus“(28) in Char­lot­ten­burg, die ein wichtiger Think Tank für bei­de Grup­pierun­gen ist. Sie soll eine „kaum existente[n] Recht­saußen-Intel­li­genz“(29) fördern, so Dieter Stein, Redak­teur der neurecht­en Wochen­zeitung „Junge Freiheit“.
Auch wenn Brämer nach der gescheit­erten Aktion am Bun­desjus­tizmin­is­teri­um kein Schatzmeis­ter mehr ist(30), sind seine Kon­tak­te trotz­dem noch vorhan­den und er wird sie für seine weit­ere poli­tis­che Arbeit nutzen.
Über seine Aktiv­itäten bei den bei­den Organ­i­sa­tio­nen hin­aus ist Brämer Mit­glied der pflichtschla­gen­den Burschen­schaft „Berlin­er Burschen­schaft Gothia“[31], die im recht­skon­ser­v­a­tiv­en Milieu anzusiedeln ist.(32)
Selbstporträt Brämers mit Schärpe der Burschenschaft Gothia Berlin. Quelle: pictagram-account von J.Brämer
Selb­st­porträt Brämers mit Schärpe der Burschen­schaft Goth­ia Berlin.
Quelle: pic­ta­gram-account von J.Brämer

Patri­o­tis­che Geschäfte
Sein Know How aus dem Studi­um der Rechtswis­senschaften scheint der Iden­titäre Brämer in dem jüngst gegrün­de­ten recht­en Mode-Label „Cuneus Cul­ture“, mit dem Sitz in der Helmholzs­traße 40 in Berlin-Char­lot­ten­burg, anzuwen­den. „Cuneus“ ist eine erfol­gre­iche Mil­itär­fo­ma­tion aus dem spätrömis­chen Reich. Sich­er kein Zufall, dass das Label nach dieser For­ma­tion, die ins­beson­dere unter Ger­ma­nen beliebt gewe­sen ist, benan­nt ist. Seit 2016 ste­hen Stick­er und Ober­bek­lei­dung unter dem Label „patri­o­tisch – stil­voll“ im Ange­bot. Jüngst taucht­en auch in der Nähe der Viad­ri­na Stick­er seines Labels auf, einem Post auf sein­er Face­book­seite ist zu ent­nehmen, dass er diese selb­st verklebt hat.[33]
Brämers Insze­nierung in den sozialen Medi­en strotzt von Narziss­mus und der Annahme, dass sich die gesamte Bun­desre­pub­lik mit ihm beschäftigt. Neben etlichen Inter­views, Fotos und Bericht­en möchte er der „Lügen­presse“ seine Wahrheit ent­ge­gen­hal­ten. In diesem Zusam­men­hang veröf­fentlicht er auch Briefe der Staat­san­waltschaft oder andere Details aus dem Ver­fahren. Diese Insze­nierung ist deck­ungs­gle­ich mit der Selb­st­darstel­lung der IB im all­ge­meinen, die auf eine Stil­isierung als Opfer in ein­er holzschnit­tar­ti­gen Analyse der Gesellschaft in Gut und Böse zielt. Umso mehr ist es alarmierend, dass Brämer einen rechtswis­senschaftlichen Abschluss anstrebt. Derzeit besucht er an der Europa-Uni­ver­sität Viad­ri­na im drit­ten Semes­ter Vor­lesun­gen der juris­tis­chen Fakultät, u.a. erneut den Kurs „Zivil­recht I“, den er bere­its im 1. Semes­ter besuchte.
Brämer zusammen mit Geschäftspartner Karsten Vielhaber. Quelle: picbear-account von J.Brämer
Brämer zusam­men mit Geschäftspart­ner Karsten Viel­haber. Quelle: picbear-account von J.Brämer

Über Aktiv­itäten Brämers und der Iden­titären Bewe­gung in Frankfurt(Oder) ist bish­er nichts bekan­nt. Wer etwas über die Aktiv­itäten Brämers als Stu­dent an der Viad­ri­na-Uni­ver­sität weiß, kann sich ver­traulich an die recherchegruppe wenden.
Weit­ere Infos zur „Iden­titären Bewe­gung“ kön­nen dem Antifaschis­tis­chen Infoblatt(34) und der Gruppe „vonnnichts­gewusst“(35) ent­nom­men werden.

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