Es herrscht Hochbetrieb in der Wüstung Lakoma. Beschäftigte des Energieriesen Vattenfall schrauben an den Pumpen herum, die Fischer von Peitz holen sich, was vom Wehr noch brauchbar ist, und immer wieder schauen Neugierige vorbei, denn auf den Bäumen am Hammergraben sitzen wieder die Umweltschützer.
Ein paar alte Herren stehen ratlos auf dem Damm, den Vattenfall quer durch das Fließ geschüttet hatte. Sie betrachten das Transparent, auf dem steht: »Als Klimakiller top, als Umweltschützer Flop.« Und gleich daneben: »Stromwechsel jetzt!«
Der Zusammenhang leuchtet den altgedienten Kohlekumpeln nicht gleich ein. Sie wollen eigentlich nichts sagen. Nur soviel, und das muss mal gesagt sein, dass sie lange Jahre im Braunkohletagebau gearbeitet haben und auch für den Umweltschutz sind. Aber das hier geht zu weit. Und was heißt hier Umsiedlung! Mal unter uns: Haben sich die Hornoer nicht gesund gestoßen bei ihrem Umzug? Und wer sitzt denn hier in den Bäumen? Sind das Lausitzer?
Der Blick ist triumphierend und die Beweise wiegen schwer: Wie können junge Leute von sonst woher betroffen sein, wo die Lausitzer dankbar sind, dass Vattenfall ihnen wenigstens noch ein paar Arbeitsplätze gibt, selbst wenn es viel weniger sind als früher? Und bitte, hat der schwedische Konzern nicht schon so viel Gutes getan, als er neue Teiche anlegte, einen neuen Hammergraben baute, und wird das dort nicht schon in fünfzehn Jahren besser aussehen als dieser Urwald hier?
Bald soll eine Volksinitiative gegen neue Braunkohletagebaue starten. Das planen Umweltverbände und die Grünen. Sie wollen noch die LINKE mit ins Boot holen. Bisher machen nur einzelne Sozialisten mit. Am 29. September beschäftigt sich eine energiepolitische Konferenz der Partei in Cottbus mit dem Thema. Der Ausgang der Sache ist offen. Fakt ist, dass es unterschiedliche Auffassungen gibt.
Flussaufwärts, nur ein paar Minuten weit, hängt oben in den Wipfeln die erste Plattform. Anders als die Bergleute sagen Steffi und Alex freimütig, wer sie sind und was sie da tun. Sie haben gut geschlafen und »es ist schon irre«, erzählt Steffi, »den Tagebau zu hören und hier noch im Naturparadies zu sitzen und zu beobachten, wie sich der Tagebau auf uns zu bewegt.« Alex fügt hinzu: »Das schärft das Bewusstsein dafür, »wo wir hier sind und warum wir hier sind.«
Es hat ihnen weh getan, dass die Umweltverbände vor Gericht keine Chance mehr hatten, dass die Grüne Liga sich mit Vattenfall auf einen Vergleich einigen musste. Umso mehr befreit der Entschluss zum gewaltfreien Widerstand, in die Bäume zu steigen gegen die Zerstörung eines Paradieses, dass größtenteils aber schon von Vattenfalls Leuten zerstört worden ist. Etwas tun, nicht bloß sitzen und jammern oder schlimmer noch, für den Klimakiller arbeiten, so stellen Steffi und Alex ihre Situation dar.
Es sind etwa ein Dutzend Leute, aus Freiburg, Hamburg, Slowenien und Tschechien, die auf drei Plattformen in den Bäumen sitzen. Und noch mal so viele sind unten und helfen. Sie sind zwischen 20 und 40 Jahre alt, sie sind Angestellte, Handwerker, Studenten, auch ein Arzt ist dabei. Sie genießen die Natur und das Gefühl der guten Tat. Eine Gruppe aus Schweden hat sich angekündigt.
»Zum Frühstück gab´s Kaffee mit Sojamilch und gestern Abend was ganz Besonderes: Kartoffeln, Quark und Leinöl«, erzählt Alex »Vergiss nicht«, ruft er zum Abschied hinterher, »den Stromanbieter zu wechseln.«
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