Berliner und Brandenburger Neonazis machen im Internet Jagd auf politische Gegner. Seit einigen Tagen werden in einem “Anti-Antifa-Network” Adressen von Potsdamer Jugendeinrichtungen sowie Namen und Fotos von Personen veröffentlicht, die sich mit der Naziszene kritisch auseinander gesetzt haben. Der Staatsschutz erwägt deshalb sogar, die 28-jährige Berlinerin Claudia L. unter Polizeischutz zu stellen. Sie betreut in ihrem Verein “Opferperspektive” Opfer rechter Gewalt. Auf der im Aufbau befindlichen Seite sollen unter einem “Personenindex” weitere Einträge missliebiger Personen veröffentlicht werden. Angekündigt ist auch eine “Sektion Berlin”. Erstellt hat den Internetauftritt der 20-jährige Potsdamer Neonazi Oliver K. Die Entwürfe und die dazugehörigen Programmscripts wurden der Berliner Zeitung zugesandt. Unter den Dokumenten sind auch Fotos, die offenbar zur Veröffentlichung vorgesehen sind. Demnach stehen nicht nur Linke im Visier der Rechten: Auf den Bildern, die offenbar der 24-jährige Berliner Neonazi Danny L. und die 19-jährige Potsdamerin Melanie W. gemacht haben, sind unter anderen Beamte der Berliner Polizei-Abteilung für Politisch motivierte Kriminalität (PMS) zu sehen.
In den handschriftlichen Entwürfen der Homepage sind einige der aufgelisteten Jugendeinrichtungen durchgestrichen. “Ein Beleg dafür, dass die Anti-Antifa nicht nur Informationen sammelt, sondern auch entsprechend handelt”, sagt Falco Schuhmann vom Antifaschistischen Infoblatt (AIB). “Denn eine der Einrichtungen wurde bereits von Rechten überfallen.”
Fast alle vorbestraft
Hinter der “Anti-Antifa Potsdam” steht eine Gruppe von rund 30 Personen aus Brandenburg und Berlin, von denen fast alle wegen Körperverletzung vorbestraft sind. Einer von ihnen wurde kürzlich wegen schwerer Körperverletzung zu sechs Jahren Haft verurteilt. Bei dem Prozess war auch Claudia L. präsent — die von den Rechten jetzt zur Fahndung ausgeschrieben ist. Mitglieder dieser Gruppe lassen sich stolz vor Hakenkreuzfahnen fotografieren und unterhalten offenbar auch Kontakte zu “Blood & Honour”, einem international agierenden und in Deutschland verbotenen Musiknetzwerk, das rechte CDs illegal vertreibt und konspirative Konzerte organisiert. Die Potsdamer Anti-Antifa-Fotografin Melanie W. wird auf einem CD-Cover der Nazi-Band Bloodshed erwähnt und ist dort im Porträt zu sehen.
Gegen mehrere Schläger der Potsdamer Gruppe stehen in nächster Zeit noch weitere Strafprozesse an. Claudia L. vom Verein Opferperspektive wird anwesend sein und die betreffenden Opfer betreuen. Daran wird auch der Internet-Steckbrief gegen sie nichts ändern. “Ich lasse mich von denen nicht einschüchtern”, sagt sie.
Ihr Anwalt stellte inzwischen Strafantrag, weshalb jetzt die für Datennetzkriminalität zuständige Staatsanwaltschaft Cottbus gegen die Urheber der Internetseite ermittelt. Die Seite wird von einem US-Provider betrieben, weshalb deutsche Fahnder relativ machtlos sind.
Die Sicherheitsbehörden befürchten, dass sich die Auseinandersetzungen zwischen rechts und links weiter hochschaukeln. “Es gibt mehr offene Aktivitäten bei den Rechten”, sagte eine Mitarbeiterin des Berliner Verfassungsschutzes. “Dabei werden auch Namen von politischen Gegnern genannt — nicht nur im Internet, auch als Farbschmierereien.”