Unter dem Motto “Nicht einsam — Gemeinsam gegen den Sozialabbau” fand am 2. Juli 2005 in Jüterbog die erste gemeinsame Brandenburger Montagsdemo statt.
Etwa 800 TeilnehmerInnen aus 25 Städten in Brandenburg, sowie aus Berlin, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen genossen den Sommernachmittag auf dem Marktplatz in Jüterbog. In zwei Zügen waren sie zuvor ins Stadtzentrum gezogen.
Eine Art Resolution wurde verlesen, welche unter anderem das bundesweite Koordinierungstreffen in Hannover grüßte (es gibt zwei bundesweite Treffen, aber beim zweiten waren neulich wohl ganze drei Städte vertreten). Außerdem hieß es in dem Text: “Wir werden unseren Protest weiter auf die Strasse tragen, gegen eine unsoziale menschenverachtende Politik, egal von welcher Regierung diese auch durchgeführt wird!” Gegenstimmen gab es keine zu diesem Text (“Unsere Stärke ist der Zusammenhalt, wer will uns aufhalten wenn wir uns einig sind?”).
Begeistert applaudiert wurde der kämpferischen Rede von Peter Grottian, auch wenn einige bei seinem verbalradikalen Aufruf zu zivilen Ungehorsam den Alltagsbezug vermißten. Die Radikalität die er (nebst einem genau bezifferten Grundeinkommen) einforderte zeigte sich eher in den Beiträgen aus Senftenberg, Angermünde, usw., in denen immer noch, wie in über 80 Städten bundesweit, Montagsdemos statt finden. Hier zeigten Menschen auf, dass sie sich immer noch wehren, gegen die Schikanen auf den Ämtern, die weit verbreitete Resignation, usw. Sie zeigten auf, daß ihre Vorstellungen von Alternativen noch lange nicht bei der Abschaffung von Hartz IV aufhören. Hier wird eine Solidarität und ein gegenseitiger Respekt wiederentdeckt, auf dem aufgebaut werden kann.
Mehr Bilder und Infos unter: Montagsdemo Jüterburg
Kundgebung gegen Sozialabbau in Jüterbog
(MOZ) Jüterbog (ddp) Bei der ersten zentralen Demonstration gegen die Sozialpolitik der rot-grünen Bundesregierung in Brandenburg haben am Samstag in Jüterbog nach Veranstalterangaben über 800 Menschen ihrem Unmut Luft gemacht. Mit einem Pfeif- und Trommelkonzert zogen zwei Demonstrationszüge durch die Stadt zur abschließenden Kundgebung. Auf Transparenten stand das Motto der Veranstaltung “Nicht einsam — Gemeinsam gegen den Sozialabbau”. Im Mittelpunkt der Kritik standen die Agenda 2010 von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und die Arbeitsmarktreform “Hartz IV”.
Peter Grottian von der Freien Universität Berlin und vom Sozialforum der Bundeshauptstadt rief zum verstärkten Protest gegen die Agenda 2010 auf. Er forderte die Einführung eines Grundeinkommens in Höhe von bis zu 1500 Euro sowie die Abschaffung der Ein-Euro-Jobs. Der Brandenburger PDS-Landtagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke appellierte an PDS und WASG, geeint den Druck auf die Regierung zur Änderung der Sozialpolitik zu verstärken. Auch die Bevölkerung müsse ihren Protest verschärfen.
Nach Angaben von Mitinitiator Michael Maurer hatten Organisatoren der so genannten Montagsdemonstrationen und Sozialbündnisse aus 29 Kommunen Brandenburgs zur ersten gemeinsamen Demonstration nach Jüterbog aufgerufen.
Die Montagsdemonstrationen hatten ihren Ausgangspunkt 2004 in der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt Magdeburg genommen und Nachahmer in ganz Deutschland gefunden. Bundesweit waren jeweils montags Tausende Menschen gegen Sozialabbau auf die Straße gegangen. Auch in zahlreichen Brandenburger Kommunen wurde demonstriert.
600 gemeinsam gegen Sozialabbau
Die erste zentrale Montagsdemonstration des Landes gab es am Sonnabend in Jüterbog
(Christoph Schulze, Neues Deutschland) Insgeheim hofften einige auf bis zu 5000 Teilnehmer bei der ersten zentralen Montagsdemonstration im Land Brandenburg. Nach Jüterbog gekommen sind am Sonnabend etwa 600 Menschen aus knapp drei Dutzend märkischen Städten. Sie versammelten sich auf dem dortigen Marktplatz, um gegen Hartz IV und Sozialabbau zu protestieren.
Viele Beteiligte zeigten sich enttäuscht über die relativ geringe Resonanz. Das Ziel, die immer weiter stagnierenden Montagsdemo-Bewegung noch einmal neu anzukurbeln, wurde offenbar nicht erreicht. Trotzdem hallte laut die selbstbewusste Losung durch die Straßen der Jüterboger Innenstadt: »Hartz IV muss weg, wir sind der Agendaschreck«.
»Viele von uns sind inzwischen verzagt, das müssen wir ehrlicherweise zugeben«, räumte der Berliner Politikwissenschaftler Professor Peter Grottian in seiner Ansprache ein. Dennoch sei der außerparlamentarische Protest gegen Hartz IV – »die Extase bürokratischer Herrschaft« – legitim und habe eine Menge erreicht. »Der Protest war die Zündschnur dafür, dass inzwischen die Menschen über Alternativen diskutieren.« Dass die Bewegung mit der Linkspartei möglicherweise bald eine parlamentarische Stimme bekomme, sei positiv.
Nur auf eine Partei zu hoffen wäre aber ein Fehler. Es komme darauf an, »der Partei durch Druck von der Straße Beine zu machen, damit sie angemessen kämpferisch ist.«
Grottians Rezept, um den außerparlamentarischen sozialen Protest wieder dynamischer zu machen: »Radikaler werden.« Forderungen wie die nach einem garantierten Grundeinkommen von »1300 bis 1500 Euro für alle Menschen« sollten gestellt werden. Man solle nicht mehr nur demonstrieren, sondern auch aktiv zivilen Ungehorsam leisten. Der PDS-Landtagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke, der auch dem Bundesvorstand der Partei angehört, bekräftigte, dass eine »kämpferische Bewegung« auf der Straße weiter nötig sei, weil im Parlament »nur partiell Veränderungen erreicht werden können«. In der Sache seien PDS und Montagsdemonstranten einig: »Hartz IV hat nichts mit einem Kampf gegen Arbeitslosigkeit zu tun und gehört abgeschafft.« Fest stehe, dass für die von der Linkspartei angestrebte Umverteilung von oben nach unten eine Kooperation mit SPD und den Grünen unmöglich sei.
Bei der Kundgebung waren Fahnen von vielen lokalen Montagsdemo-Initiativen zu sehen, Transparente von attac, von Gewerkschaften und der Bürgerinitiative »Freie Heide«. Die DKP hatte einen Informationsstand aufgebaut und verteilte Flugblätter. Die PDS war recht stark vertreten, unter anderem durch einige Landespolitiker.
Eine Frau hatte sich von Kopf bis
Fuß in einen weißen Umhang gehüllt. Auf das bleichgemalte Gesicht war eine finstere Miene geschminkt. »Das Gespenst der Armut geht um«, so die Botschaft. Eine Gruppe aus Wittenberg machte in einem Schaubild deutlich, woran der voranschreitende Sozialabbau sie erinnert: Gefesselte Räuber wie zu Luthers Zeiten und als »arbeitsunwillig« gebrandmarkte Menschen mit Fußfesseln.
Wie viele Teilnehmer der Kundgebung trug auch Manuela Richter ein T‑Shirt mit der Aufschrift »Die Überflüssigen«. Ihr Hauptanliegen beim Sozialprotest sei die Forderung nach gerecht bezahlter Arbeit. »Die Regierung will mir weismachen, dass ich überflüssig bin. Da mache ich nicht mit«, sagte die 53-Jährige.
In ihrer Heimatstadt Eberswalde ist Richter bei den Montagsdemos dabei, von denen inzwischen 45 stattgefunden haben. Mittlerweile kommen aber nur noch 60 bis 100 Teilnehmer, anstatt 1000, wie in der Hochphase der Proteste im vergangenen Herbst.
Von der zentralen Demonstration in Jüterbog hatte sich Richter erhofft, dass wieder ein Gefühl der Stärke entsteht. Dass nur 600 Leute in Jüterbog zusammenkamen, enttäuschte sie. »Es h&a
uml;tten gerne ein paar mehr sein können«. Die 53-Jährige will sich aber nicht entmutigen lassen und auch weiter jeden Montag auf die Straße gehen.
“Vertrauen Sie sich selbst”
Erste landesweite Demonstration gegen Sozialabbau in Jüterbog
(MARTINA BURGHARDT, MAZ) JÜTERBOG Bundeskanzler Gerhard Schröder muss es am Sonnabendnachmittag in den Ohren geklungen haben, so oft wie sein Name bei der ersten landesweiten Demonstration gegen Sozialabbau genannt wurde. Er war aber nicht da, und es gab auch nichts Erfreuliches, was ihm die Demonstranten aus Brandenburg sowie Sachsen-Anhalt und Thüringen zu sagen hatten. Im Gegenteil, ihr Protest richtete sich in erster Linie gegen die rot-grüne Regierungspolitik, gegen die Agenda 2010 und speziell gegen Hartz IV. In zwei Demonstrationszügen vom Bahnhof und vom Gewerbegebiet aus waren die Teilnehmer in Richtung Marktplatz gezogen. Aus Wittenberg hatte sich ein Autokorso Richtung Jüterbog in Bewegung gesetzt. Ein Dutzend Polizisten überwachte das Geschehen.
Aus insgesamt 25 Städten kamen laut Veranstalter, dem Bündnis gegen Sozialabbau Jüterbog, die Protestierenden, etwa 500 von ihnen versammelten sich für drei Stunden vor dem Rathaus. Organisiert worden war die Veranstaltung mit Hilfe der PDS und des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DBG).
Hartz-IV-Betroffene aus neun Städten meldeten sich während der Kundgebung unter dem Motto “Gemeinsam statt einsam” zu Wort. Sie sangen selbst gedichtete Lieder und berichteten über eigene Erfahrungen. Michael Elte aus Elsterwerda sprach über das “Recht auf angemessenen Wohnraum”. Es gebe nur noch ein Recht auf Unterkunft, warmes Wasser sei ein Luxus. Eine 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich schaffe Arbeit für alle — so der Vorschlag von Rainer Mehlin aus Eisenhüttenstadt.
Von einem Grundeinkommen in Höhe von 1300 bis 1500 Euro sprach Peter Grottian, Professor an der Freien Universität Berlin und Mitstreiter im Sozialforum der Hauptstadt. “Wir wollen die Abschaffung von jeder Zwangsarbeit und dass die Menschen vernünftig bezahlt werden”, sagte er und rief zu mehr “zivilem Ungehorsam” auf, um “den Herrschenden weh zu tun”. So könnten “Die Überflüssigen”, wie sich einige Jüterboger Montagsdemonstranten selbst nennen, in Potsdamer Nobelrestaurants “die Reichen” verunsichern.
Den Spitzensteuersatz auf 52 Prozent anheben und den Rüstungsetat verkleinern — darin sieht der PDS-Landtagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke Möglichkeiten, um das Geld von “oben nach unten” zu verteilen. Er rief dazu auf, den Druck in den Parlamenten zu verstärken. “Vertrauen Sie sich selbst und Ihrer eigenen Kraft”, so Gehrcke, “dann werden wir auch Veränderungen erreichen.”