Die Leiterin der Wittstocker Dr.-Wilhelm-Polthier-Gesamtschule reagiert auf
jüngsten Vorfall
(MAZ, Dirk Klauke) WITTSTOCK In der Dr.-Wilhelm-Polthier-Gesamtschule Wittstock wird weiterhin alles
getan, um rechtsradikalem Gedankengut jeglichen Nährboden zu entziehen. Dass
solches Gedankengut vorhanden ist, war am vergangenen Mittwoch zu Tage
getreten, als ein 14-Jähriger den 83 Jahre alten KZ-Überlebenden Pavel
Stransky mit den Worten “Ist das der Jude?” angepöbelt hatte (MAZ
berichtete). Außerdem hatte eine Neuntklässlerin den Projektunterricht
erheblich gestört und war des Raumes verwiesen worden.
Schulleiterin Sabine Steinbach sprach gestern von einer “schmerzlichen
Erfahrung”. Der Vorfall habe sie in ihren Bemühungen um Jahre
zurückgeworfen. Dennoch und “jetzt erst recht” werde sie alles tun, um
rechtsradikalen Wirrköpfen das Handwerk zu legen.
Schüler der 9. Klassen, die den Vorfall am vergangenen Mittwoch miterlebt
hatten, wollen nun einen Brief an den 83-jährigen Tschechen schreiben.
Thomas Winkel aus der 9a meinte gestern: “Es wäre schade, wenn der
KZ-Überlebende solche Veranstaltungen nun nicht mehr besucht. Denn sie war
sehr interessant. Ich fand es bescheuert, dass sie von Steffen (Name von der
Redaktion geändert) gestört wurde.” Der 14-Jährige habe “doch bloß wieder
nen Affen machen wollen”, ergänzte Florian Reich. Das sei aber in der
ganzen Klasse 9a nicht gut angekommen. Deshalb haben die 20 Mädchen und
Jungen gestern im Deutsch-Unterricht mit Klassenlehrerin Christina Geister
ihre Gedanken an den 83-Jährigen zu Papier gebracht. In einem Brief steht:
“Es ist nicht gut, dass die Scheiß-Nazis in der Schule wieder einmal cool
sein wollten und einer ins Projekt mit Stransky reingeplatzt ist.”
Der Vorfall war öffentlich geworden, als sich Pavel Stransky bei einer
ähnlichen Veranstaltung im evangelischen Gymnasium in Neuruppin über das
Verhalten von einigen Wittstocker Schülern beschwert hatte.
Sabine Steinbach bemüht sich seit Übernahme der Schulleitung im Jahr 1991
mit vielen Projekten darum, gegen Radikalismus jeder Art vorzugehen. Die
Neuntklässler werden vom 13. bis 17. Dezember im Projekt in der
DGB-Bildungsstätte Flecken Zechlin viel über die Geschichte des einstigen KZ
Sachsenhausen erfahren. Einen Tag werden sie die Gedenkstätte bei
Oranienburg besuchen.
Jeden Sommer fahren Schüler nach Caen in der Normandie, wo sie mit
französischen Gleichaltrigen den Soldatenfriedhof pflegen. Der Frühjahrsputz
in der Schule findet immer am 20. April statt, damit in dieser Zeit niemand
auf den dummen Gedanken kommen könne, so Steinbach, den Hitler-Geburtstag zu
feiern.