KYRITZ Zu einer Informations- und Diskussionsveranstaltung mit dem Titel “Der Nazi neue Kleider” am vergangenen Freitag im Gelben Gewölbe des Ostprignitz Jugend e. V. kamen etwa 40 überwiegend junge Zuhörer. Die Veranstalterin, die Antifa-Gruppe Kyritz in Zusammenarbeit mit der Linkspartei-PDS, hätte gerne einige Eltern und Lehrer mehr gesehen. Denn die sichtbaren Zeichen sozialer Differenzierungsprozesse in der neonazistischen Jugendkultur sind vielfältig. Wer wenig oder kein Insiderwissen von dieser Szene besitzt, läuft Gefahr, bestimmte Entwicklungen nicht oder eher verharmlosend zu erkennen.
Als Informant und Moderator nach Kyritz gekommen war Falco Schuhmann. Der Bildungsreferent und Publizist beim Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin e. V. (apabiz e. V.) hielt einen etwa einstündigen Vortrag. Dem schloss sich eine noch etwas längere Frage‑, Antwort- und Diskussionszeit an. Der Verein von Falco Schuhmann sammelt seit Jahrzehnten möglichst alles, was von der Neonaziszene und über sie publiziert wird. Was das offene Archiv hergibt, nutzen Besucher vor Ort. Bildungsarbeit sind deutschlandweit Vorträge, Projekttage, Workshops oder die Wahrnehmung von Lehraufträgen. Schuhmann erklärte in Kyritz, dass der “klassische rechte Skin, martialisch aussehend, kahlgeschoren, mit Bomberjacke und Springerstiefeln” eher nur noch Klischeebild ist. Die bisher typische Symbolik von Stahlhelm und Frakturschrift weicht poppigen Bildern, so zum Beispiel modernen Tätowierungen und Flammenzeichen. In anderen Teilen der Szene überwiegt der unübersehbare Trend zum “normalen” Outfit junger Leute. Die letztlich eindeutigen Symbole werden unauffällig bis dezent getragen.
Der Referent belegte das mit zahlreichen Folien und erklärte: “Neonazis unterwandern die anderen Jugendkulturen wie Punk, Rocker, Gruftis, Hip-Hop & Co. Sie bewegen sich wie sie, kleiden sich so, hören ihre Musik. Und sie machen sich und ihre unveränderten Ideologien mit mehr oder weniger Erfolg breit.”
Wer bei der Veranstaltung war, weiß mehr über NS-Black Metal und bis zu 30 Bands in Deutschland mit Gewalt verherrlichenden, radikalen Texten. Diskutiert wurde über die mit neuem Logo wieder erlaubten, in Berlin/Brandenburg beliebten “Thor Steinar-Klamotten” ebenso wie die Nutzung “germanischer Bräuche”. Sonnenwendfeiern, Runenmagie, geschichtsträchtige Märkte und anderes können “Scheunentore für die Naziszene” sein, lautete eine Schlussfolgerung aus dem Abend. “Wir müssen darauf aufpassen, was Symbole aussagen, müssen achten auf die Übernahme von Symbolen politischer Strömungen, auch die Besetzung linker Zeichen durch Neonazis”, orientierte die Antifa-Gruppe zum Ende der Veranstaltung.