Eigentlich soll es bei den “Ostbrandenburger Verkehrsgesprächen” in der Berliner IHK nur um den Bau eines Oder-Donau-Kanals gehen. Doch der Einladung für die Tagung am 6. November ist eine Karte von 1938 beigefügt, die es in sich hat. VON UWE RADA
Ein Kanal, der die Oder mit der Donau, und damit die Ostsee mit dem Schwarzen Meer verbindet, das ist ein alter Traum. Kaiser Karl IV. hat ihn im 14. Jahhrundert geträumt und auch Adolf Hitler. Nun wird er erneut aus der Schublade gezogen. Und die alte Nazi-Propaganda gleich mit dazu.
Bei den 30. “Ostbrandenburger Verkehrsgesprächen”, die am 6. November im Ludwig-Erhard-Haus in den Räumen der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin stattfinden, sollen Deutsche, Polen und Tschechen sowie Teilnehmer aus anderen Ländern über eine Machbarkeitsstudie für den Bau des Oder-Donau-Kanals diskutieren. So wünscht es sich Karl-Heinz Boßan vom Frankfurter Institut für umweltorientierte Logistik (FIL), der sich seit Jahren um die Verbesserung der Verkehrswege zwischen Deutschland und Polen bemüht.
Doch ganz so harmonisch dürfte die Diskussion diesmal nicht verlaufen. Zur Einstimmung auf die Tagung hat Boßan in seiner Einladung eine Karte der “Wasserstraßen des Odergebiets” aus dem Jahre 1938 als pdf-Anhang beigefügt. Darin ist der Oder-Donau Kanal bereits als “im Bau oder geplant” eingezeichnet. Er reicht von Cosel (heute Kedzierzyn-Kozle), wo der damalige “Adolf-Hitler-Kanal” in die Oder mündet, über Ratibor und Hultschin nach Wien. Entnommen ist die Karte dem “Verein zur Wahrung der Oderschifffahrtsinteressen zu Breslau”, der sie 1938 auf dem Odertag in Frankfurt (Oder) vorgestellt hat.
Um Schifffahrtsinteressen aber ging es damals in Frankfurt nur in zweiter Linie. Ganz vorne stand die Propaganda der Oder als “Hauptstrom des Deutschen Reiches”, wie der Ost€pahistoriker Karl Schlögel von der Europauniversität Viadrina in Frankfurt recherchiert hat. Vor dem Hintergrund des Anschlusses Österreichs an Nazi-Deutschland, so Schlögel, “war der Oderweg frei bis nach Wien.” Alles, was vorher harmlose Zivilisationsarbeit gewesen sei — das Verkehrssystem, der Städtebau, die Erziehung -, habe nun einen zusätzlichen Auftrag bekommen: “den einer militanten Mission, den deutschen Geist nach Osten zu tragen.”
Aber auch schon in der Weimarer Republick sahen sich Städte wie Frankfurt (Oder), Glogau und Breslau als “Bollwerke” und “Ausfalltore” gegen den neuen polnischen Staat im Osten. Schon 1925 bereitete Frankfurts Oberbürgermeister Kinne den Boden für die späteren Odertage der Nazis, in dem er sagte: “Wir als größte Stadt in der Ostmark betrachten es als heilige Pflicht, den Wall zu bilden gegen das andringende Slawentum.”
Zwar steht der Verkehrslobbyist Boßan vom FIL bislang für das genaue Gegenteil — das Brückenbauen. “Mit einer solchen Einladung um polnische und tschechische Teilnehmer zu werben, ist aber dennoch ein starkes Stück”, ärgert sich BUND-Gewässerspezialist Manfred Krauß, der ebenfalls eine Einladung bekommen hat. In einem Brief an die IHK will Krauß nun um Aufklärung bitten.
Christina Müller-York, die stellvertretende Sprecherin der IHK, betonte gestern, dass die Ostbrandenburger Verkehrsgespräche keine IHK-Veranstaltung sei. “Wir vermieten unsere Konferenzräume im Ludwig-Erhard-Haus in der Fasanenstraße wie ein Hotel”, sagte sie.