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Im Schutz der Schweigemauer

(MAZ, 17.2.) POTSDAM Recht­sex­trem­istis­che Straftat­en in Bran­den­burg wer­den vor­rangig von
Jugendlichen und jun­gen Erwach­se­nen verübt. Von den im ver­gan­genen Jahr
reg­istri­erten 105 recht­sex­tremen Gewalt- und 946 Propagandadelikten
ent­fie­len 83 Prozent auf diesen Täterkreis. Doch geschützt wer­den etliche
dieser Täter offen­bar durch eine von mitwissenden Erwach­se­nen errichtete
Mauer des Schweigens und der Gle­ichgültigkeit, wie Innen­min­is­ter Jörg
Schön­bohm (CDU) gestern in Pots­dam bei der Vorstel­lung der politischen
Krim­i­nal­itätssta­tis­tik 2004 empört feststellte. 

Beson­ders ekla­tant erscheint dieses, wie Schön­bohm rügte, “voll­ständi­ge
Ver­sagen der sozialen Leben­skon­trolle” bei der inzwis­chen aufgeklärten
Straftatenserie ein­er neon­azis­tis­chen Jugend­bande in Falkensee, die mit
Bran­dan­schlä­gen auf Döner­im­bisse auf lange Sicht sämtliche Aus­län­der aus dem
Havel­land ver­ja­gen wollte. Von dem Treiben der Unter­grund­gruppe “Freiko­rps”,
die sich derzeit als ter­ror­is­tis­che Vere­ini­gung vor dem brandenburgischen
Ober­lan­des­gericht ver­ant­worten muss, wussten oder ahn­ten zumin­d­est, laut
Schön­bohm, ein Lehrer, ein Ort­steil­bürg­er­meis­ter, ein Revier­förster — sowie
manche Eltern der Tatverdächti­gen und einige Mitschüler. Zur Polizei ging
allerd­ings nie­mand, und hätte nicht ein Revier­polizist zufäl­lig einem
Gespräch zuge­hört, hätte ver­mut­lich nie­mand die Bande aufgehalten. 

Das gesamt­ge­sellschaftliche Kli­ma in Bran­den­burg ist nach Ein­schätzung des
Innen­min­is­teri­ums der­maßen gestört, dass nicht ein­mal der hohe polizeiliche
Ver­fol­gungs­druck eine langfristrige Abschreck­ungswirkung in der Szene
ent­fal­tet. Obwohl die Aufk­lärungsquote bei recht­sex­tremen Gewalt­tat­en noch
weit über der bei der all­ge­meinen Krim­i­nal­ität liegt und im ver­gan­genen Jahr
den Spitzen­wert von 91 Prozent erzielte (2003: 82 Prozent), wächst das
Reser­voir der recht­sex­tremen Gewalt­täter offen­sichtlich. 279 Per­so­n­en wurden
im Jahr 2004 als poten­zielle Täter recht­sex­tremer Gewalt verdächtigt — das
waren fast 42 Prozent mehr als 2003, als 197 Tatverdächtige gezählt wurden.
Und unter diesen 279 ermit­tel­ten Tatverdächti­gen befan­den sich 78,9 Prozent
Erst­täter eines recht­sex­tremen Delik­tes. Eine effek­tive Ursachenbekämpfung
des Recht­sex­trem­is­mus in Bran­den­burg erfordere “das inten­sive Engage­ment von
Staat, Poli­tik, Gesellschaft und Bürg­ern”, betonte Schön­bohm — wie fast
gle­ich­lau­t­end in den Jahren zuvor. 

Eine Analyse des Innen­min­is­teri­ums ergab zudem, dass sich rechtsextreme
Gewalt zu 90 Prozent gegen Per­so­n­en (in 93 Fällen von 105) entlädt. Die
wenig­sten Opfer (26) wur­den gezielt aus­gewählt. Dem entspricht, dass etwa
drei Vier­tel (76,2 Prozent) aller recht­sex­tremen Gewalt­tat­en spon­tan und aus
der Gruppe (71,4 Prozent) her­aus verübt wur­den. Auf­fäl­liger­weise wur­den die
meis­ten recht­sex­tremen Gewalt­tat­en nicht unter Alko­hole­in­fluss verübt,
Alko­hol spielte vielmehr in etwa jedem drit­ten Fall (35,4 Prozent) eine
Rolle. 

Im Ver­gle­ich zu den recht­sex­trem motivierten poli­tis­chen Delik­ten hatten
auch im ver­gan­genen Jahr links motivierte Straftat­en erneut eher eine
Randbe­deu­tung. Von den 1865 ins­ge­samt reg­istri­erten poli­tis­chen Straftaten -
davon ins­ge­samt 131 Gewalt­tat­en und davon wiederum 108 Körperverletzungen -
waren 88 links motiviert (darunter 14 Körperverletzungen). 

Poli­tisch motivierte Aus­län­derkrim­i­nal­ität wurde in Bran­den­burg im Jahre
2004 nicht registriert.

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