Zehn Kinder von Aussiedlern erhalten Hebräisch-Unterricht und werden mit
religiösen Gebräuchen vertraut gemacht
Potsdam — In Potsdam ist gestern Brandenburgs erster jüdischer Kindergarten
eröffnet worden. Vergleichbare Einrichtungen gibt es bislang nur in Berlin
und Dresden.
Die zehn Kinder jüdischer Aussiedler, die hauptsächlich aus der Ukraine
stammen, erhalten im Kindergarten hebräischen Sprachunterricht und werden
mit den religiösen Gebräuchen und Glaubensfragen des Judentums vertraut
gemacht. So stehen am Morgen gleich zu Beginn die rituelle Handwäsche und
ein Gebet auf dem Programm. Den Hebräisch-Unterricht erteilen zwei
Erzieherinnen aus Israel, die mit den Kindern ausschließlich in dieser
Sprache sprechen. Alle Speisen werden koscher zubereitet.
Die jüdische Kita mit dem Namen “Chabad Or Avner” wird von der streng
religiösen Organisation “Chabad Lubawitsch” getragen. Sie liegt im Potsdamer
Neubaugebiet Am Stern und ist Teil der nicht-religiösen Kindertagesstätte
“Märchenland” für 210 Kinder. Etwa zwei Drittel des Tages verbringen die
Kinder gemeinsam mit den anderen Kindern der Einrichtung. Für den Unterricht
und religiöse Anlässe steht ihnen ein eigener Raum zur Verfügung.
Initiiert wurde das Vorhaben von Landesrabbiner Nahum Presman, der der
Organisation “Chabad Lubawitsch” angehört. “Jeder Jude sollte die
Möglichkeit haben, auch als Jude zu leben”, sagte der Rabbiner. Der
Kindergarten sei das Fundament für jüdisches Leben im Land und für die
Weitergabe jüdischer Traditionen. Eines der nächsten Ziele sei die
Einrichtung einer jüdischen Schule.
Bildungsminister Holger Rupprecht (parteilos) sagte, die Eröffnung der Kita
sei ein “Meilenstein” in der Entwicklung des Zusammenlebens. Das Beispiel
mache Mut, die gegenwärtigen Probleme der Gesellschaft lösen zu können.
Der Leiter der Kindertagesstätte “Märchenland”, Peter Groß, betonte, die
Erfahrung werde zeigen, daß die Kinder, die diese Einrichtung besuchen,
nicht mehr “für Rechtsextremismus und Dummheit” anfällig sein werden. Es
gehe vor allem um Integration in und nicht um Anpassung an die Gesellschaft.
Für Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) ist die Eröffnung der
jüdischen Kita “keinesfalls eine Normalität”. Jetzt gelte es, das Besondere
in Normalität umzusetzen.
An der feierlichen Eröffnungszeremonie nahmen Rabbiner aus Berlin, Dresden,
Düsseldorf, Hamburg, Köln, München und Stuttgart teil. In Potsdam leben etwa
1000 Juden, die zumeist aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion stammen.