LEHNITZ Klein und fein und unbedingt sehenswert ist eine Ausstellung über
das ehemalige jüdische Erholungsheim in Lehnitz, die am Sonnabend in der
Lehnitzer Friedrich-Wolf-Gedenkstätte eröffnet worden ist. Das 1934
renovierte und erweiterte Haus beherbergte auch eine hauswirtschaftliche
Schule und ein Tagungszentrum für jüdische Organisationen. Im Mittelpunkt
der Dokumentation steht Frieda Glücksmann, die das Heim von 1934 bis 1938
leitete, bevor sie nach London emigrierte. Nach ihr ist jetzt in Lehnitz
auch eine Straße benannt. Sechs Enkelkinder waren aus England zu der
Ausstellungseröffnung angereist.
In der Ausstellung wird auf 15 Schautafeln die Entwicklung des Hauses von
seiner Gründung im Jahr 1899 bis zur erzwungenen Schließung 1938 durch die
Nationalsozialisten dokumentiert. Das privat gegründete Heim war zunächst
Erholungsort für mittellose Mütter und ihre Kinder, ging später an die
Berliner Jüdische Gemeinde und dann an den Jüdischen Frauenbund über. Zu
DDR-Zeiten wurde das Haus nahe dem See als Krankenhaus genutzt. Anschließend
war es ein Kinder- und Erholungsheim für Behinderte und wurde an die
Jüdische Gemeinde Berlin rückübertragen. Seit dem Jahr 2000 steht das im
Landhausstil errichtete Gebäude leer. Eine künftige Nutzung sei jedoch in
Sicht, hieß es.
Die Dokumentation wurde mit dem Kreismuseum Oranienburg und dem Jüdischen
Museum erarbeitet. Sie basiert auf Recherchen des Lehnitzer
Diplomhistorikers Bodo Becker. Aus dem Nachlass der Familie Glücksmann
stammen etwa 90 Fotos, Briefe und Dokumente als Reproduktionen.
Becker erinnerte an die von den Nazis aufgezwungene Isolation der Bewohner.
Er sprach von der überregionalen Bedeutung der Hauswirtschaftsschule und des
Tagungszentrums, in der Bewohner und Teilnehmer auf die Emigration
vorbereitet wurden.
Manuela Vehma-Ciftci, Direktorin des Kreismuseums, bezeichnete die kleine
Ausstellung als erweiterungsfähig. Es gab im Kreis noch weitere jüdische
Gemeinden. Lehnitz sei jedoch mit dem auf der gegenüberliegenden Seite des
Sees gelegenen früheren KZ Sachsenhausen ein besonderer Ort. “Der braune
Ungeist mit seinen antijüdischen Provokationen machte 1935 auch nicht vor
dem Lehnitzer Heim Halt” — mit Naziparolen, eingeworfenen Scheiben und
Schüssen, die am Zaun abgegeben wurden. Diese Provokationen seien nicht von
Berlinern, sondern von Leuten aus dem Ort ausgegangen. Die Ausstellung sei
auch aktuell, weil jüdische Institutionen noch heute eines Schutzes
bedürften, was traurig und beschämend sei, so Vehma-Ciftci.
Die Dokumentation in der Wolf-Gedenkstätte, Alter Kiefernweg 5, kann
dienstags bis freitags von 10 bis 14 Uhr oder nach Voranmeldung besucht
werden, 03301/52 44 80.