Die letzte Durchsage, die Julia S. in der Justizvollzugsanstalt Luckau-Duben hörte, war die Aufforderung, die Klingel zu drücken, wenn man zum Sport wolle. Julia drückte die Klingel. Das Wachpersonal ließ sie nicht zum Sport, weil es einen telefonischen Hinweis gab, dass an diesem Tag noch »jemand« entlassen wird. »Jemand« war Julia. Nach vier Monaten kam sie aus der Untersuchungshaft frei.
Das war vor einer Woche. Gestern berichtete sie im studentischen Zentrum in Potsdam auf einer Pressekonferenz von der Haft. Der 22-Jährigen wirft die Potsdamer Staatsanwaltschaft vor, am 18. Juni gemeinsam mit vier weiteren Personen aus der linken Szene einen 17-jährigen rechtsgerichteten Jugendlichen mit einem Teleskopschlagstock am Kopf schwer verletzt zu haben.
Julias Mutter erfuhr während ihres Urlaubs in Thailand, dass ihre Tochter frei ist. Die Mutter versteht nicht, warum es so lange dauerte. Die von der Staatsanwaltschaft angenommene Fluchtgefahr hält sie für nicht gerechtfertigt. Ihre Tochter habe ein soziales Umfeld und eine Familie.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt weiter gegen Julia S. und die vier Mitbeschuldigten wegen versuchten Mordes aus niederem Beweggrund. Nach Aussagen von Julias Rechtsanwalt wird es frühestens im nächsten Jahr zum Prozess kommen. Zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft will sich Julia S. nicht äußern. Dafür berichtet sie von der Untersuchungshaft, von Willkür und Gängeleien. So fehlte eines Tages ein Jägerschnitzel. Schließerinnen suchten nach Fettspuren, die sie auf die Spur des Schnitzeldiebes hätten bringen können. Schließlich wurde die Gefängnisküche zwei Tage abgeschlossen.
Die Unterstützer von Julia S., die schon eine kleine Demonstration bis vor die Tore der Justizvollzugsanstalt organisiert hatten, wollen weiter Spenden sammeln und Druck machen. Ihr Ziel ist es, dass alle fünf Verdächtigen freigesprochen werden.
Spenden an die Rote Hilfe Potsdam, Postbank Stuttgart, BLZ: 60 010 070, Kto.: 151 907 703, Verwendungszweck: Knastsoli