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Junge Freiheit hat nicht nur Schönbohm interviewt

POTSDAM In der Auseinan­der­set­zung um sein umstrittenes Inter­view mit der Wochen­zeitung “Junge Frei­heit” (JF) ste­ht Bran­den­burgs Innen­min­is­ter Jörg Schön­bohm (CDU) nicht allein auf dem öffentlich-medi­alen Schlachtfeld. 

 

Der israelis­che Schrift­steller Ephraim Kishon nimmt die Pub­lika­tion auf deren Inter­net-Seite gegen den Vor­wurf in Schutz, sie sei recht­sex­trem: “Ihr niveau­volles Blatt ist nicht radikal, es ist nicht ein­mal, was man “rechts” nen­nt, son­st hätte ich Ihnen kein Inter­view gegeben”, bemerkt der Satirik­er. Focus-Chefredak­teur Hel­mut Mark­wort pflichtet bei: “Für mich ist die Junge Frei­heit ein Medi­um, das inner­halb des demokratis­chen Sys­tems ste­ht.” Dass der nor­drhein-west­fälis­che Ver­fas­sungss­chutz die “Junge Frei­heit” in seinen Jahres­bericht­en erwäh­nt, hat nach Mark­worts Auf­fas­sung damit zu tun, dass die Behörde alles beobachte, “was nicht auf dem linken Flügel der SPD behei­matet ist”. 

 

Ver­mut­lich wird man dort verge­blich suchen, was die “Junge Frei­heit” auf ihrer Inter­net­seite vorstellt: Das zum Verkauf ange­botene Buch “Die Hitler-Jugend” von Her­bert Taege wird mit den Worten gelobt: “Der Autor schildert in diesem durch und durch ehrlichen Buch den Ide­al­is­mus der Jugend und den Geist, das sit­tliche Wollen und die Erziehungside­ale dieser Organisation.” 

 

Ange­priesen wer­den auch “Hitlers Briefe und Noti­zen”. Das Buch, heißt es, zeige, “was Hitler emp­fand und dachte, wenn er nicht die Absicht hat­te, seine Umwelt zu bee­in­flussen. Diese Doku­mente ste­hen oft in krassem Gegen­satz zu jen­em Bild, das Hitler aus pro­pa­gan­dis­tis­chen Grün­den von sich entwarf.” 

 

Prob­lem­los lassen sich von der Inter­net-Seite der “Junge Frei­heit” auch Poster auf den pri­vat­en Heim­com­put­er herun­ter­laden. Sie zeigen die Pro­pa­gan­da-Regis­seurin des Nation­al­sozial­is­mus, Leni Riefen­stahl, sowie Ernst von Salomon. Der Freiko­rp­skämpfer wurde 1922 wegen sein­er Beteili­gung an der Ermor­dung von Reich­saußen­min­is­ter Wal­ter Rathenau, der jüdis­che Vor­fahren hat­te, zu ein­er fün­fjähri­gen Zuchthausstrafe verurteilt. 

 

Die schärf­ste Kri­tik an der JF for­muliert das nor­drhein-west­fälis­che Lan­desamt für Ver­fas­sungss­chutz. Das Blatt sei “der Neuen Recht­en zuzurech­nen, ein­er um Intellek­tu­al­isierung bemüht­en geisti­gen Strö­mung inner­halb des Recht­sex­trem­is­mus”, notieren die Düs­sel­dor­fer Geheim­di­en­stler in ihrem Bericht für 2001. Die “Neue Rechte” vertrete “ins­beson­dere antilib­erale, anti­demokratis­che, revi­sion­is­tis­che und nation­al­is­tis­che Ideen”. 

 

Ähn­lich bew­ertet das Lan­desamt für Ver­fas­sungss­chutz in Baden-Würt­tem­berg die JF: Sie müsse “als ein wichtiges pub­lizis­tis­ches Bindeglied zwis­chen dem recht­skon­ser­v­a­tiv­en und dem recht­sex­tremen Spek­trum ange­se­hen wer­den”. Die Zeitung “veröf­fentlicht zahlre­iche Beiträge, mit denen ver­sucht wird, dem frei­heitlichen demokratis­chen Rechtsstaat die Legit­i­ma­tion abzus­prechen”. Beispiel­sweise, so das Bun­de­samt für Ver­fas­sungss­chutz, “beze­ich­nete ein Stam­mau­tor die Bun­desre­pub­lik Deutsch­land als heuch­lerischsten und ver­logen­sten Staat, der jemals auf deutschem Boden existiert habe”. Faz­it der Köl­ner Bun­des­be­hörde: “Die JF bot damit auch 2001 ein Forum für recht­sex­trem­istis­che Mei­n­ungsäußerun­gen und trug insofern weit­er­hin zur Ero­sion der Gren­ze zwis­chen recht­sex­trem­istis­chen und demokratisch-kon­ser­v­a­tiv­en Posi­tio­nen bei.” 

 

Nicht nur Ver­fas­sungss­chützer üben Kri­tik an der JF. Ähn­lich hat sich auch das Oberver­wal­tungs­gericht in Mün­ster in seinem Beschluss vom 22. Mai 2001 (5 A 2055/97) geäußert. Ver­schiedene Veröf­fentlichun­gen in der JF ließen “tat­säch­liche Anhalt­spunk­te für den Ver­dacht von Bestre­bun­gen erken­nen, die gegen das Demokratieprinzip gerichtet sind”, gibt der Ver­fas­sungss­chutzbericht den Gerichts­beschluss wieder. “Überdies ergebe sich das Bild ein­er die Men­schen­würde und das Diskri­m­inierungsver­bot mis­sach­t­en­den frem­den­feindlichen und anti­semi­tis­chen Aus­rich­tung”, zudem wür­den bisweilen “die Opfer des Holo­caust in zynis­ch­er Weise her­abgewürdigt”. Das Gericht monierte darüber hin­aus die Veröf­fentlichung ein­er “größeren Anzahl anti­demokratis­ch­er, frem­den­feindlich­er und anti­semi­tis­ch­er Beiträge” in der Zeitung. 

 

Den­noch kom­men in der JF nicht nur Per­so­n­en zu Wort, die ein­deutig dem rechts­gerichteten bis recht­sex­tremen Spek­trum (wie NPD-Funk­tionär Stef­fen Hup­ka) zuzurech­nen sind. Inter­viewt wer­den oft auch Per­so­n­en aus der Mitte der demokratis­chen Gesellschaft. Diese Scharnier­funk­tion offen­bart nach Auf­fas­sung von Geheim­di­en­stlern das strate­gis­che Konzept der JF. Die eigentlichen poli­tis­chen Ziele sollen “nicht immer offen genan­nt und ver­fol­gt wer­den”, vielmehr solle “recht­sex­trem­istis­ches Gedankengut möglichst ver­schleiert trans­portiert werden”. 

 

Der stel­lvertre­tende Vor­sitzende des Zen­tral­rats der Juden in Deutsch­land, Michel Fried­man, wirft Schön­bohm deshalb vor, durch sein Inter­view die “Junge Frei­heit” les­bar für bürg­er­liche Schicht­en zu machen. “Das ist unver­ant­wortlich”, so Friedman.

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