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Jede Chance nutzen

(MAZ) POTSDAM Das Ver­hal­ten der NPD-Frak­tion im säch­sis­chen Land­tag hat eine
Diskus­sion auch über den richti­gen Umgang mit der recht­sex­tremen DVU im
bran­den­bur­gis­chen Land­tag aus­gelöst. Min­is­ter­präsi­dent Matthias Platzeck
(SPD) sagte: “Das Haup­tau­gen­merk müssen wir im Moment darauf leg­en, uns
aktiv, offen­siv und ganz kieselk­lar mit den Nazis auseinan­der zu set­zen.” In
Bezug auf die NPD fügte er hinzu: “Und mir soll nie­mand mehr sagen, dass sie
keine Nazis sind. Da haben sie sich ganz klar geoutet.” 

Ein erneutes NPD-Ver­botsver­fahren lehnte der Regierungschef gestern ab. Das
sei juris­tisch derzeit nur schw­er durch­set­zbar. “Vom Herzen her” sei er für
ein Ver­bot. Es dürfe aber keine zweite juris­tis­che Nieder­lage geben, so
Platzeck. Auch Innen­min­is­ter und CDU-Lan­deschef Jörg Schön­bohm lehnte ein
Ver­botsver­fahren ab. Seit dem Scheit­ern vor dem Bun­desver­fas­sungs­gericht im
März 2003 habe sich die Fak­ten­lage nicht geän­dert. CDU-Gen­er­alsekretär Sven
Petke machte das gescheit­erte Ver­botsver­fahren ver­ant­wortlich für den Einzug
der NPD ins säch­sis­che Par­la­ment und den Wiedere­inzug der DVU in den
Pots­damer Land­tag. “Der Aus­gang des Ver­fahrens hat nur den Recht­en genützt”,
sagte Petke. Er kündigte eine stärkere poli­tis­che und inhaltliche
Auseinan­der­set­zung mit recht­en Parteien und Grup­pierun­gen an. 

Der Pots­damer Poli­tik­wis­senschaftler Jür­gen Dit­tbern­er emp­fiehlt den
Parteien eine ern­sthafte Auseinan­der­set­zung mit der DVU. Die Partei sei
schließlich gewählt. Man müsse ihr klar sagen, warum sie nicht Recht hat.
Und man müsse jede Chance nutzen, die DVU bloß zu stellen. 

Gero Neuge­bauer, Poli­tik­wis­senschaftler der Freien Uni­ver­sität Berlin, rät
den säch­sis­chen Parteien das “Bran­den­burg­er Mod­ell” der Auseinandersetzung
mit recht­en Parteien. Wichtig sei, dass sich alle demokratis­chen Parteien
geschlossen von den Recht­sex­tremen abgren­zen. Hier sieht Neuge­bauer aber
auch eine Schwach­stelle des Mod­ells. Wenn zum Beispiel die CDU eine
Zusam­me­nar­beit mit der PDS ablehnt, dann werde das eigentliche Thema
ignori­ert. In der Auseinan­der­set­zung mit recht­en Parteien müssten Fak­ten wie
eine frühere Stasi-Zuge­hörigkeit irrel­e­vant sein, so Neugebauer. 

Im Ver­gle­ich mit der DVU beze­ich­nen die Poli­tik­wis­senschaftler die NPD als
rabi­ater. Die DVU sei aber nicht weniger gefährlich, warnte Neuge­bauer. Das
Wahlbünd­nis bei­der Parteien könne zu Tabu­ver­stößen und ein­er Herabsetzung
der Tol­er­anz­gren­zen führen. Jür­gen Dit­tbern­er rech­net bei einem stärkeren
Auftreten der Recht­sex­tremen aber auch mit einem stärk­eren Gegen­wind für DVU
und NPD

Dass sich jet­zt vor allem PDS-Poli­tik­er für ein neues NPD-Verbotsverfahren
ein­set­zen, erk­lärt Dit­tbern­er unter anderem mit dem gle­ichen Klien­tel der
Protest-Wäh­ler. Mit Anti-Hartz-IV-Kam­pag­nen sei kün­ftig aber keine Wahl mehr
zu gewinnen. 

Nach Sach­sens PDS-Frak­tion­schef Peter Porsch hat­te sich auch Brandenburgs
PDS-Frak­tionsvor­sitzende Dag­mar Enkel­mann für ein neues Verfahren
ausgesprochen. 

Der DGB-Vor­sitzende von Berlin-Bran­den­burg, Dieter Scholz, äußerte sich
besorgt und empört über recht­sex­trem­istis­che Über­griffe vom Woch­enende in
Bran­den­burg. In Straus­berg seien sechs Recht­sex­trem­is­ten in das alternative
Jugend­pro­jekt “Horte” einge­drun­gen und hät­ten einen Jugendlichen mit dem
Ham­mer niedergeschla­gen. In Bernau explodierte ein Sprengsatz im Jugendtreff
“Dos­to”. Wenige Stun­den zuvor hat­te eine rechte Kam­er­ad­schaft gegen den
Jugendtr­e­ff demon­stri­ert. Scholz forderte Lan­desregierung und Kom­munen auf,
“die demokratis­che Jugen­dar­beit nicht dem Rot­s­tift zu opfern”. Wer
Recht­sex­trem­is­mus bekämpfen wolle und Zivil­courage fordere, müsse genügend
Gelder zur Ver­fü­gung stellen. 

Wölfe im Schafspelz”

(Berlin­er Zeitung, Mar­tin Kles­mann) POTSDAM. Vor zwei Wochen hat die bran­den­bur­gis­che DVU-Fraktionsvorsitzende
Liane Hes­sel­barth noch am Neu­jahrsemp­fang der recht­sex­tremen NPD-Frak­tion im
säch­sis­chen Land­tag teilgenom­men. Sie hat dort in die Kam­eras gelächelt, als
die NPD-Par­la­men­tari­er schon mal auf der Min­is­ter­bank des Dres­d­ner Landtags
Platz nah­men. Nun windet sich DVU-Lan­deschef Sig­mar-Peter Schuldt und sieht
sich genötigt, seine Bünd­nis­part­ner von der NPD unge­wohnt deut­lich zu
kri­tisieren. Er erwarte kün­ftig “mod­er­atere Töne von Sach­sens NPD und
Sachar­beit”, sagte Schuldt. “Wir müssen uns jet­zt zusam­menset­zen, damit so
etwas wie am Fre­itag nicht noch ein­mal passiert.” 

Am ver­gan­genen Fre­itag hat­te sich die säch­sis­che NPD-Frak­tion im Dresdner
Land­tag geweigert, sich von den Plätzen zu erheben und der Opfer des
nation­al­sozial­is­tis­chen Völk­er­mordes an den €päis­chen Juden zu gedenken.
Stattdessen hat­ten die Recht­sex­tremen geschlossen den Saal ver­lassen. “Eine
dumme Spon­tan­reak­tion war das”, sagt DVU-Lan­deschef Schuldt und versucht
damit, die juden­feindliche Hal­tung der NPD in eine Kurzschlusshandlung
umzudeuten. Er sagt aber auch: “Bei der DVU in Bran­den­burg wäre das nicht
passiert. Wir hät­ten uns bei einem Gedenken an die Holocaust-Opfer
selb­stver­ständlich erhoben.” Schuldt kri­tisiert also die NPD. Aber er
ver­mei­det es doch, das Wahlbünd­nis, das der mächtige DVU-Chef Ger­hard Frey
mit der NPD geschlossen hat, prinzip­iell in Frage zu stellen. Sein
Frak­tion­skol­lege Michael Claus hat dies bere­its getan. Ihm missfällt
ins­beson­dere die Nähe der NPD zu den mil­i­tan­ten, neon­azis­tis­chen Freien
Kam­er­ad­schaften. “Dadurch wer­den wir nicht mehr, son­dern weniger Wähler
gewin­nen”, hat­te Claus gesagt. 

Schuldt selb­st hat­te in der jüng­sten Land­tags­de­bat­te in Pots­dam den
Holo­caust in einem Atemzug mit dem Viet­nam-Krieg, den Opfern Stal­ins und der
Vertrei­bung der Deutschen aus den Ost­ge­bi­eten genan­nt. Am Mon­tag betonte er
indes die “Einzi­gar­tigkeit des Holo­causts mit sein­er fabrikmäßigen
Ver­nich­tung von Men­schen”. Einem Gespräch über Unter­schiede zwis­chen DVU und
NPD weicht er aber aus. 

SPD-Frak­tion­schef Gün­ter Baaske hält den DVU-Vertretern vor: “Sie stellen
sich als Bie­der­män­ner dar, aber sie sind Wölfe im Schaf­spelz.” Einige
Land­tagsab­ge­ord­nete sehen die DVU im Ver­gle­ich mit der NPD als größere
Gefahr, weil sie mit ihren recht­spop­ulis­tis­chen Forderun­gen leichter auch an
den Stammtis­chen Gehör finde. 

Bere­its vor fünf Jahren hat­te sich die DVU-Frak­tion geweigert, an ein­er vom
Land­tag organ­isierten Gedenk­fahrt ins ein­stige KZ Sachsenhausen
teilzunehmen. Am Sonnabend nun demon­stri­erte der DVU-Chef von
Nor­dost-Bran­den­burg, Klaus-Dieter Mann, gemein­sam mit rechtsradikalen
Jugendlichen für die Schließung eines linken Jugend­clubs in Bernau.

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