(Tagesspiegel, 17.2.) Im ersten Brandenburger Terrorprozess gegen die rechtsextreme Kameradschaft
“Freikorps” wird voraussichtlich Anfang März das Urteil verkündet: Die von
einem Gymnasiasten angeführten zwölf jungen Leute sollen vom Juni 2003 bis
Mai 2004 im Havelland neun Brandanschläge auf Asia-Imbiss- und Dönerbuden
verübt haben. Hinweise aus der Bevölkerung an die Polizei gab es keine,
obwohl viele von der braunen Clique wussten. Das ergaben jetzt Befragungen,
die das Innenministerium im Umfeld der Angeklagten veranlasste. Die
Ergebnisse sind so erschütternd, dass Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) von
einem “vollständigen Versagen der Sozialkontrolle” spricht. “Keiner der
befragten Personen ist zur Polizei gegangen.” Für ihn sei der Fall
“exemplarisch”, dass im Land bei Ausländerfeindlichkeit “zu viel weggeguckt
wird”. Der Tagesspiegel dokumentiert nachfolgend einige Aussagen befragter
Personen aus dem Umfeld der Kameradschaft.
Ein ehemaliger Mitschüler. Er “äußerte im Rahmen seiner Vernehmung, dass der
Haupttatverdächtige bereits im Juni/Juli 2003 ihm gegenüber davon sprach,
Imbissstände von Ausländern anzugreifen”. Er wurde durch den
Haupttatverdächtigen aufgefordert, dass er “mitmachen” soll, was er jedoch
ablehnte. Im September 2003 erzählte ihm der Haupttatverdächtige, dass er
den “Döner bei Norma in Nauen abgefackelt” hätte. Auch zeigte ihm dieser im
März 2004 eine Liste mit Asia- und Dönerimbissbuden und erzählte ihm, dass
er vorhätte, 20 dieser Objekte gleichzeitig “abzufackeln”.
Eine Lehrerin. Sie gab an, dass der Hauptverdächtige ihr gegenüber geäußert
habe, dass es “früher keine Probleme mit Schwulen und Lesben” gegeben hätte.
Auch sei er “zur Abiturabschlussfeier mit Springerstiefeln, schwarzen Hosen,
schwarz-rot-goldenen Hosenträgern und Bomberjacke erschienen”. Nach ihren
Angaben “wussten die Mitschüler … von dessen politischer Einstellung”.
Ein ehemaliger Freund. Er äußerte, dass der Haupttatverdächtige eine
rechtsextreme Meinung (“kranke Meinung”) hätte und ein “Judenhasser” sei. Er
gab an, dass dieser “eine Untergrundorganisation gründen wollte, um gegen
Juden und Ausländer vorzugehen”. Dieser hätte “sich auch gegenüber anderen
mit der Durchführung von Brandanschlägen gebrüstet”.
Eine Kommunalpolitikerin. Sie äußerte, “dass die Einwohner von … Angst
vor dem Haupttatverdächtigen und seinen Freunden hätten”. Der
Haupttatverdächtige und “seine Leute” hätten in der Vergangenheit Märsche
zur Kiesgrube … gemacht.
Eine andere Lehrerin. Sie gab an, “dass es allgemein bekannt gewesen sei,
wer die Imbissstände angezündet hätte”.
Ein Bürgermeister. Er äußerte, dass er zufällig ein Gespräch mitgehört
hätte, in dem es darum ging, dass der Haupttatverdächtige an den
Brandstiftungen beteiligt gewesen sei.
Ein Bürger. Er gab an, dass ihm bekannt sei, dass der Haupttatverdächtige
rechtsradikale und ausländerfeindliche Ansichten vertritt. Eine ehemalige
Lehrerin habe ihm erzählt, “dass sie den Haupttatverdächtigen mit Freunden
in Uniform bei militärischen Spielen im Wald angetroffen hätte”.