Nächtliche Protestdemonstration durch die Innenstadt aufgelöst / Sachbeschädigungen / 77 Platzverweise
(MAZ, Peter Degener) Nach dem Konzert “Rock gegen das Stadtschloss” bildete sich am Samstagabend
ein Demonstrationszug durch die Innenstadt, der von der Polizei aufgelöst
wurde, als es — so die Polizei — zu Sachschäden durch “unsortierte
Ansammlungen” von Demonstranten kam. Dabei sei gegen 77 Personen
Platzverweis ausgesprochen worden. Den Angaben nach wurde eine Glasscheibe
an der Haltestelle Platz der Einheit/West zerschlagen, beschädigt worden sei
ein Heizgerät des Café Maximilian in der Brandenburger Straße, laut Polizei
ist hierzu ein einen Tatverdächtiger ermittelt.
Lutz Boede von der Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär,
die das Konzert im Lustgarten organisiert hatte, kritisierte am Sonntag ein
“unkluges Vorgehen der Polizei”, die bereits Minuten vor Konzertende mit
einem Dutzend Einsatzwagen auf dem Lustgarten vorfuhr und die Veranstalter
zum Ende drängte. “Andere Veranstaltungen überziehen deutlich und es
interessiert niemanden, wir hingegen waren sozusagen noch im akademischen
Viertel über der Zeit, aber müssen eine solche Polizeipräsenz erfahren. Das
erregt nun einmal Unmut bei den Besuchern”, so Boede. Das Konzert hatte nur
eine Beschallungsgenehmigung bis 22 Uhr, während zeitgleich stattfindende
Konzerte weitaus längere Genehmigungen hatten.
Allerdings hatte es schon vor dem Konzert Unstimmigkeiten zwischen der Stadt
und den Veranstaltern zum genehminungsrechtlichen Prozedere gegeben, nach
denen zwischenzeitlich unklar war, ob die Veranstaltung überhaupt
stattfinden darf. Das letzte Okay der stadt war erst am Tag vor dem Termin
gekommen (MAZ berichtete).
Unmittelbar nach Ende des Konzerts auf dem Lustgarten bildete sich ein
Demonstrationszug durch die Friedrich-Ebert-Straße. Mit dem Ruf “Nie wieder
Stadtschloss!” und einem Transparent “Bildung statt Preußen” bewegten sich
die Demonstranten bis zum Nauener Tor und weiter durch die Kurfürstenstraße
bis in die Benkertstraße, wo die Polizei die Veranstaltung um 23.45 Uhr
endgültig auflöste. Spätere Kontrollen in der Innenstadt durch die Polizei
verliefen ohne weitere Vorkommnisse.
Begonnen hatte das Konzert mit insgesamt fünf Bands am Nachmittag vor
vergleichsweise wenig Publikum. Auf mehr als 1000 Menschen wuchs die Zahl
des Publikums erst zum Auftritt von “Lex Barker Experience”, die als letzte
von fünf Bands gegen einen Wiederaufbau des Stadtschlosses Schlosses in
Potsdams Mitte anspielte. Zuvor standen die Bands Fehlversuch, Reizgas, La
Feijoa und J.Beats.X auf der Bühne. Dass es bei dem Konzert nicht nur um
eine Auftrittmöglichkeit gehe, betonte etwa der Sänger der Band Reizgas, die
mit politisch motivierten Songs auch schon die Potsdamer Stadtpolitik
kritisierte.
Die Unterschriftensammlung für das Bürgerbegehren der Kampagne gegen das
Stadtschloss, Musik von Rock und Punk bis hin zu Ska und Reggae, viel Sonne
und nicht zuletzt die Wasserbälle, die beim Tag der Offenen Tür im
benachbarten Polizeipräsidium ergattert wurden, schufen eine eigene
Atmosphäre aus politischer Ernsthaftigkeit und ausgelassener Stimmung, die
erst zum Ende des Abends spürbar umschlagen sollte.