Beim Start des Projektes vor drei Jahren hatten wir uns viel vorgenommen, wir haben nicht alles erreicht und trotzdem eine ganze Menge auf die Beine gestellt. In einer Phase des allgemeinen Rechtstrends wollten wir mit unserem Infoladen eine Gegenbewegung einleiten und auf lokaler Ebene den alten humanistischen Idealen von Freiheit, Gleichheit und Solidarität eine Frischzellenkur verpassen. Den Rechtstrend konnten wir nicht aufhalten und die allgemeine Totenruhe, trotz immer härterer Ämter-Schikanen, Massenüberwachung, Nazi-Gewalt und rassistischer Abschottungspolitik, bleibt bedrückend. In all diesen Bereichen haben wir versucht auf lokaler Ebene gegenzusteuern, aufzuklären und zu mobilisieren. Das schlaucht und trotzdem gab es immer wieder Momente, die uns viel Mut und Kraft gegeben haben.
Schon im Oktober 2012 waren knapp 200 Menschen gegen Nazistrukturen in Forst auf der Straße. Durch die Kampagne „Kein Heimspiel für Nazis“ hat die lokalen Naziszene ihren Treffpunkt „Firma 18“ in der Waldstraße verloren. Die NPD hatte mit ihren Kundgebungen in Forst nie einen leichten Stand. Die Kampagne „Wir sind Bert Neumann“ gegen Totalsanktionierung von HartzIV-EmpfängerInnen bekam 2013 bundesweite Aufmerksamkeit. Ende des gleichen Jahres bis Mitte 2014 wurden verschiedenen öffentlichen Veranstaltungen zum Thema Flucht und Asyl auf die Beine gestellt. Gerne erinnern wir uns an die tolle Stimmung beim Refugees-Welcome-Hallenfußballturnier. Nach dem brutalen Überfall auf eines der beiden Forster Asylbewerberheim konnte mit einer Kundgebung im August 2014 ein wichtiges Zeichen der Solidarität gesetzt werden.
In der Zeit haben wir viele neue Bekanntschaften gemacht, feste Verbindungen aufgebaut und Freundschaften vertieft. Das Infoladen-Kollektiv als horizontale Struktur hat sich bewährt, als Ort hat der Infoladen uns allerdings nicht das gebracht, was wir uns erhofft hatten. Zur offenen Anlaufstelle für Jugendliche und Menschen aus dem Stadtteil ist er kaum geworden. Durch die versteckte Lage auf dem Park7-Gelände und den schwierigen Zugang hatten wir zu wenig „Laufkundschaft“. Die persönlichen Kontakte sind durch den Aufbau des Infoladens trotzdem gewachsen und letztendlich sind diese wichtiger als der Ort selbst geworden. Wir haben uns deshalb im Infoladen-Plenum darauf geeinigt unsere Energie, Zeit und Geld besser einzusetzen und unsere zukünftige Arbeit neu auszurichten.
In der Analyse der Situation sind wir zu den folgenden Schlüssen gekommen. Der alte Infoladen-Gedanke hat sich im Prinzip überlebt. die Art sich zu informieren hat sich in den vergangen Jahren radikal verändert. Wir glauben, dass es in Zukunft weniger darum gehen kann große Menge Infomaterial in analoger Form an vielen Orten zur Verfügung zu stellen. Fast alle Informationen sind heute über das Internet zu beziehen. Es ist wichtiger in der „realen Welt“ dezentral und durch unterschiedliche Aktionen Aufmerksamkeit zu erzeugen und dadurch für unsere Themen das Interesse zu wecken. Eigene Räume müssen so offen wie möglich sein und sich immer wieder verändern, um Abschottung und Erstarrung zu verhindern. Temporäre Interventionen, Aktionen und Kampagnen an unterschiedlichen Orten scheinen uns deswegen die besseren Mittel zu sein. Um dabei trotzdem den Faden nicht zu verlieren braucht es auf lokaler und regionaler Ebene Bewegungs-Archive, ein Mindestmaß an Infrastruktur und regelmäßige Publikationen mit hohem theoretischen und praktischen Gebrauchswert.
Wenn wir jetzt den Infoladen Neuron schließen, dann ist das kein Grund zur Trauer. Der Mut und die Lust uns gegen unmenschliche Verhältnisse aufzulehnen brennt weiterhin in uns und wir wissen, dass wir dieses Feuer mit vielen anderen Menschen teilen. Wir machen Platz für Neues. Nochmal danke an Alle, die gemeinsam mit uns aktiv waren und uns auf die eine oder andere Art unterstützt haben.
Die Internetseite werden wir zur Dokumentation weiter online lassen. Rückmeldungen und Anfragen können uns gerne noch eine Weile an die alte Mailadresse neuron[ät]riseup.net geschickt werden.
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