Im Mai diesen Jahres wurde ein junger Antifaschist aus Potsdam in Berlin
festgenommen, weil er ein T‑Shirt mit der Aufschrift „Good Night White Pride“
und einem aufgedruckten Bild trug.
Der Ausspruch „Good Night White Pride“
stammt aus der so genannten Hardcore-Szene, einem politischen Ableger der
Punk-Musikbewegung. In dieser Hardcore-Szene etablierte sich in den 90er Jahren
die sogenannte „Good Night, White Pride“-Bewegung, die sich gegen die
Versuche von Neonazis richtete, die Hardcore-Szene zu unterwandern und in ihr
Fuß zu fassen. „White Pride“ oder „White Power“ ist dabei besonders bei weißen
Rassistinnen und Rassisten in den USA ein beliebter Ausdruck ihres
Überlegenheitsgefühls gegenüber Menschen, die sie für minderwertig halten.
Als Symbol wählte die Good Night White Pride-Bewegung eine Szene aus dem beim
Hardcore üblichen Tanzstil. Während die meisten BetrachterInnen darin nur eine
Tanzszene sehen, welche die Ablehung der HC-Bewegung gegenüber Nazis und
RassistInnen zum Ausdruck bringt, sah die Staatsanwaltschaft Berlin darin eine
„verkörperte Darstellung grausamer oder unmenschlicher Gewalt gegen Menschen“.
Diese Verfolgung des antirassistischen „Good Night, White Pride“-Symbols reiht
sich damit in die aktuelle staatliche Verfolgungswelle von Anti-Nazi-Symbolen
ein. So wurde vor kurzem der Besitzer eines linken Musikversandes wegen des
Verkaufs von durchgestrichenen oder zerschlagenen Hakenkreuzen in Stuttgart
verurteilt (nachzulesen bei www.rote-hilfe.de). Auf vielen antifaschistischen
Demonstrationen, z.B. in Berlin, Leipzig oder Hamburg wurden insgesamt hunderte
NazigegnerInnen wegen des Tragens von zerschlagenen Hakenkreuzen, dem „Good
Night White Pride“-Symbol oder anderen antifaschistischen Darstellungen
verhaftet und angezeigt.
Der betroffene Jugendliche aus Potsdam zeigte sich über die Einleitung eines
Ermittlungsverfahrens entsetzt:
„Ich wollte den öffentlichen Aufrufen folgen, gegen Rechtsextremismus und
Rassismus offen Flagge zu zeigen. Jetzt habe ich es getan und werde dafür
angezeigt, dass ich zu Gewalttaten aufrufen würde – obwohl ich nie jemandem
etwas getan habe. Ich habe den Eindruck, dass hier gezielt das Engagement gegen
Rechts verfolgt werden soll.“
Der junge Mann erhob Beschwerde gegen die dem Ermittlungsverfahren vorausgehende
Beschlagnahme, das Verfahren durchlief mehrere Instanzen. Doch am 26. August
entschied das Landgericht Berlin: „Die
Gewaltdarstellung muss entweder eine Verherrlichung oder Verharmlosung der
grausamen oder unmenschlichen Gewalttätigkeit zum Ausdruck bringen oder durch
die Art und Weise der Darstellung selbst die Menschenwürde verletzen, etwa
indem sie Personen oder Gruppen als menschenunwert erscheinen lässt.
Diesen Anforderungen genügt der hier fragliche Aufdruck, der in stilisierter
Form eine Kampfszene zwischen zwei Personen zeigt, NICHT.“ Und weiter: „Eine
Billigung grausamer oder unmenschlicher, mithin exzessiver Gewalttäigkeit als
Kampfmittel ist der hier fraglichen Abbildung auch unter Berücksichtigung
zwischen dem Text und der bildlichen Darstellung nicht zu entnehmen.“ – der
Angeklagte wurde von allen Vorwürfen freigesprochen. Alles andere wäre auch
absurd gewesen, denn schon das Kinderprogramm der meisten Fernsehsender enthält
mehr Szenen, die Gewalt verherrlichen, als die Darstellung auf dem „Good Night,
White Pride“ Symbol.
Dennoch geht die Verfolgung antifaschistischer Symbole auch in Berlin weiter.
Vor wenigen Tagen gab es – trotz des Urteils – wieder Festnahmen
bei Aktionen gegen den Naziaufmarsch in Tegel. Auch hier war die Begründung das
Tragen des „Good Night White Pride“-Symbols.
Damit muss ab sofort Schluss sein!
Die Rote Hilfe Potsdam fordert umgehende Freisprüche für alle Menschen, die
wegen des Tragens von antifaschistischen oder antirassistischen Symbolen
einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt sind. Wir wenden uns gegen jeden Versuch
der Kriminalisierung antifaschistischen Engagements!
Kontakt: potsdam@rote-hilfe.de