(Berliner Zeitung, Katrin Bischoff) NEURUPPIN. Ein 89-jähriger Rentner schult in Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin)
offenbar schon seit längerem Kinder und Jugendliche in rechtsextremistischem
Gedankengut. Wie die Polizei am Sonntag mitteilte, gingen bei dem als
Altnazi bekannten Mann Kinder und Jugendliche ein und aus. An einem Tag
sollen es sogar 70 junge Leute gewesen sein. “Wir haben am Freitag die
Wohnung des Rentners durchsucht”, sagte Polizeisprecher Rudi Sonntag. Nicht
etwa, weil der Verdacht einer Straftat nahe gelegen hätte, sondern zur
Gefahrenabwehr und Verhinderung von Straftaten. “Wir gehen davon aus, dass
der Mann den ideologischen Boden für Straftaten bereitet”, sagte Sonntag.
Die Polizei habe mit der Aktion ein Zeichen setzen wollen.
Die Polizei hatte die Wohnung von “Opa” — so der Spitzname von Wilhelm L. in
der rechtsextremistischen Szene — seit Anfang Juni observiert. Damals waren
drei Jugendliche — ein Schüler, ein Lehrling und ein arbeitsloser Mann -
festgenommen worden. Sie stehen im Verdacht, im März dieses Jahres jüdische
Denkmäler in Neuruppin und Fehrbellin mit SS-Runen und den Nazi-Parolen
“Arbeit macht frei” und “Jedem das Seine” beschmiert zu haben. Zudem soll
einer von ihnen zusammen mit zwei weiteren Verdächtigen einen der linken
Szene angehörenden Jugendlichen verprügelt und mit antisemitischen Worten
beschimpft haben.
Bei der Durchsuchung der Wohnungen der jugendlichen Tatverdächtigen fanden
die Ermittler umfangreiches rechtsextremistisches Propagandamaterial sowie
Mitgliederausweise eines Freundeskreises “Heimattreue Jugend”. Die
Plastik-Ausweise sollen nach Angaben der Tatverdächtigen von “Opa” L.
stammen, bei dem sich die Jugendlichen öfter aufgehalten hätten. Daraufhin
wurde die Wohnung des Rentners von der Polizei beobachtet und schließlich
beim Amtsgericht ein Durchsuchungsbeschluss erwirkt.
Bei Wilhelm L. hätten die Beamten zwei Aktenordner beschlagnahmt, sagte
Polizeisprecher Sonntag. Deren Inhalt werde noch ausgewertet. Zudem wurden
in der Wohnung des Rentners vier 13-jährige Kinder und zwei Jugendliche im
Alter von 14 und 15 Jahren angetroffen. “Bisher sind die Kinder und
Jugendlichen noch nicht mit rechten Straftaten polizeilich in Erscheinung
getreten”, sagte Rudi Sonntag. Sie seien zu ihren Eltern gebracht und in
deren Beisein auch befragt worden. “Zum Teil fielen die Eltern aus allen
Wolken als sie hörten, womit sich ihre Kinder in der Freizeit befassen”, so
der Polizeisprecher.
Wilhelm L. ist bei der Polizei und in Neuruppin und Umgebung schon seit
Jahren wegen seiner rechten Gesinnung bekannt. Der Mann soll nach früheren
Medienberichten im Zweiten Weltkrieg Hitler-Jugend-Führer in Rom gewesen
sein. Anfang der 90er-Jahre war er aus der Nähe von Wuppertal in
Nordrhein-Westfalen nach Brandenburg gezogen. Hier arbeitete er zunächst in
der “Initiative Jugendarbeitslosigkeit Neuruppin” mit, bis seine Kontakte
zur NPD und DVU ruchbar wurden.
Über einen ausländischen Provider verbreitet der Rentner auf seiner Homepage
“10 Gebote”. Dort heißt es unter anderem: “Wir treten ein, gegen eine
Zerstörung unserer eingenen Kultur und lehnen eine Überfremdung ab.” Oder:
“Politisch sind wir nicht rechts oder links, sondern einfach deutsch”.