Sie werden gekauft, geleast, getestet und ausgebeutet: Frauen aus Ost€pa
im horizontalen Gewerbe.
In den Augen von Zuhältern und Freiern sind sie eine Ware, für die einzige
Beratungsstelle ihrer Art in Brandenburg, den Frankfurter Frauenverein
«Belladonna» , hingegen Opfer von Menschenhandel und Gewalt.
Seit Mitte der 90er-Jahre sind die Streetworker nicht nur auf der deutschen
Oderseite unterwegs, um ihre Hilfe zum Ausstieg anzubieten, sondern auch auf
den polnischen Straßenstrichs und in den zahlreichen Nobelbordellen in der
Grenzregion. Seit einem halben Jahr funktioniert diese Hilfe in enger
Kooperation und Abstimmung mit den Strafverfolgungsbehörden. Sind doch die
Prostituierten auch wichtige Zeuginnen bei der Aufklärung des organisierten
Menschenhandels.
Die Frauen kommen selbst zu «Belladonna» , werden bei Razzien oder bei der
Einreise nach Deutschland an der Grenze aufgegriffen, von Polizei und BGS
aufgrund ihres illegalen Aufenthaltes jedoch nicht mehr sofort abgeschoben.
Ansprechpartner für «Belladonna» ist nunmehr eine Koordinierungsgruppe
«Zeugenschutz» im Landeskriminalamt. Nach einer Neuregelung des
Ausländergesetzes erhalten die potenziellen Zeuginnen eine Duldung von vier
Wochen.
«Bei uns in Schutzwohnungen untergebracht, können sie sich dann in Ruhe
überlegen, ob sie gegen ihre Peiniger aus dem Rotlichtmilieu aussagen
wollen» , erklärt «Belladonna» ‑Chefin Uta Ludwig. Außerdem erhalten sie
analog den Asylbewerbern Sozialleistungen. «Damit wird unter anderem eine
ärztliche Untersuchung und Betreuung finanziert» , erklärt die Helferin.
Derzeit ermittelt die Frankfurter Schwerpunktstaatsanwaltschaft für
organisierte Kriminalität in fünf Menschenhandels-Verfahren. Im Extremfall
organisiere die Polizei auf Anregung der Staatsanwaltschaft ein
Zeugenschutzprogramm inklusive einer neuen Identität.
Bei den Gewalt- und Missbrauchs-Opfern aus dem Rotlichtmilieu handelt es
sich nach Angaben von «Belladonna» stets um Frauen aus Ost€pa. Sie
entscheiden sich bewusst und aus sozialer Not dafür — einen Tageslohn von
zehn Euro könnten sie in ihren Heimatländern nie verdienen. Schätzungsweise
1300 von ihnen arbeiten in der Grenzregion östlich der Oder im horizontalen
Gewerbe. Auch die in Brandenburg arbeitenden 1000 Prostituierten stammen
überwiegend aus Ost€pa. Auf dieser Seite der Oder fänden sich jedoch
keine offiziellen Bordelle. Die versteckte Prostitution floriert über Haus-
und Hotelservice, private Swinger- und Frühstückpartys. Mit der
EU-Osterweiterung befürchtet Uta Ludwig eine Verschärfung des
Menschenhandels-Problems.