Unter den Orten mit rechtsextrem geprägten Cliquen nennt der Verfassungsschutz auch die Fläming-Stadt
(ND, Ralf Fischer) Im Infocafé »Der Winkel« im Ortskern von Belzig treffen sich gewöhnlich Linke, Asylbewerber und Spätaussiedler. Zwei junge Männer Anfang 20 sitzen am frühen Nachmittag verloren am Tisch. Um diese Uhrzeit ist noch nicht viel los hier. Mike und Steve (Namen geändert) sind seit mehreren Jahren in der Jugendantifa Belzig (JAB) aktiv.
Neonazis veröffentlichten vor einem Jahr die Namen und Adressen der beiden im Internet. Außerdem klebten die Rechtsextremen Zettel an die Häuser ihrer Familien. »Gott vergibt, wir nie– ihr habt Namen und Adressen« stand in altdeutscher Schrift darauf. Einschüchtern lassen wollen sich Mike und Steve auf keinen Fall. Doch ihre Eltern fürchten, dass Schlimmeres passieren könnte. Immerhin kam es vor der Belziger Diskothek »Flash« schon mehrfach zu Auseinandersetzungen zwischen Antifas und Neonazis. Belzig ist einer von zehn Orten in Brandenburg, in denen der Verfassungsschutz rechtsextrem geprägte Cliquen ausmachte, wie die neue Behördenchefin Winfriede Schreiber im Februar sagte.
Wenn es um die lokalen Strukturen der extremen Rechten geht, spricht die Polizei davon, dass »auf Grund umfangreicher strafprozessualer und polizeirechtlicher Maßnahmen« die Täter ermittelt sowie deren Organisationsstrukturen aufgedeckt wurden. Allerdings fehlt in den Fällen, die Mike und Steve betreffen, von den Tätern jede Spur.
Auf Nachfrage versichert der Pressesprecher des zuständigen Schutzbereiches der Polizei, Torsten Ringel, dass durch die »permanente und konsequente Anwendung polizeilicher Maßnahmen« eine starke Verunsicherung in der rechten Szene ausgelöst worden sei und dass die rechte Szene deshalb auch zusammenschrumpfte.
Ringel beteuert, dass die Polizei »im Kampf gegen den Rechtsextremismus« weiterhin alle rechtlichen Möglichkeiten konsequent ausschöpfen werde und dabei auch sehr eng mit SPD-Bürgermeister Peter Kiep (SPD), dem Belziger Forum gegen Rechtsextremismus und Gewalt und dem Mobilen Beratungsteam »Tolerantes Brandenburg« kooperieren will.
Dass die rechte Szene verunsichert sei und schrumpfe, davon haben Mike und Steve nichts bemerkt. Im Gegenteil. An den letzten Wochenenden trafen sie oft auf kleinere Gruppe von Neonazis, die durch die Straßen zogen. Der Alltag in der 12000-Einwohner-Stadt sehe anders aus, als die Polizei es sich wünsche. An der Tankstelle in Richtung Brück sei am Wochenende der Treffpunkt der Belziger Neonazis. Wiederholt liefen die Rechtsextremen mit Baseballschläger bewaffnet durch die Stadt, erzählen Steve und Mike. Die Zusammenarbeit mit anderen antifaschistischen Kreisen halten sie seit einiger Zeit für
zwecklos. Mike meint dazu: »Bündnisse mit der PDS und dem Infocafé gab es mal, aber unsere inhaltliche Ausrichtung ist zu konträr, als dass sie langfristig hätte funktionieren können.« Dazu muss man wissen, dass die JAB zur so genannten antideutschen Szene gehört. Diese bekennt sich zu einer bedingungslosen Solidarität mit Israel und driftet zuweilen ins politische Lager des USA-Präsidenten George W. Bush ab. Damit isolierten sich die Antideutschen in der linken Szene.
Für den PDS-Stadtvorsitzenden Olaf Präger ist Belzig zwar keine rechtsextreme Hochburg und auch keine national befreite Zone. Trotzdem sieht er, dass die Stadt ein ernsthaftes Problem mit der Entwicklung am rechten Rand hat, das allerdings »auch aus der Mitte genährt wird«. Deshalb wirbt er dafür, dass sich ein breites demokratisches Bündnis dieser Entwicklung politisch entgegenstellt. Mit im Boot haben möchte er dabei sowohl die CDU als auch die Jugendantifa. Prägers Meinung nach ist es »notwendig, mehr zu informieren«.
Doch selbst wenn die CDU sich einen Ruck geben würde, das breite Bündnis wird wohl ein Wunschtraum bleiben. Steve und Mike sehen nicht nur politisch keine Zukunft mehr in Belzig. Sie wollen bald studieren, und das geht nun mal in der Kreisstadt nicht. Sie werden wohl bald nach Potsdam oder Berlin ziehen.