Schönbohm kann sich nicht durchsetzen / Amtsdirektor befürchtet Zulauf von
Rechtsextremisten
(2.3.) POTSDAM. Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) wird ein Demonstrationsverbot
für Neonazis im Umfeld des Soldatenfriedhofes von Halbe wohl nicht
durchsetzen können. “Soldatenfriedhöfe passen in unseren Gesetzentwurf nicht
rein”, hieß es am Dienstag aus der SPD-Bundestagsfraktion. Brandenburgs
Vize-Regierungschef Schönbohm hatte hingegen jüngst angemahnt, dass die von
der Bundesregierung geplante Verschärfung des Versammlungsrechtes auch für
den Soldatenfriedhof von Halbe gelten müsse. Das sei aber
verfassungsrechtlich schwierig, hieß es dazu am Dienstag aus dem Potsdamer
Innenministerium kleinlaut. Man prüfe noch.
Aufmärsche bis 2010 angemeldet
In Halbe finden seit Jahren anlässlich des Volkstrauertages
Neonazi-Aufmärsche statt. Freie Kameradschaften um den Hamburger Neonazi
Christian Worch haben dort bereits bis zum Jahr 2010 Aufmärsche angemeldet -
der Soldatenfriedhof von Halbe droht also zum neuen Wallfahrtsort von
Rechtsextremisten im Bundesgebiet zu werden.
Trotzdem soll das verschärfte Versammlungsverbot für Neonazis an historisch
belasteten Orten hier nicht gelten, sagte ein Mitarbeiter des
SPD-Innenexperten Dieter Wiefelspütz. Das Demonstrationsrecht werde nur an
Orten beschränkt, die als “Gedenkstätten von überregionaler Bedeutung”
seien, wie zum Beispiel das Holocaust-Mahnmal in Berlin oder die
KZ-Gedenkstätten. Und Neonazi-Aufmärsche könnten nur dann verboten werden,
wenn sie “die Würde von Opfern der NS-Gewalt- und Willkürherrschaft
verletzen”. Das Problem: Die Wehrmachtssoldaten und Angehörigen der
Waffen-SS, die auf dem Soldatenfriedhof von Halbe bestattet sind, zählen
nicht zu den Opfern der NS-Diktatur.
Die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen wollen mit einem verschärften
Versammlungsverbot insbesondere einen geplanten NPD-Aufmarsch am 8. Mai
direkt am Brandenburger Tor in Berlin verhindern.
Der für Halbe zuständige Amtsdirektor des Schenkenländchens, Ulrich Arnts,
befürchtet indes, dass die Neonazis mit dem verschärften Versammlungsverbot
nun erst recht den Soldatenfriedhof für Veranstaltungen nutzen werden -
schon wegen der günstigen Verkehrslage. Halbe hat direkten Autobahnanschluss
nach Berlin und Dresden. “Es wird ein Verdrängungseffekt nach Halbe oder
auch nach Wunsiedel einsetzen, wenn die rechte Szene an noch bedeutenderen
Orten nicht mehr demonstrieren darf”, sagte Arnts am Dienstag. Im
fränkischen Wunsiedel liegt der von Neonazis verklärte Hitler-Stellvertreter
Rudolf Heß begraben. Amtsdirektor Arnts hofft jetzt darauf, die Neonazis am
kommenden Volkstrauertag vom Friedhof trotzdem fern halten zu können -
womöglich durch eine breit organisierte Gegendemonstration.
Der Potsdamer PDS-Innenpolitiker Hans-Jürgen Scharfenberg hingegen will,
dass das Land selbst Orte benennt, die für Neonazi-Aufmärsche verboten
werden. “Es muss per Landesrecht oder Rechtsverordnung möglich sein, den
Friedhof in Halbe solchen Aufmärschen zu entziehen”, sagte Scharfenberg. Die
SPD sieht das ähnlich, befürchtet ansonsten einen erneuten Imageschaden für
das Land Brandenburg. “Man sollte den Ländern überlassen, wo solche
Bannmeilen errichtet werden”, sagte die innenpolitische Sprecherin der
Potsdamer SPD-Fraktion, Britta Stark.
Grünen-Chef Joachim Gessinger sprach sich indes gegen eine Bannmeile für den
Soldatenfriedhof von Halbe aus. “Wir können nicht einfach das
Versammlungsrecht immer weiter beschränken”, sagte er. “Hier ist
Zivilcourage gefordert.” Beim jüngsten Neonazi-Aufmarsch habe sich die
Bevölkerung leider in ihren Häusern verkrochen anstatt zu protestieren.